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PESSACH BEI DEN NACHBARN

Ferdinand DEXINGER

Die Feier von Pessach mit dem Seder-Abend ist wohl der Höhepunkt des gottesdienstlichen jüdischen Jahres. Dass es sich dabei um ein Wallfahrtsfest handelt, ist seit der Zerstörung des Heiligtums in Jerusalem in den Hintergrund getreten. Damit hat dieses Fest einen stark an das jüdische Haus gebundenen Charakter angenommen.

Wegen der Unmöglichkeit, die rituelle Schlachtung der Osterlämmer im Tempel zu Jerusalem vorzunehmen, wird beim Seder-Abend bekanntlich auch kein Osterlamm mehr gegessen. Eher mangels privater Gelegenheit nimmt mancher an einem Seder teil, der in größerem Rahmen veranstaltet wird und aus praktischen Gründen etwa im Speiseraum eines Hotels stattfindet.

Das jüdische Pessach könnte nun auch einmal Anlass sein, einen Blick auf die Feier dieses Festes bei den "Nachbarn", d.h. den Samaritanern zu tun. Wie die Juden feiern sie dieses Fest nach den Vorschriften der Tora. Dennoch hat diese Feier bei den Samaritanern einen ganz anderen Charakter, da für sie Jerusalem keine Rolle spielt und das "Heiligtum", das heißt der heilige Opfer-Platz am Garizim, für sie nach wie vor verfügbar ist. Trotz vieler dort in mehr als zwei Jahrtausenden angerichteten Zerstörungen, kann die rituelle Schlachtung der Osterlämmer, das Pessach-Opfer vorgenommen werden. Heuer erfolgt die Schlachtung der Osterlämmer - sebach ha-pessach - am 7. April (= 14. Nissan). Allerdings fallen das samaritanische und jüdische Ostern nicht immer zusammen, da die samaritanischen Kalenderberechnungen teilweise andere Voraussetzungen haben.

Pessach und die ungesäuerten Brote gehören nach rabbinisch-jüdischem Brauch im Anschluß an die Beschreibung des ersten Pessachfestes wie sie in der Tora (Ex 12) gegeben wird, zusammen. Im gottesdienstlichen Kalender der Samaritaner werden diese beiden Feste jedoch deutlich unterschieden. Der erste Tag von Pessach ist gleichzeitig der Beginn der 7 Tage der Mazzot-Woche, die Tage der Ungesäuerten Brote, an deren Ende, also dem 7. Tag von Pessach, das eigentliche Mazzot-Fest als erstes Wallfahrtsfest des Kalenderjahres gefeiert wird. Bei den Samaritanern sind also Pessach und Mazzot zwei verschiedene Feste. Das erinnert an eine Stelle aus der Tora (Dtn 16,16), wo die drei Wallfahrtsfeste ohne ausdrücklichen Bezug auf Pessach genannt werden:
Dreimal im Jahr sollen alle Deine Männer hingehen, um das Angesicht des Herrn, Deines Gottes, an der Stätte, die er erwählen wird, zu schauen: am Fest der Ungesäuerten Brote (chag ha-mazzot und eben nicht ha-pessach), am Wochenfest und am Laubhüttenfest.(Dtn 16,16).

Die Bibel selbst läßt jedenfalls einen längeren Entwicklungsprozeß erkennen. Die bei den Samaritanern gebräuchliche Unterscheidung könnte also sehr, sehr alt sein, wenn sich das religionsgeschichtlich auch nicht belegen läßt. Immerhin ist es einer der vielen Hinweise darauf, dass die Samaritaner ältere Traditionen bewahrt haben, als das rabbinische Judentum.

