I. Einleitung
Das Restitutions- und Entschädigungswesen zerfällt
bei näherer Betrachtung in zwei von einander zu unterscheidende
Bereiche: 1. Restitution, d.h. tatsächliche Rückgabe
in natura von entzogenem Eigentum und 2. Gesetze, die
eine gewisse Mindestsicherung der Opfer des Nationalsozialismus
gewährleisten sollen, wie insbesondere das Opferfürsorgegesetz.
Die Historikerkommission hat diesen Unterschied bereits in
ihrem Arbeitsprogramm1 berücksichtigt und untersucht
in ihren Forschungsprojekten unter anderem die Entstehung
der Rückstellungs- und Entstehungsgesetze aber auch deren
praktische Vollziehung.
Hier soll nun die juristische Seite der Rückstellungs-
und Entschädigungsthematik beleuchtet werden. Da es nun
in jüngster Zeit abgesehen von den politischen und allenfalls
auch völkerrechtlichen - sei es nun bindendenden oder
nicht bindenden - Abreden zu Rechtsakten des österreichischen
Gesetzgebers gekommen ist, ist auf diese einzugehen. Diese
Gesetze sind auch bereits von den Behörden und einschlägigen
Einrichtungen, wie insbesondere dem Nationalfonds, zu vollziehen.
Die Historikerkommission ist zwar vorrangig dazu berufen,
historisch zu forschen, auf dem Gebiet der Rückstellung
hat sie aber auch einen Schwerpunkt im rechtshistorischen
und juristischen Bereich gesetzt. Als Grundlage der von der
Kommission noch zu erbringenden Analysen der Rückstellungsgesetzgebung
aber auch der praktischen Vollziehung, muss man sich das gesamte
Regelungswerk der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung,
das auch für einen Juristen - zumindest bis dato - nicht
zum täglichen Brot gehört(e) vergegenwärtigen.
II. Die älteren Rechtsakte
A. Restitutionsgesetze
Zunächst sind die wichtigsten unmittelbar auf die Rückstellungsproblematik
bezogenen Gesetze zu nennen:
Das Gesetz über die Erfassung arisierter und anderer
im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme
entzogener Vermögenschaften vom 10. Mai 1945,
StGBl2 1945/10, war das erste Gesetz, das sich mit
dem Problem der Vermögensentziehungen beschäftigte.
Das Gesetz wurde bis 1946 viermal novelliert.
Zum Zwecke der Erfassung wurden alle Inhaber derartiger Vermögenschaften
verpflichtet, diese innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten
des Gesetzes anzumelden. Verpflichtet zur Anmeldung waren
nach § 1 die Inhaber all jener Vermögenschaften
und Vermögensrechte, die "nach dem 13.3.1938, sei
es eigenmächtig, sei es auf Grund von Gesetzen oder anderen
Anordnungen aus so genannten rassischen, aus nationalen oder
aus anderen Gründen den Eigentümern im Zusammenhang
mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entzogen
worden" waren.
Als Nächstes ist das Nichtigkeitsgesetz, BG3 vom 15. Mai 1946
über die Nichtigkeitserklärung von Rechtsgeschäften
und sonstigen Rechtshandlungen, die während der deutschen
Besetzung Österreichs erfolgt sind, BGBl4 1946/106,
zu erwähnen. Obwohl schon der Titel und auch § 1
des Nichtigkeitsgesetzes eine umfassende Regelung andeutet,
ist für die Opfer und Überlebenden aus dem Nichtigkeitsgesetz
weniger "gewonnen" als auf den ersten Blick vermutet
werden könnte, normiert doch bereits § 2, dass
"die Art der Geltendmachung und der Umfang der Ansprüche"
eines weiteren Bundesgesetzes bedarf, was für die Betroffenen
eine beträchtliche zeitliche Verzögerung bedeutete.
Die eigentlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Durchführung
der Rückstellung entzogenen Vermögens begannen erst
mit dem 1., nach einer Pause von fast einem Jahr wurden sie
in schneller Folge mit dem 2. und 3. RStG fortgesetzt. Letzteres
hatte sich eine umfassende Regelung der Rückstellungsproblematik
zum Ziel gesetzt. Den darauf folgenden 4., 5., 6. und 7. Rückstellungsgesetzen
kommt die Aufgabe der Ergänzung der Regelungen der ersten
drei Rückstellungsgesetze zu: Sie behandeln Materien,
die - aus verschiedenen Gründen - von den ersten drei
Gesetzen ausgespart worden waren:
Das 1. Rückstellungsgesetz, BG vom 26. Juli 1946
über die Rückstellung entzogener Vermögen,
die sich in Verwaltung des Bundes oder der Bundesländer
befinden, BGBl 1946/156 (zuletzt geändert mit BGBl 1955/201
mehrmalige Fristverlängerung durch VO), ist gegenüber
den anderen sechs RStG durch eine Besonderheit gekennzeichnet.
Diese liegt darin, dass es nicht sämtliche Vermögensentziehungen
in seinem Wirkungsbereich betrifft, sondern nur solche, die
auf bestimmter Rechtsgrundlage erfolgt waren. Während
die anderen Rückstellungsgesetze sich generell mit Vermögensentziehungen
- freilich differenzierend nach bestimmten Gegenstandsbereichen
- beschäftigen, die im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen
Machtübernahme erfolgt waren, regelt das 1. RStG
nur solche Vermögensentziehungen, die auf Grund von aufgehobenen
NS-reichsrechtlichen Vorschriften (§ 1 Abs. (2) RechtsüberleitungsG)
oder durch verwaltungsbehördliche Verfügung aus
den in § 1 des G StGBl 1945/10 genannten
Gründen erfolgt waren.
