Hanns Matiasek
Peter-Hannes Lehmann / Jay Ullay:
Tibet. Das stille Drama auf dem Dach der Erde.
Hamburg: GEO-Verlag 2000.
414 Seiten, zahlreiche Farb- und
Schwarzweißfotos, Euro 35,70.-
ISBN: 3-570-01721-4
1981 bereiste Peter-Hannes Lehmann
das Land am Dach der Welt und dokumentierte dies mit
eindruckvollen und berührenden Geschichten und Bildern.
Seine Streifzüge durch das Schneeland führten den Autor
in die berühmte, von Chinesen zerstörte Klosterstadt
Ganden, nach Lhasa, aber auch an unbekannte Orte Tibets.
Überall wurde er mit Begeisterung aufgenommen und
erfuhr, dass die tibetische Kultur und Tradition trotz
der kommunistischen Kulturrevolution mit zahlreichen
Opfern und immenser Zerstörung, weiter bestand, wenn
auch oft versteckt. Der Umstand, dass Lehmanns Reise vor
fast dreißig Jahre stattgefunden hat, macht das Buch
besondern interessant, da man so ein Gefühl für die
zeitliche Dimension des „Dramas am Dach der Erde"
bekommt.
Im zweiten Teil des Buches erlebt der
Leser eine Zeitreise durch die lange Geschichte Tibets.
Dabei wird ein differenziertes Bild von Tibet, seiner
Religion, Politik, seinen Menschen und deren Kultur
gezeichnet. Die weitgehend bekannte jüngere Geschichte
Tibets, vor allem der Umgang der Tibeter mit der
Unterdrückung durch die Volksrepublik China und die
vermeintliche Leidensfähigkeit dieses Volkes, können nur
verstanden werden, wenn man tiefer in die Geschichte und
den Buddhismus eintaucht. So erfährt man, dass seit
Jahrhunderten versucht wurde, Tibet von außen zu
beherrschen. Mongolen, Engländer, Russen und Chinesen
waren daran jedoch meist gescheitert oder arrangierten
sich mit den Tibetern. Diese lange Zeit der
Selbstbestimmung ist eine wichtige Ursache für das
ungebrochene Selbstbewusstsein der Tibeter.
Auch das idealisierte Bild von der
völligen Selbstlosigkeit der Tibeter wird etwas
präzisiert. In einer Gegend so unwirtlich wie Tibet ist
Geben und Nehmen zum gegenseitigen Nutzen eine
Überlebensstrategie, und nicht nur auf die Religion
zurückzuführen. Vermittelt wird anhand vieler Beispiele
das, was der Autor „Zwischen Neandertal und Himmelreich"
nennt, nämlich die Mischung aus geistiger Hochkultur und
Aberglaube. Letztlich ist es aber wahrscheinlich diese
Kombination, die den Tibetern über alle schweren Zeiten
der Vergangenheit hinweggeholfen hat. Abgerundet wird
die beeindruckende Dokumentation der Geschichte Tibets
durch ein Interview mit dem 14. Dalai Lama aus dem Jahr
1998, in dem dieser mit Zuversicht und Hoffnung in die
Zukunft blickt. Tibet - Das stille Drama auf dem Dach
der Erde sei all jenen empfohlen, die sich über das
aktuelle Schicksal Tibets hinaus auch für tiefere
Zusammenhänge und Hintergründe interessieren. Zahlreiche
großformatige Bilder von Menschen, Landschaft und Kultur
machen dieses Buch nicht nur lesenswert, sondern auch zu
einem interessanten Bildband.