IGNAZ NATHAN REISER
1863-1940Heidrun WEISS
Ignaz Nathan Reiser, der begnadete Architekt der letzten Jahrhundertwende,
dem wir so viele interessante Gebäude in Wien zu verdanken haben
und der heute schon vergessen ist, soll - geht es nach dem Willen der
derzeitigen Eigentümer, die eines seiner dekorativsten Häuser
allmählich verfallen ließen, - nun also ein zweites Mal getötet
werden.
Es geht um das sogenannte Kai-Palais, das auffälligste Gebäude
des architektonisch eher langweiligen Franz Josefs-Kai (Nr. 47, 1912 errichtet),
das seit Jahren nicht mehr bewohnt ist und dem Verfall preisgegeben wurde
(s. Bild 1). Besonders in diesem Fall ein erschütterndes Beispiel,
wie hierorts mit der Geschichte des Stadtbilds und seiner Erbauer umgegangen
wird. Denn gerade Architekt Reiser mit seiner ständigen phantasievollen
Suche nach neuen Ausdrucksformen, dem am Ende seines Lebens so schlimm
mitgespielt wurde, hat sich diese Gedankenlosigkeit am wenigsten verdient.
Ignaz Nathan Reiser, 1863 in Pressburg geboren, hat seine Braut Rosalie
Lustig (geb. 1868) im Jahre 1896 in Ungarn geheiratet und seine Karriere
in Wien begonnen. 1898 wurde Sohn Otto geboren, 1900 Sohn Robert und 1901
Tochter Margit. Er war von Anfang an ein vielbeschäftigter Mann,
zuerst bei Baurat W. Stiassny, der das Rothschild-Spital am Währinger
Gürtel und den Tempel Leopoldsgasse errichtete und bei dem er viel
lernte, später arbeitete er selbständig: Um diese Zeit ist die
Familie in das endgültige Domizil im 2. Bezirk, Vereinsgasse 16,
gezogen. Er schuf Wohn- und Geschäftshäuser, die wir heute noch
bewundern können und einige Bauten für die jüdischen Gemeinden
(Tempel i. d. Pazmanitengasse u. die Mödlinger Synagoge), die zerstört
wurden. Als sein Hauptwerk hat er jedoch die Zeremonienhalle am Vierten
Tor des Wiener Zentralfriedhofs (1926-28) betrachtet (s. Bild 2).
Ignaz N. Reiser starb am 4. Jänner 1940 an Krebs. Seine Frau ließ
ihm noch einen bemerkenswerten Grabstein aufstellen und hat - im Gegensatz
zu ihren Kindern - das Land nicht verlassen wollen. Sie wurde im Juli
1942 nach Theresienstadt und im Herbst desselben Jahres in ein Lager im
Osten deportiert, wo sie den Tod fand. Das Haus Vereinsgasse 16, in dessen
Hoftrakt sich das Atelier Reisers befand, wurde von Bomben getroffen und
auf sehr einfallslose Weise später wieder renoviert.
Foto:
Heidrun Weiss
Foto: Ilan Beresin
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