Das RechtsüberleitungsG sieht vor, dass alle nach dem
13.3.1938 erlassenen G5 und VO6 , sowie alle einzelnen Bestimmungen
in solchen Rechtsvorschriften, die mit dem Bestand eines freien
und unabhängigen Staates Österreichs oder mit den
Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar waren,
die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprachen
oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten,
als aufgehoben zu gelten haben. Hierbei ist festzuhalten,
dass die II. Republik keine rückwirkende Aufhebung typisch
nationalsozialistischer Gesetze aussprach. So wurden auch
die sog. Nürnberger Rassegesetze "nur" per
10.4.1945 aufgehoben (StGBl 1945/14).
Das 2. Rückstellungsgesetz,
BG vom 6. Februar 1947 über die Rückstellung
entzogener Vermögen, die sich im Eigentum der Republik
Österreich befinden, BGBl 1947/53 (zuletzt geändert
mit BGBl 1955/201 mehrmalige Fristverlängerung durch
VO), sieht die Rückstellung von Vermögen vor, das
dem ursprünglichen Eigentümer im Sinn des G StGBl 1945/107
entzogen worden war und nunmehr zufolge Verfall im Eigentum
der Republik Österreich steht. Sonstiges in Innehabung
oder Eigentum der Republik stehendes Vermögen wird hingegen
von diesem G nicht erfasst.
Das 3. Rückstellungsgesetz,
BG vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit
von Vermögensentziehungen, BGBl 1947/54 (zuletzt
geändert mit BGBl 1954/252 mehrmalige Fristverlängerung),
wurde am selben Tag wie das 2. RStG beschlossen, ist
aber das weitaus umfassendere Gesetz. Sein Gegenstand war
bzw. ist Vermögen, das während der dt Besetzung
Österreichs, sei es eigenmächtig, sei es auf Grund
von Gesetzen oder anderen Anordnungen, insbesondere auch durch
Rechtsgeschäfte und sonstigen Rechtshandlungen, dem Eigentümer
oder Berechtigten im Zusammenhang mit der NS-Machtübernahme
entzogen worden war. Zur Rückstellung solchen Vermögens
stellte das G ein detailliertes Regelungsgefüge auf.
Im Gegensatz zum 1. und 2. RStG ist es ein generelles
G, weil es eine allgemeine Regelung der Rückstellung
entzogenen Vermögens beinhaltet, unabhängig davon,
in wessen Eigentum oder Innehabung sich die entzogenen Vermögensgegenstände
befinden.8
Eine Reihe von Ansprüchen wurden durch § 30 3. RStG
aus dem Anwendungsbereich des 3. RStG jedoch herausgenommen
und einer besonderen gesetzlichen Regelung vorbehalten. Hierbei
handelt es sich um:
a) Ansprüche der Dienstnehmer;
b) Ansprüche der Mieter (Pächter) von Wohn- und
Geschäftsräumen und der Pächter von Kleingärten;
c) Ansprüchen wegen Entziehung oder Behinderung der Ausübung
von Urheber- und Patentrecht, sowie sonstiger gewerblicher
Schutz- und anderer immaterieller Güterrechte und
d) Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur, die in
die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fielen.
Bezüglich der Dienstnehmer folgte die Regelung in der
Folge durch das 7. RStG die gewerblichen Schutzrechte
wurden durch das 6. RStG erfasst. Für die Ansprüche
öffentlich-rechtlicher Natur wurde beispielsweise das
BeamtenwiedereinstellungsG erlassen. Bei den Bestandrechten
kam eine umfassende gesetzliche Rückstellungsregelung
- ausgenommen zu Gunsten der politischen Parteien nach dem
2. RückgabeG - jedoch nicht zu Stande. Eine "endgültige"
Abgeltung von Vermögensverlusten wegen entzogener Bestandrechte
an Wohnungen und gewerblichen Geschäftsräumlichkeiten
wurde erst durch die erst 2001 beschlossene Novelle des NationalfondsG
normiert9 .
Das 4. Rückstellungsgesetz,
BG vom 21. Mai 1947, betreffend die unter nationalsozialistischem
Zwang geänderten oder gelöschten Firmennamen, BGBl 1947/143
(zuletzt geändert mit BGBl 1952/199), trägt
dem Standpunkt Rechnung, dass es ein wesentlicher Part der
gegen (vor allem jüdische) Unternehmer gerichteten NS-Politik
gewesen war, die Verwendung Ihrer Firmen(namen) zurückzudrängen.
Das 4. RStG eröffnet den Weg dafür, dass Firmen,
die unter NS-Zwang geändert oder gelöscht worden
waren, wiederum mit ihrem ursprünglichen Wortlaut fortgeführt
und in das Handelsregister10 bei gegebenem rechtlichen Interesse
eingetragen werden konnten.
Gegenstand des 5. Rückstellungsgesetzes,
BG vom 22. Juni 1949, über die Rückstellung
entzogenen Vermögens juristischer Personen des Wirtschaftslebens,
die ihre Rechtspersönlichkeit unter nationalsozialistischem
Zwang verloren haben, BGBl 1949/164 (zuletzt geändert
mit BGBl 1955/201), sind Ansprüche auf Rückstellung
der entzogenen Vermögen bestimmter juristischer Personen,
die ihre Rechtspersönlichkeit auf eine der in § 1
Vermögensentziehungserfassungsgesetz, § 1 Nichtigkeitsgesetz
oder § 1 Abs. (1) des 1., 2. oder 3. RStG
genannten Arten verloren und im Zeitpunkt der Einleitungen
eines Verfahrens nach dem 5. RStG nicht wiedererlangt
haben. Das Gesetz findet Anwendung auf Aktiengesellschaften,
Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter
Haftung, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und Gewerkschaften
im Sinne des Berggesetzes. Die vom Gesetz gegebene Umschreibung
seines Regelungsgegenstandes ist insoweit ein wenig irreführend,
als sich das keineswegs auf die Gewährung von Rückstellungsansprüchen
beschränkte, sondern vielmehr als zweiten Regelungsschwerpunkt
auch - unter gewissen Voraussetzungen - die Wiedererrichtung
der von ihm erfassten juristischen Personen vorsieht.
