In Villach:
"DENKMAL DER NAMEN" ZEICHEN FÜR VERSÖHNUNG UND TOLERANZ!
Andreas KUCHLER
Unfasslich, nur mit Schaudern und Wut gedanklich nachvollziehbar, dass
auch in unserer Stadt einem System der Boden bereitet wurde, das nicht
nur Krieg gegen die Welt, sondern auch gegen die eigenen Bürger führte:
Rund 200 Frauen, Männer und Kinder aus Villach und Umgebung wurden
zwischen 1938 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet. Mit der Enthüllung
des "Denkmals der Namen" - ein Manifest zu Versöhnung und
Toleranz - sollen jetzt in der Widmanngasse vorerst an 64 von den Nazis
Ermordete öffentlich erinnert werden.
Für Gefallene, Vermisste und Bombenopfer gibt es bekanntlich etliche
Gedenktafeln, die Opfer nationalsozialistischer Gewalt fanden bis jetzt
praktisch kaum öffentliche Beachtung. Für die Mehrzahl dieser
Opfer gibt es kein Grab, keinen Gedenkstein. Der Verein "Erinnern"
- Initiator Mag. Hans Haider - hat gemeinsam mit der Historikerin Mag.
Andrea Lauritsch die Geschichte der Opfer erforscht und dokumentiert.
Auch unserer Stadt war und ist die Erinnerung an die Opfer ein wichtiges
Anliegen und hat deshalb die Realisierung des Denkmals - gestaltet von
Professor Heinz Aichernig - mit einem beträchtlichen Finanzierungsbeitrag
unterstützt.
Eine Seite der Geschichte
Die feierliche Enthüllung gestaltete sich zu einem denkwürdigen
Ereignis, dem überaus viele Besucher - darunter auch Angehörige
von Opfern - ihre Ehre gaben. Zu den Gedenkrednern zählte auch der
slowenische Schriftsteller Andrej Kokot, dessen Bruder namentlich am Denkmal
zu finden ist: Er rief vor allem die Jugend auf, wachsam zu sein, dass
das Gedankengut jener Zeit nicht wieder auflebe. Rache, meinte er, sei
kein Schlüssel zum Frieden, sondern nur Versöhnung: "Wer
jedoch nur eine Seite der Geschichte kennt, der kann allerdings zu seinem
eigenen Land nicht wirklich aufrichtig sein."
Keim für Wiederholung
Bürgermeister Helmut Manzenreiter dankte allen, die am Zustandekommen
des Denkmals mitgewirkt hatten: "In einer Gesellschaft, die sich
allerdings nur mit Tagesfragen auseinandersetzt, kann schon der Keim für
Wiederholungen stecken", warnte Manzenreiter anhand einer aktuellen
Diskussion um das Werk eines heimischen Künstlers. Die Verleihung
des Kulturpreises unserer Stadt an Cornelius Kolig sei auch als ein politischer
Akt für die Freiheit der Kunst zu sehen. Unser Bürgermeister
wies darauf hin, dass auch unsere multikulturelle Jugendakademie eine
Zeichensetzung für die Zukunft sei und eine Chance, dass 1938 bis
1945 nicht wieder passiere.
Aktiver Versöhnungsbeitrag
Inhaltsschwere Worte fanden auch Stadtpfarrer Kanonikus Professor Mag.
Alfons Wedenig und Superintendent Mag. Joachim Rathke. "Diese Feierstunde
ist ein aktiver Beitrag dafür, dass nicht Hass und Unversöhnlichkeit
im Sinne von Auge und Auge sowie Zahn um Zahn das letzte Wort haben, aber
auch eine Warnung, die Menschenrechte nicht zu missachten und den christlichen
Weg der Versöhnung zu gehen", zeigte sich Wedenig erschüttert,
wenn er sich "die Schicksale dieser Menschen vor dem geistigen Auge
vergegenwärtigt".
Erben der Geschichte
Es gelte, erklärte Rathke, sich der jüngsten Vergangenheit
unserer Stadt zu erinnern, zu verinnerlichen, zu Eigen zu machen und was
geschah, wenn einer nur eine Lippe riskierte oder einfach Christ, Kommunist,
Zeuge Jehovas, Kriegsdienstverweigerer, Jude, Roma, Sinti oder Epileptiker
war: Angst, Trennung, Gefangenschaft, Folter, Tod! Als Bürger der
Stadt seien wir auch Erben der Geschichte, und Menschenrechte müssen
deshalb für alle unantastbar, heilig sein.
Keine Selbstverständlichkeit
Öffentliches Erinnern sei in Österreich und auch in Villach
keine Selbstverständlichkeit, spürte Initiator Mag. Hans Haider,
wie er sagte, bei der Realisierung des Projekts nicht unwesentlichen Widerstand.
Er ließ nicht unerwähnt, dass es auch im Großbereich
unserer Stadt eine Reihe von Kriegerdenkmälern und Gedenkveranstaltungen
gebe. Gefallene und Vermisste, meinte er, werden in "trauernder Pflichterfüllung"
dargestellt. Sie seien aber schlussendlich genauso Opfer der Nazis gewesen.
Dokumentation
Das Denkmal, auf dem vorerst - 60 kommen im nächsten Jahr dazu -
64 Namen aufscheinen, soll symbolisch die Ehre und Identität der
Opfer wiederherstellen. Eine ausführliche Dokumentation über
die Opfer liegt auch im Bürgerservice unseres Rathauses auf und kann
auch telefonisch bei Mag. Hans Haider
(0 42 42 / 41 6 75) angefordert werden.
Zum Foto:
Das "Denkmal der Namen"
in der Widmanngasse
(an der Mauer gegenüber unseres Stadtmuseums) erinnert an die
Opfer nationalsozialistischer Gewalt.
Foto: Monika Zore
Erschienen im Mitteilungsblatt der Stadt Villach ("In Villach")
am 1. Dezember 1998.
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