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Graubart Boulevard

Winfried Stanzick

Christoph W. Bauer: Graubart Boulevard. Innsbruck: Haymon Verlag 2008.

295 Seiten, Euro 19,90.-

ISBN 978-3-85218-572-9

Jahrelang hat diese Suche gedauert, auf die sich der Innsbrucker Autor Christoph W. Bauer gemacht hat. Es ist die Suche nach den Hintergründen des Mordes an einem Juden aus seiner Heimatstadt im November 1938. Bauer sichtete Originaldokumente, las Briefe, sprach mit überlebenden Familienangehörigen und deren Nachkommen und begab sich damit auf eine Spurensuche. Deren Ergebnisse beschreiben nicht nur den Lebens- und Leidensweg der Familie Graubart eindrücklich, sensibel, und bewegend. Sie stellen aber auch ein Stück Zeitgeschichtsschreibung seiner Heimatstadt Innsbruck dar. Dort war Bauer bei seinen Recherchen nicht immer auf Gegenliebe gestoßen. Indem er nicht nur der Spur der Familie Graubart folgt, sondern auch den Tätern nachging, schrieb Bauer ein eindrückliches Kapitel der jüngeren Geschichte Österreichs.

Immer wieder stellt Bauer in seinem wie ein Dokumentarroman abgefassten Buch die parallel laufenden Geschichten der Opfer und der Täter gegenüber. Auf der einen Seite die Familie jenes jüdischen Kaufmanns Richard Graubart, der am 9. November, jenem Tag, an dem die Synagogen in Brand gesetzt, Tausende von Juden getötet und noch viel mehr ihres ganzes Eigentums beraubt wurden. Am 9. November 1938 wurde Graubart von einem Rollkommando der SS in seiner Wohnung getötet. Danach wurde seine Familie, so wie viele andere Innsbrucker Juden, nach Wien ausgewiesen. Einigen von ihnen, darunter seinem in der zionistischen Bewegung aktiven Bruder Siegfried, gelang von dort aus die Flucht in ein rettendes Gastland. Die Tagebücher und Aufzeichnungen Siegfrieds, die Bauer von dessen Enkel in Amerika bekommen hat, gaben dem Autor wertvolle Hinweise. Immer wieder wird daraus zitiert. Auf der anderen Seite stehen die Täter, zunächst jener Skilehrer Aichinger, der der Tat verdächtigt wurde, sie wohl auch begangen hat. Er ist der Sohn einer angesehenen Innsbrucker Hoteliersfamilie. Als er nach dem Ende des Krieges vor Gericht gestelltwurde, floh er ins Ausland. 1999 nach Österreich zurückkehrt, wurde er erneut verurteilt, nach zwei Jahren aber wieder aus dem Gefängnis entlassen.

Christoph W. Bauer lässt keinen Zweifel an seiner Abscheu vor all dem, was sich schon lange vor 1938 in seiner Heimatstadt Innsbruck angebahnt hat. Der Leser gewinnt bei der Lektüre den Eindruck, dass antisemitisches Denken nach 1945 nicht verschwunden ist. Obwohl Bauer nicht direkt Bezug darauf nimmt, wird doch deutlich, dass nach Meinung des Autors gerade in Innsbruck rechtspopulistische Traditionen und Denkweisen einen Nährboden finden. Das Buch ist eine ganz hervorragend recherchierte und literarisch auf höchstem Niveau erzählte Geschichte von Opfern und Tätern des Nazi-Terrors.

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