Eine sehr wesentliche Ausnahme von der allgemeinen Regel des
§ 1 Abs. (3) Satz 1, ist in
§ 1 Abs. (3) Satz 2 vorgesehen.
Danach lag dann ein Verlust der Rechtspersönlichkeit
ohne Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme
vor, wenn die Auflösung oder Verschmelzung eines Kredit-
oder Versicherungsunternehmens zum Zwecke der Rationalisierung
in Bank-, Sparkassen-, oder Versicherungswesen erfolgt war.
Damit kommt eine Wiedererrichtung der juristischen Person
nach dem 5. RStG in diesen Fällen nicht in Frage.
Allerdings konnten die geschädigten Anteilseigner Ansprüche
nach § 10 Abs. (2) 5. RStG geltend
machen. Die Antragsfristen sind freilich längst abgelaufen.
Weiters ist das 6. Rückstellungsgesetz, BG
vom 30. Juni 1949 über die Rückstellung
gewerblicher Schutzrechte, BGBl 1949/199 (zuletzt geändert
mit BGBl 1953/186), zu erwähnen. Gewerbliche Schutzrechte
sind besondere, gegen jedermann wirkende Rechte an besonderen
immateriellen Gütern. Hiezu gehört insbesondere
das Marken- und Musterrecht, sowie das Patentrecht. Derartigen
gewerblichen Schutzrechten kam und kommt noch immer für
das wirtschaftliche Handeln der Unternehmen größte
Bedeutung zu. Das 6. RStG beschäftigt sich mit der
Rückstellung von Vermögensentzügen auf diesem
Gebiet. In der Praxis kam diesem RStG eher geringere Bedeutung
zu.
Das 7. RStG, BG vom 14. Juli 1949 über
die Geltendmachung entzogener oder nicht erfüllter Ansprüche
aus Dienstverhältnissen in der Privatwirtschaft, BGBl 1949/207
(zuletzt geändert mit BGBl 1963/319), regelt Ansprüche
aus Privatdienstverhältnissen, die während der deutschen
Besetzung Österreichs im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen
Machtübernahme entweder dem Berechtigten auf Grund von
Gesetzen oder anderen Anordnungen entzogen oder nicht erfüllt
worden sind.
Bei allen Rückstellungsgesetzen sind die Antragsfristen
freilich schon längst abgelaufen.
B. Entschädigungsgesetze
Das Kriegs- und Verfolgungssachschädengesetz
(KVSG), BG vom 25. Juni 1958 über die Gewährung
von Entschädigungen für durch Kriegseinwirkung oder
durch politische Verfolgung erlittene Schäden an Hausrat
und an zur Berufsausübung erforderlichen Gegenständen,
BGBl 1958/127, sieht die Gewährung von staatlichen
Ersatzleistungen u.a. für solche Schäden vor, die
durch politische Verfolgung an Hausrat und an zur Berufsausübung
erforderlichen Gegenständen eingetreten sind. Insoweit
schuf es einen Ausgleich für bestimmte Arten von Vermögensschäden,
die auf Grund politischer Verfolgung eingetreten waren. Anders
aber als z.B. durch das 3. RStG wurde dieser Ausgleich
nicht durch eine Rückstellung des entzogenen Vermögens,
sondern durch eine an seine Stelle tretende Geldzahlung bewirkt.
Diese Geldzahlung wurde von der Republik und nicht vom (unmittelbaren)
Schädiger geleistet. Insoweit bestand zwischen dem Konzept
des 3. RStG und dem KVSG ein wesentlicher dogmatischer
Unterschied.
Durch das KVSG wurde freilich nicht nur den Opfern der nationalsozialistischen
Verfolgung Entschädigungsansprüche gewährt.
Das Gesetz kam vielmehr auch solchen Personen zu Gute, die
Opfer politischer Verfolgung in der Zeit vom 6. März 1933
bis zur deutschen Besetzung Österreichs geworden waren.
Zusätzlich wurde noch durch das Gesetz auch das Problem
der Schäden durch die Kriegseinwirkung geregelt. Dieser
dreifache Tatbestand des Gesetzes wird durch § 1
klar zum Ausdruck gebracht. Entschädigung für Sachschäden
infolge Wegnahme, Verlust oder Zerstörung von Gegenständen
des Hausrats oder der zu Berufsausübung erforderlichen
beweglichen Sachen, die physische Personen innerhalb der Grenzen
des österreichischen Bundesgebiets erlitten hatten, konnten
nicht nur Opfer politischer Verfolgung begehren, sondern auch
diejenigen, die solche Schäden in der Zeit zwischen dem
1. September 1939 und dem 1. September 1945
durch unmittelbare Kriegseinwirkung oder durch Handlungen
von Streitkräften der Alliierten und Assoziierten Mächte
erlitten hatten.
Das KVSG sieht somit aber Ersatz nur für Sachschäden
an Gegenständen des Hausrats und zur Berufsausübung
erforderlichen Gegenständen vor. Das Besatzungsschädengesetz,
BGBl 1958/126, enthält hingegen keine derartige
Einschränkung, sondern sieht generell die Ersatzleistung
für solche Schäden vor, die durch Wegnahme, Verlust,
Zerstörung oder Beschädigung einer körperlichen
Sache entstanden sind. Seine Regelungen sind also weiter gehender
als die des KVSG. Weiters sind die Entschädigungsleistungen
nach dem KVSG in mehrerer Hinsicht gestaffelt und mit Höchstgrenzen
versehen. Bezüglich des Hausrats ist in der Anlage zum
KVSG eine umfassende Liste von Hausratsgegenständen enthalten.
