Thomas Albrich/ Winfried R. Garscha/
Martin F. Polaschek (Hrsg.): Holocaust und
Kriegsverbrechen vor Gericht. Der Fall Österreich.
Innsbruck-Wien-Bozen, Studienverlag 2006.
364 S., ill., gebunden Euro 29,90.-
ISBN 3-7065-4258-7
War/ist Österreich ein Paradies für
NS-Verbrecher?
Dieser brisanten wie gleichfalls
(leider noch immer) brandaktuellen Frage widmet sich
vorliegender Sammelband, der von drei renommierten
österreichischen Spezialisten herausgegeben wurde.
Das Buch ist das Ergebnis eines
übergreifenden gemeinsamen Forschungsprojekts, das an
den Universitäten Graz, Innsbruck und Wien/Linz
durchgeführt wurde und dessen Resultate nun gebündelt
auf 364 spannenden Seiten im Rahmen von 13 Beiträgen
präsentiert werden. Im Zentrum steht dabei der Umgang
der österreichischen Nachkriegsjustiz mit Holocaust und
Kriegsverbrechen.
Unterstützt wurden die Autoren bei
ihren Forschungen sowohl von der Justizverwaltung, den
Gerichten als auch von zahlreichen österreichischen
Landesarchiven und dem Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstandes (DÖW).
Das Autorenkollektiv widmete sich
dabei der gesamten Palette nationalsozialistischer
Verbrechen – angefangen von den Tätern der so genannten
„Reichskristallnacht" 1938 bis hin zur Strafverfolgung
von Endphaseverbrechen, wie zum Beispiel der
„Todesmärsche", im Zuge derer noch kurz vor Kriegsende
Tausende Menschen von Fanatikern der
nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie ermordet
worden waren.
Neben den historischen Aspekten für
den Laien sehr interessant sind die Beiträge jener
AutorInnen, die in ihrer Eigenschaft als gelernte
JuristInnen die gesetzlichen Formalzusammenhänge der
frühen Nachkriegszeit erläutern und dabei zahlreiche
österreichische Besonderheiten herausarbeiteten. Ein
(vielleicht überraschendes) Ergebnis des Buches ist dann
auch die Erkenntnis, dass sich die österreichische
Gerichtsbarkeit nach 1945– bei aller berechtigter Kritik
– doch intensiver mit Kriegsverbrechen
auseinandergesetzt hat, als vielfach angenommen.
Wie die AutorInnen (u.a.) zu
diesem Schluss gelangten, das lese man in dem im Übrigen
sehr sauber gestalteten und informativen Sammelband
selbst nach. Es lohnt sich.