Jedenfalls praktizieren die Samaritaner bis heute die Schlachtung der Osterlämmer auf dem Berg Garizim bei Nablus. Da bekanntlich nicht alle Samaritaner in Nablus leben, sondern etwa zur Hälfte auch in Holon bei Tel Aviv wohnen, bedeutet das, dass die Familien aus Holon anläßlich des Pessach- und Mazzot-Festes zum Garizim kommen. Dort trafen und treffen sie mit den in Nablus lebenden Samaritaner zusammen, um gemeinsam eine Woche lang zu feiern. Damit ergibt sich ein praktisches Problem. In vergangenen Zeiten wohnte man am Garizim in Zelten, was um diese Jahreszeit nicht unbedingt angenehm ist. Nach dem Sechstagekrieg errichteten die Samaritaner einfache Häuser am Berg, um dort mit ihren Failien während der Festtage besser wohnen zu können. In den Augen der arabischen-muslimischen Bevölkerung von Nablus wurde das zunächst argwöhnisch betrachtet, weil es doch sehr an die jüdischen Siedlungen erinnerte, die nach 1967 in der Westbank entstanden. Für die Samaritaner eine delikate Angelegenheit, da sie wie in allen Jahrhunderten zwischen Juden und Nicht-Juden ihren Weg suchten, um überleben zu können. Nun ist aber sogar ein Samaritaner Abgeordneter im Palästinensischen Parlament und die Situation einigermaßen beruhigt. Allerdings haben sich die Verhältnisse seit dem Abkommen von Oslo (1993) insofern kompliziert, als Nablus nun auf dem Territorium der palästinensischen Nationalautonomie liegt. Die Samaritaner sind daher bestrebt, auch internationale Garantien zu bekommen, dass sich die Samaritaner aus den beiden Siedlungszentren, nicht zuletzt anlässlich des Pessach-Mazzot-Festes, ungehindert bewegen können. Welche Stolpersteine hier verborgen sind, ergibt sich aus der wohl skurrilen Situation, dass Holon in Israel, Nablus in der Zone A der palästinensischen Autonomiegebiete, die Samaritaner-Häuser auf dem Garizim in Zone B (palästinensische Zivilund israelische Militärverwaltung) und die eigentliche Höhe des Garizim in Zone C (uneingeschränkte israelische Kontrolle) liegen.

Endlich auf dem Garizim angelangt, können wir uns dem eigentlichen Festgeschehen von Pessach zuwenden. Es gibt viele Schilderungen von Reisenden früherer Zeiten, die diese Kulthandlung gesehen haben. Seit das Westbank vor 1967 unter jordanischer Kontrolle war und auch nach dem 6-Tage-Krieg setzte eine gewisse touristische Nutzung ein.

Auch die samaritanische Gemeinde ist gewachsen und demgemäß auch die Zahl der zu schlachtenden Pessach-Lämmer. Waren 1853 nur sieben Lämmer geschlachtet worden, so stieg die Zahl inzwischen auf etwa vierzig.
Nicht immer war es den Samaritanern in den vergangenen Jahrhunderten gestattet, zu Pes-sach den Garizim zu betreten.

Dementsprechenen haben sich zwei liturgische Textformen entwickelt, eine für die Feier in der Stadt und eine für die am Berg, d.h. dem Garizim.
Bei der Kultfeier werden, wie nicht anders zu erwarten, Texte aus Ex 12 rezitiert. Die eigentliche Schlachtung findet dann bei den Worten statt:
"Ihr sollt es (sc. das einjährige, fehlerlose Lamm) bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. Gegen Abend soll die ganze Gemeinde Israel die Lämmer schlachten." (Ex 12,6)

Nach der Schlachtung werden die Lämmer abgehäutet und die Innereien teilweise entfernt und verbrannt. Das Fleisch des Lammes wird gesalzen und das ganze zum Braten bestimmte Lamm auf einem Spieß in einen von oben verschlossenen "Ofen" gestellt und etwa 4 Stunden gebraten. Um Mitternacht erhält jede Familie das ihr zustehende Lamm, das in den Häusern verzehrt wird.

Einen gottesdienstlichen Text, der der Pessach-Agada entspricht, gibt es nicht. Die Texte, die während des gesamten Vorgangs des Pessach-Opfers, das der Hohepriester leitet, gesprochen werden, sind weitgehend der Tora entnommen. Der Grundgedanke, der auch das jüdische Pessach bestimmt, nämlich die Erinnerung an die Heilstat Gottes, der sein Volk aus der Knechtschaft befreite, bestimmt auch den Charakter des samaritanischen Pessach, wie der folgende hymnische Gebetstext zeigt:
"Komm in Frieden, O Fest, Gedächtnis, das für immer Bestand hat, unverändert, für alle Geschlechter." (Cowley 114,10).

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