Darin wird jedem Gegenstand eine bestimmte Punktezahl (so
genannte Berechnungspunkte) zugeordnet. Die Auszahlung der
auf diese Weise ermittelten Entschädigungssumme war aber
an Höchstgrenzen des Einkommens des Geschädigten
geknüpft. Ansprüche nach dem KVSG konnten nicht
nur von jener Person geltend gemacht werden, in deren Vermögen
der Schaden ursprünglich eingetreten war. Anspruchsberechtigte
nach Maßgabe ihres Erbrechts waren nach § 2 Abs. (2)
auch der überlebende Gatte und die Kinder, die mit dem
Geschädigten im gemeinsamen Haushalt gelebt hatten. Die
Antragsfristen sind auch hier schon längst abgelaufen.
Schließlich sollen noch folgende (Bundes-) Restitutions-
bzw. Entschädigungsgesetze bloß erwähnt werden:
Es wurden insgesamt 4 Rückstellungsanspruchsgesetze
verabschiedet, worin insbesondere die Übertragung der
Ansprüche auf Rückstellung von Vermögen bestimmter
juristischer Personen, die ihre Rechtspersönlichkeit
während der deutschen Besetzung Österreichs verloren
und später nicht wiedererlangt haben, normiert wurden.
In 2 Rückgabegesetzen wurde die Rückgabe des
Vermögens aufgelöster oder verbotener demokratischer
Organisationen und vor allem deren Rückgabeansprüche
als Bestandnehmer vorgesehen, was eine Privilegierung gegenüber
allen anderen Opfern des NS-Regimes ist, weil die endgültige
Entschädigung von Mietwohnungen und Geschäftsräumlichkeiten
für Entziehungen in der NS-Zeit erst 2001 erfolgte, also
52 Jahre nach der Verabschiedung des 2. RückgabeG.
Mit dem 2. RückgabeG wurden Bestandrechte an demokratische
politische Organisationen, wie der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
und allen ihre Unterorganisationen, dem Vorwärtsverlag,
Organisationen der christlichen Arbeiter und Angestellten
und der Kommunistische Partei, wenn ihnen diese Bestandrechte
in der Zeit zwischen 5. März 1933 und dem 13. März 1938
entzogen worden waren, "zurückgegeben".
Lediglich erwähnt seien in diesem Rahmen noch das Versicherungsentschädigungsgesetz,
das Versicherungswiederaufbaugesetz, die Gesetze über
die Sammelstellen und das Opferfürsorgegesetz mit seinen
unzähligen Novellen, das Beamten-Entschädigungsgesetz,
die insgesamt 4 Hilfsfondgesetze, der Finanz- und Ausgleichsvertrag
(sog. Bad Kreuznacher Abkommen) sowie die §§ 500 ff ASVG.
III. Die neueren Rechtsakte
Nun aber zu den neueren Gesetzen, die eingehender
besprochen werden sollten, beginnend mit der sog. Mauerbachaktion:
Obwohl mit dem 1. Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetz,
BG vom 27. Juni 1969 über die Bereinigung der
Eigentumsverhältnisse des im Gewahrsam des Bundesdenkmalamtes
befindlichen Kunst- und Kulturgutes, BGBl 1969/294, Antragsmöglichkeiten
auf Rückgabe von Kunst- und Kulturgut geschaffen worden
sind, wurden nur 269 Gegenstände herausgegeben.
Die geringe Menge mag auf vielerlei Gründe zurückzuführen
sein, vielleicht auch an damals zu geringen Einsatz der österreichischen
(Vertretungs-)behörden im Ausland bzw. am Mangel in tatsächlich
geeigneter Weise dieses G bekannt zu machen. Das bloße
Abdrucken im BGBl und Mitteilen in der Wr. Zeitung scheint
jedenfalls im Ausland auf kein gesteigertes Echo gestoßen
zu sein.
Mit dem 2. Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetz,
BG vom 13. Dezember 1985 über die Herausgabe
und Verwertung ehemals herrenlosen Kunst- und Kulturgutes,
das sich im Eigentum des Bundes befindet, BGBl 1986/2,
wurde neuerlich für die ursprünglichen Eigentümer
oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen die Möglichkeit
eröffnet, Herausgabeansprüche gegen die Republik
Österreich geltend zu machen. Um eine möglichst
große Bekanntheit zu gewährleisten, wurde auch
bei österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland
die Liste aller jener Kunst- und Kulturgüter, deren Rückgabe
beantragt werden konnte, zur Einsichtnahme aufgelegt. Insgesamt
wurden vom Bundesministerium für Finanzen 367 Anträge
an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich
und Burgenland als Prüfstelle weitergeleitet. Die Finanzlandesdirektion
konnte auf Grund der von ihr durchgeführten Verfahren
22 Positionsnummern (151 Gegenstände) an 21 Antragsteller
herausgeben. Ein Großteil der geltend gemachten Ansprüche
wurde jedoch wegen Mehrfachbeanspruchung beim Landesgericht
für Zivilrechtssachen Wien anhängig. Die Abwicklung
dieser Verfahren gestaltete sich zum Teil sehr schwierig.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass seit
jenem Zeitpunkt, wo die Antragsteller ihre Kunst- und Kulturgüter
das letzte Mal gesehen haben, oft Jahrzehnte vergangen sind.
