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Der Traum des Rabbi Löw
Hubert Michael MADER

Im gold'nen Prag die Judenstadt -
Armut, jeder Hoffnung bar.
Künstler, Trödler, Denker, Nutten.
Lange Bärte, dunkle Kutten.
Ob Greis oder ob kleines Kind:
Außenseiter allesamt,
vereint in ihrer bitt'ren Not.
Vom Hass der Bürger stets bedroht.


Rabbi Löw, ein weiser Mann,
studiert an seinem Arbeitstisch,
der mit Büchern schwer beladen.
Im Reich der Wissenschaft begraben.
Ein Ort des Friedens und der Stille
ist die kleinen Bibliothek.
Vom Staub der Einsamkeit bedeckt.

Vom Schmutz des Lebens unbefleckt.
Jetzt ein Blick aus seinem Fenster
in die Welt der Schattenkinder.
Dort das Elend, dort die Not -
hier die Lehre, das Gebot.
Welches Drängen zwingt den Weisen
jählings in die Nacht hinaus,
bis seine hagere Gestalt
rastlos durch das Ghetto wallt?


Die Wege hüllt ein schwarzer Schleier
in angstschwangere Dunkelheit.
Schwer wie Blei die langen Schatten.
Brüchige Mauern, Schmutz und Ratten.
Hiob starrt aus Fensterluken.
Über blutgetränkte Wände
huschen Bilder, finst're Schemen,
die sich grotesk im Tanze dehnen.


Aus düst'ren Ecken tuschelt's flüstert's
wie verwehte Geisterstimmen.
Ist's vielleicht das leise Klagen
der Kinder, die vom Mob erschlagen?
Hier atmet die Gewaltsamkeit -
nein, sie hechelt giererfüllt.
Eine Spannung, die nicht endet -
ein faulend' Blatt, das sich nie wendet.
Falschen Zeugen leiht der Richter
allzu willig sein Gehör.
er will vernichten, will verdammen -
und der Henker schürt die Flammen.
Ein böser Traum und kein Erwachen?


Alte, schwarzgraue Fassaden.
Sie tragen der Verwesung Spur.
Sind es vielleicht Ruinen nur?
In dem brünstigen Quartier
erstickt der Husten manche Zote.
Kein einzig' Dirnenhaus hier steht,
aus dem nicht das Siechtum weht.

Dann wieder menschenleer die Gassen.
Nur vereinzelt hastig' Schritte,
die allmählich sich verlieren.
Wesen, die im Dunkel stieren?
Gestalten in der Düsternis?
Gespenster, die im Nachtwind treiben?
Doch nur Gräber, dicht gedrängt.
Tote, die kein Mensch mehr kennt.
Leere Kinderaugen schweben
über das stille Gräberfeld.
Fragen sie nach dem Warum?
Graue Steine weinen stumm.


Angesichts des kalten Schweigens
von Trauer und Vergänglichkeit
erstarren sämtliche Gedanken.
Was gewiss schien, kommt ins Wanken.


Da führen magische Visionen
den Weisen in ein fremdes Land.
Wo das Herz durch Bilder spricht.
Die Kerkerwand der Seele bricht.
Er schaut einen bizarren Fels,
darüber nichts als Ewigkeit.
Königsblau das Himmelszelt,
vom Sternenfeuer sanft erhellt.
Plötzlich auf des Berges Spitze
erhebt ein Löwe sich mit Macht.
Zeigt drohend seine scharfen Zähne,
schüttelt die gewalt'ge Mähne.
Der wilde Leu, er blickt gen Himmel.
Schaut zum größten aller Sterne,
im tiefsten Inneren entflammt.


Das Traumbild schwindet leis' dahin.
Die Botschaft bleibt dem Herzen treu.
Zu seinem Volk der Rabbi geht.
Kein Gelehrter - ein Prophet.

 

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