Gerhard Jelinek: Nachrichten aus dem
4. Reich.
Salzburg: Ecowin Verlag 2008.
216 Seiten, Euro 22,50.-
ISBN 978-3-902404-64-0
Im Februar und März 1988 haben der
Wiener Journalist Gerhard Jelinek und sein Kollege
Andreas Weber anlässlich der 50. Wiederkehr des
„Anschlusses" Österreichs an Nazideutschland in New York
etwa zwei Dutzend Interviews geführt, hauptsächlich mit
Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung,
die in den Jahren 1938 bis 1942 ihr Heimatland
Österreich verlassen mussten, um ihr Leben zu retten.
Über 60 Stunden Tonmaterial kamen damals zusammen, doch
als die beiden Journalisten nach Österreich
zurückkehrten, war die innenpolitische Stimmung wegen
des Skandals um Kurt Waldheim so aufgeladen, dass nur 3
Portraits gesendet werden konnten. Nun, 70 Jahre nach
dem „Anschluss" hat Gerhard Jelinek das Material wieder
aus der Schublade geholt und mit der Veröffentlichung
aller damaligen Interviews den porträtierten, in der
Zwischenzeit fast allesamt verstorbenen Menschen
Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Es sind wichtige Stimmen aus dem
„Vierten Reich". So hieß das Viertel im Norden von
Manhattan damals bei den Emigranten. Gerhard Jelinek
erinnert sich noch genau an diese bewegenden Gespräche
im Frühjahr 1988, obwohl er in der Zwischenzeit die
Bänder fast vergessen hatte: „Die in vielen Gesprächen
gehörte und empfundene Großzügigkeit, das Bemühen um
Verständnis, wofür es eigentlich keine Erklärung und
schon gar keine Entschuldigung gibt, hat uns damals
überrascht und beschämt." Auch der heutige Leser ist
bewegt und betroffen von den Zeugnissen dieser Menschen,
Musiker, Künstler darunter, Menschen, die vollkommen
mittellos in Amerika ankamen und sich doch mit ihren
Talenten und Kenntnissen irgendwie durchschlugen.
Dieses Buch ist wichtig für die
Öffentlichkeit eines Landes, in dem es genau wie in
Deutschland auch keinen „Schluss der Debatte" geben
darf. Wie sagte Richard von Weizsäcker in seiner
berühmten Rede 40 Jahre nach dem Ende des 2.
Weltkrieges:
„Die Jungen sind nicht verantwortlich
für das, was damals geschah, aber sie sind
verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus
wird." Dieses Buch, das auch für nichtösterreichische
Leser interessant ist, gibt den Emigranten ihre Stimme
zurück, und konfrontiert die gegenwärtige Öffentlichkeit
im Land mit einem Thema, das auch bei unseren Nachbarn
immer noch gerne verdrängt, verharmlost oder
verschwiegen wird.