Besondere Probleme haben sich dann ergeben, wenn die ursprünglichen
Eigentümer zwischenzeitlich verstorben waren und die
Verfahren mit dem Erben fortgesetzt worden sind.
Jene Kunst- und Kulturgüter, welche nicht an die Eigentümer
rückgegeben wurden, sollten durch freiwillige öffentliche
Versteigerung für Zwecke von bedürftigen Personen
verwendet werden, die aus rassischen, religiösen und
politischen Gründen durch das NS-Regime verfolgt worden
sind. Die als "herrenlos geltenden Kunstgegenstände,
die sich unter der Verwaltung des Bundesdenkmalamtes in der
ehemaligen Kartausenanlage Mauerbach befanden, wurden dem
Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs
zwecks Versteigerung übertragen. Hierfür bestimmte
der Gesetzgeber (recht bedacht) eine Zweckbindung von 88%
für jüdische und 12% für nicht-jüdische
Opfer. Durch die ausgezeichnet angelegte sog Mauerbachauktion,
die vom renommierten Auktionshaus Christies im Museum
für angewandte Kunst Ende Oktober 1996 durchgeführt
wurde, konnte das damals gegründete "International
Steering Committee" ca. 120 Mio. ATS (ca. 8.720.740,10 €)
als finanzielle Basis des Mauerbachfonds übernehmen.
Dieser Betrag kommt bedürftigen Holocaust-Überlebenden
aus aller Welt zugute. Eine allfällig eingehendere Wertung
dieser Maßnahme wird allenfalls die Historikerkommission
nach Vorlage aller Abrechnungen vornehmen können.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Kunstrückgabegesetz
erwähnen, BG über die Rückgabe von Kunstgegenständen
aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen",
BGBl I 1998/181. Voraussetzung für eine Rückgabe
nach diesem Gesetz ist, 1. dass Kunstwerke, die Gegenstand
von Rückstellungen waren entweder im Zuge von Verfahren
nach dem Ausfuhrverbotsgesetz unentgeltlich (als "Schenkung"
oder "Widmung") zurückbehalten wurden und in
die österreichischen Bundesmuseen und -sammlungen eingegangen
sind, oder 2. dass sie zwar rechtmäßig in das Eigentum
des Bundes gelangt sind, jedoch zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes
gewesen sind, das nach § 1 Nichtigkeitsgesetz
nichtig erklärt wurde, und sich noch im Eigentum des
Bundes befinden oder 3. trotz eines abgeschlossenen Rückstellungsverfahren
nicht an die ursprünglichen Eigentümer oder deren
Rechtsnachfolger von Todes wegen zurückgegeben werden
konnten und als herrenloses Gut unentgeltlich in das Eigentum
des Bundes übergegangen sind.
Zur Auffindung der etwaigen Kunstgegenstände im Eigentum
des Bundes wurde eine Provenienzforschungskommission beim
Bundesdenkmalamt unter Vorsitz von Prof. HR Dr. Bacher
eingerichtet. Deren Ergebnisse werden dem im Bildungsministerium
eingerichtete Kunstrückgabebeirat übermittelt, der
gegebenenfalls eine Rückgabe an festgestellte "Berechtigte"
dem zuständigen Bundesminister empfiehlt. Es besteht
somit kein Rechtsanspruch auf Herausgabe eines Kunstgegenstandes,
ein Verwaltungsverfahren nach dem AVG findet nicht statt.
Als Nächste Maßnahme ist das BG über den Nationalfonds
der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus,
BGBl 1995/432, zu erwähnen, das am 50. Jahrestag
der II. Republik ergangen ist. Man hat sich über alle
Parteigrenzen hinweg zu einer moralische Anerkennung der NS-Opfer,
verbunden mit einer finanziellen Geste in der Höhe von
70.000 ATS (5.087,10 €) verstanden. Der
Fonds erbringt diese Geldleistung an Personen,
1. die vom nationalsozialistischen Regime aus politischen
Gründen, aus Gründen der Abstammung, Religion,
Nationalität, sexuellen Orientierung, auf Grund einer
körperlichen oder geistigen Behinderung oder auf Grund
des Vorwurfs der so genannten Asozialität verfolgt
oder auf eine andere Weise Opfer typisch nationalsozialistischen
Unrechts geworden sind oder das Land verlassen haben, um
einer solchen Verfolgung zu entgehen, und
2. die
a) am 13. März 1938 die österreichische
Bundesbürgerschaft und einen Wohnsitz in Österreich
oder
b) bis zum 13. März 1938 durch etwa 10 Jahre
hindurch ununterbrochen ihren Wohnsitz in Österreich
gehabt haben bzw. in diesem Zeitraum als Kinder von solchen
Personen in Österreich geboren wurden oder
c) vor dem 13. März 1938 die österreichische
Bundesbürgerschaft oder ihren zumindest etwa zehnjährigen
Wohnsitz verloren haben, weil sie wegen des unmittelbar
bevorstehenden Einmarsches der Deutschen Wehrmacht das Land
verlassen haben, oder
d) vor dem 9. Mai 1945 als Kinder von solchen
Personen im Konzentrationslager oder unter vergleichbaren
Umständen auch in Österreich geboren worden sind.
Organe des Fonds sind das Kuratorium, das Komitee und der
Generalsekretär. Das Kuratorium ist das wichtigste Organ
des Fonds, ihm obliegen Erlassung der Geschäftsordnung
und insbesondere der internen Richtlinien, die vor allem auch
die Vergabe der Geldleistungen regeln. Das Komitee entscheidet
über die Zuerkennung von Leistungen. Die Generalsekretärin
bereitet die Arbeiten vor, ihr kommt unter anderem auch die
Aufgabe zu, die Verbindung zwischen Österreich und den
im Ausland lebenden Opfern des Nationalsozialismus zu pflegen,
sofern diese Agenden nicht ohnedies vom Bundesministerium
für auswärtige Angelegenheiten erfüllt werden.
Allenfalls kann der Nationalfonds auch Projekte unterstützen,
die Opfern des Nationalsozialismus zugute kommen, der wissenschaftlichen
Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner
Opfer dienen, an das nationalsozialistische Unrecht erinnern
oder das Andenken an die Opfer wahren. Diese ursprüngliche
"Kann-Bestimmung" wird aber vom Nationalfonds durchaus
genutzt. Insgesamt hat der Nationalfonds von 1995 - 2000 über
2 Milliarden ATS (145,35 Mio. €)
ausgezahlt.
Nachdem dem Nationalfonds auch das sog Raubgoldguthaben zur
Verwaltung übertragen worden war, wurde mit der Novelle
des Nationalfondsgesetzes, BGBl I 2001/11,
der Fonds um 150 Mio. USD (Wert zum Zeitpunkt 24. Oktober 2000)
aufgestockt. Dieser Betrag wird an Opfer des Nationalsozialismus
im Sinne des § 2 b Abs. (3) NationalfondsG
erbracht, d.h. Personen, die aus politischen Gründen,
aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität,
sexuellen Orientierung und dergleichen vom nationalsozialistischen
Regime verfolgt wurden und die selbst oder deren Eltern einen
Vermögensverlust in einer der im G aufgezählten
Kategorien erlitten. Diese Kategorien betreffen Bestandrechte
an Wohnungen und gewerblichen Geschäftsräumlichkeiten,
Hausrat und persönliche Wertgegenstände. Es sei
an dieser Stelle zumindest erwähnt, dass bei dieser Abgeltung
von Bestandrechten nur "Wohnungen und gewerblichen Geschäftsräumlichkeiten"
umfasst sind, im zuvor erwähnten 2. RückgabeG
war darüber hinaus zu Gunsten der politischen Parteien
auch eine Rückgabe von Bestandrechten an bebauten und
unbebauten Grundstücken vorgesehen.
Der Gesamtbetrag ist an die Berechtigten zu gleichen Teilen
als Pauschalsumme aufzuteilen, wobei man beim Nationalfonds
von 7.000 USD/Person ausging und ausgeht. Für diese
Annahme der Organe des Nationalfonds gibt es aber weder eine
gesetzliche noch sonst ersichtliche rechtliche Grundlage,
sodass gegebenenfalls ein finanzieller Nachschuss notwendig
werden könnte. Um gleich hohe Leistungen zu gewährleisten,
kann ein Teilbetrag bis zur Höhe von 5% der 150 Mio. USD
vorbehalten werden. Pro Antragsteller wird die Pauschalsumme
ausbezahlt, völlig unabhängig davon, ob eine Person
in allen drei Kategorien oder nur in einer vom Gesetz genannten
Kategorie einen Vermögensverlust erlitt, also Mietwohnung,
Hausrat oder persönliche Wertgegenstände. Bei Härtefällen
kann der Fonds nach gelockerten Voraussetzungen gemäß
sich selbst gegebenen Richtlinien vorgehen. Ein Rechtsanspruch
auf Leistungen aus dem Fonds besteht aber prinzipiell nicht.
Anträge sind bis spätestens 1 Jahr nach Inkrafttreten
der Nationalfondsgesetznovelle zu stellen, d.h. bis spätestens
22. Februar 2002. Diese Frist ist somit ebenfalls
bereits abgelaufen. Abgeltungen dieser Vermögensverluste
wurden mit Beginn April 2001 aufgenommen, die Auszahlung
ist nämlich im Gegensatz zum im Folgenden zu besprechenden
Entschädigungsfondsgesetz nicht von der Zurückziehung
von sog class actions in den U.S.A gegen Österreich und
österreichische Unternehmungen (der sog. "legal
closure") abhängig. Die Auszahlung einer solchen
Geldleistung vom Nationalfonds ist schließlich noch
an die Voraussetzung geknüpft, dass der Empfänger
für sich und seine Erben (offenbar unwiderruflich?) erklärt,
die Geltendmachung sämtlicher Forderungen auf Grund von
oder im Zusammenhang mit Vorgängen zwischen dem 13. März 1938
und dem 9. Mai 1945 im Gebiet der heutigen Republik
Österreich erlittenen Vermögensverlusten in einer
der in diesem Gesetz genannten Kategorien gegen die Republik
Österreich, österreichische Unternehmen im Sinne
des Versöhnungsfonds-Gesetzes, BGBl I 2000/74
(ausgenommen Dorotheum) sowie österreichische Staatsbürger
zu verzichten.
Diese Novelle des Nationalfonds geht auf Berichte der Historikerkommission
zu entzogenen Mietwohnungen in der NS-Zeit zurück. Das
im Folgenden zu besprechende Versöhnungsfondsgesetz fußt
gleichfalls auf entsprechenden Zwischenberichten der Historikerkommission
zu konkreten Zahlen der auf dem Gebiet der Republik Österreich
tätigen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der
NS-Zeit.
Mit dem BG über den Fonds für freiwillige Leistungen
der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter
des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfondsgesetz),
BGBl I 2000/74, wurde der Versöhnungsfonds
geschaffen. Der Versöhnungsfonds hat zum Ziel, durch
eine freiwillige Geste der Republik Österreich - es besteht
also auch hier kein Rechtsanspruch - gegenüber natürlichen
Personen, die durch das NS-Regime zu Sklavenarbeit, darunter
versteht man besonders erschwerte Arbeitsleistungen in Konzentrationslagern,
oder Zwangsarbeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich
gezwungen wurden, einen Beitrag zu Versöhnung, Frieden
und Zusammenarbeit zu leisten. An ehemalige (ausländische)
Kriegsgefangene werden hingegen keine Leistungen erbracht.
Die Höhe der Leistungen beträgt:
1. 105.000 ATS (ca. 7.630,65 €) für
Sklavenarbeiter (wobei festzuhalten ist, dass diese Kategorie
wohl fast ausschließlich von Deutschland in der dortigen
Stiftung bedacht wird und daher kein großer Anwendungsbereich
für Österreich bleiben dürfte),
2. 35.000 ATS (2.543,55 €) bei geleisteter
Zwangsarbeit in Industrie, Gewerbe, Bauwirtschaft, Elektrizitätswirtschaft,
sonstiger gewerblicher Wirtschaft, in öffentlichen Einrichtungen,
bei Reichsbahn oder Reichspost,
3. 20.000 ATS (1.453,46 €) bei geleisteter
Zwangsarbeit ausschließlich in der Land- und Forstwirtschaft
oder persönlicher Dienstleistungen (Haushalt, Hotels
u.ä.),
4. damalige Kinder oder Minderjährige, die mit einem
Elternteil auf das Bundesgebiet in der NS-Zeit verbracht oder
während des Zwangsarbeitseinsatzes geboren wurden, erhalten
den Betrag der dem Elternteil zustehen würde,
5. Frauen, die während des Zwangsarbeitseinsatzes Kinder
in Ostarbeiterinnen-Entbindungsheimen zur Welt brachten oder
zum Schwangerschaftsabbruch genötigt wurden, kann eine
zusätzliche Geldleistung von 5.000 ATS (363,36 €)
zuerkannt werden.
Die Geldleistungen sind höchstpersönlich und somit
allgemein nicht vererblich, aber auch nicht pfändbar.
Personen, die von der dt. Zwangsarbeitsstiftung eine Leistung
erhalten, sind von Leistungen aus dem Versöhnungsfonds
ausgeschlossen. Anträge sind innerhalb von 2 Jahren
nach Inkrafttreten des Versöhnungsfondsgesetzes zu stellen.
Das Inkrafttreten war von der Sicherstellung der Geldmittel
und der Unterzeichnung von völkerrechtlichen Abkommen
abhängig. Gem. Kundmachung der Bundesregierung vom 1. Dezember 2000,
BGBl I 2000/122, ist das Versöhnungsfonds-Gesetz
mit 27. November 2000 in Kraft getreten. Die Antragsfrist
endet somit am 27. November 2002.
Der Versöhnungsfonds ist mit 6 Mrd. ATS (ca.
436.037.005,01 €) abschließend dotiert, es
besteht keine Nachschusspflicht. Eine Auszahlung hat zur Voraussetzung,
dass der Leistungsempfänger eine Erklärung abgibt,
mit Erhalt der Geldleistung nach diesem Gesetz auf die Geltendmachung
von Forderungen für Sklaven- und Zwangsarbeit gegen die
Republik Österreich oder gegen österreichische Unternehmen
unwiderruflich zu verzichten. Hier normierte der Gesetzgeber
also die Unwiderruflichkeit ausdrücklich im Gesetz.
Organe des Versöhnungsfonds sind wiederum ein Kuratorium,
ein Komitee und ein Generalsekretär, die Aufgabenverteilung
ist dem Nationalfonds nicht unähnlich. Der Versöhnungsfonds
ist aber auf 3 Jahre befristet. Interessanterweise wurde in
einer ersten Novelle des Versöhnungsfondsgesetzes, BGBl I 2001/40,
eine Haftungsfreistellung zu Gunsten des Fonds und dessen
Organe insbesondere bei allenfalls fehlerhaften Entscheidungen
über die Zuerkennung von Leistungen normiert. Mit derselben
Novelle wurde eine solche Haftungsfreistellung auch für
den im folgenden zu besprechenden Allgemeinen Entschädigungsfonds
als auch den Nationalfonds und deren Organe vorgesehen. 11
Die neuerste bislang erfolgte Gesetzesinitiative in dieser
Materie ist das Entschädigungsfondsgesetz, BGBl I 2001/12
(EFG). Diesem soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine umfassende
Bedeutung zukommen, was eine eingehende Erläuterung rechtfertigt.
Mit dem Entschädigungsfondsgesetz des Bundes wurde ein
Allgemeiner Entschädigungsfonds zur umfassenden Lösung
offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus
für Verluste und Schäden, die als Folge von oder
im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen
Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus
entstanden sind, geschaffen. Der Entschädigungsfonds
soll mit 210 Millionen USD spätestens 30 Tage,
nachdem alle in den U.S.A. am 30. Juni 2001 anhängigen
Klagen gegen Österreich oder österreichische Unternehmen,
die sich aus oder im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus
oder dem Zweiten Weltkrieg ergeben, abgewiesen worden sind
(ausgenommen Klagen betreffend vom Versöhnungsfonds erfassten
Ansprüche, Rückgabe von Kunstgegenständen sowie
Klagen auf Naturalrestitution gegen Länder und Gemeinden).
Der Entschädigungsfonds bedient sich der Organe des Nationalfonds,
d.h. des Kuratoriums und des Generalsekretärs. Da aus
dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen ist, zu welchem Ressort
der Entschädigungsfonds insbesondere (budgetär)
gehört, wird somit anzunehmen sein, dass er dem Nationalfonds
gleich der Parlamentsdirektion zuzurechnen ist. Statt des
Komitees des Nationalfonds wurde das Antragskomitee vorgesehen,
das über Anträge auf Leistungen aus dem Entschädigungsfonds
entscheidet. Dem Antragskomitee gehören ein von der Regierung
der USA, ein von der österreichischen Bundesregierung
zu bestimmendes Mitglied sowie ein von diesen Mitgliedern
zu bestimmendes Mitglied als Vorsitzender an. Das Antragskomitee
ist unabhängig und fällt seine Entscheidungen in
der Regel mehrheitlich. Die Mitglieder sind ehrenamtlich tätig12
.
Für Zahlungen aus dem 1. Teil des Entschädigungsfondsgesetzes
sind zwei Verfahren vorgesehen: das Forderungs- und das Billigkeitsverfahren.
Leistungen aus den insgesamt 210 Mio. USD sollen
jeweils zur Hälfte verwendet werden. Antragsberechtigt
sind Personen (nur im Forderungsverfahren auch Vereinigungen
[sic!]), die vom NS-Regime aus politischen Gründen, aus
Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität,
sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen
oder geistigen Behinderung oder auf Grund des Vorwurfes der
so genannten Asozialität verfolgt wurden, und die als
Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet
der heutigen Republik Österreich während der NS-Zeit
Verluste oder Schäden erlitten. Allenfalls sind die Erben
von antragsberechtigten Personen gemäß der erbrechtlichen
Bestimmungen des ABGB antragsberechtigt. Im Forderungsverfahren
sind die allfälligen Rechtsnachfolger von Vereinigungen
antragsberechtigt. Leistungen aus dem allgemeinen Entschädigungsfonds
sollen gemäß der ausdrücklichen Normierung
eine "endgültige Abgeltung von Verlusten und Schäden",
die von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet
der heutigen Republik Österreich während der Zeit
des Nationalsozialismus entstanden, sein.
Es besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen. Anträge
sind spätestens 24 Monate nach In-Kraft-Treten des
Gesetzes beim Fonds einzubringen. Das In-Kraft-Treten des
Entschädigungsfondsgesetzes war von der Sicherstellung
der nötigen Geldmittel abhängig. Gemäß
Kundmachung der Bundesregierung vom 20. Juni 2001,
BGBl I 2001/58, ist das Entschädigungsfondsgesetz
mit 28. Mai 2001 in Kraft getreten. Das bedeutet,
dass Anträge auf Leistungen gem. § 8 EFG
bis 28. Mai 2003 gestellt werden können.
In jedem der beiden Verfahren kann nur ein Antrag gestellt
werden, der aber Verluste mehrerer Kategorien umfassen kann.
Parallele Antragstellung derselben Verluste ist aber unzulässig
(Folge?). Eine Fondsleistung hat auch hier zur Voraussetzung,
dass der Empfänger mit Leistungserhalt für sich
und seine Erben (offenbar wiederum unwiderruflich?, der Gesetzgeber
hat es hier aber im Gegensatz zum Versöhnungsfonds nicht
normiert) erklärt, auf alle Ansprüche gegen Österreich
und/oder österreichische Unternehmen, die sich aus oder
im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus oder
dem Zweiten Weltkrieg ergeben, zu verzichten. Hiervon bleiben
Ansprüche auf Kunstgegenstände und vom Gesetz nicht
berührte Fälle unberührt.
Im Forderungsverfahren können Anträge für Vermögensverluste
in den folgenden Kategorien gestellt werden:
1. liquidierte Betriebe einschließlich Konzessionen
und anderem Betriebsvermögen;
2. Immobilien (ausgenommen die im weiteren zu besprechende
Naturalrestitution);
3. Bankkonten, Aktien, Schuldverschreibungen, Hypotheken;
4. sonstige Mobilien (ausgenommen Fälle, in denen bereits
die Nationalfondsgesetz-Novelle greift) und
5. Versicherungspolizzen.
Die insgesamt 210 Mio. USD werden gem. § 5
Abs. (1) EFG jeweils zur Hälfte für Leistungen nach
dem Forderungsverfahren und dem Billigkeitsverfahren verwendet.
Im Forderungsverfahren ist unter Berücksichtigung erleichterter
Beweisstandards nachzuweisen, dass
1. die den Vermögenswert betreffende Forderung niemals
zuvor durch österreichische Gerichte oder Verwaltungsbehörden
endgültig entschieden oder einvernehmlich geregelt wurde,
2. eine derartige Entscheidung oder einvernehmliche Regelung
eine extreme Unge- rechtigkeit13 darstellte, oder
3. die den Vermögenswert betreffende Forderung durch
österreichische Gerichte oder Verwaltungsbehörden
aus Mangel an erforderlichen Beweisen abgelehnt wurde, in
Fällen, in denen derartige Beweise dem Antragsteller
einst nicht zugänglich waren, aber in der Zwischenzeit
verfügbar wurden.
Bei der zweiten Variante kann das Antragskomitee nur einstimmig
die Erfüllung der Beweiserfordernisse beschließen.
Bei den anderen beiden Voraussetzungen wird, sofern keine
gegenteiligen Beweise vorgelegt werden, eine eidesstattliche
Erklärung einschließlich einer plausiblen Begründung,
warum niemals über die Forderung entschieden oder eine
Regelung getroffen wurde, bzw. die erforderlichen Beweise
dem Antragsteller nicht zugänglich waren, als ausreichend
erachtet. Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei um keine
"Kannbestimmung" handelt.
Das Antragskomitee entscheidet im Forderungsverfahren über
die Anträge und setzt einen sog. Forderungsbetrag fest.
Nach Ablauf der Antragsfrist, d.h. dem 28. Mai 2003,
bemisst das Antragskomitee auf Grund der festgelegten Forderungsbeträge
einen Zuerkennungsbetrag jedem Antragsteller zu. Das ist ein
Betrag, der auf Grund des bereitgestellten Betrages von 105 Mio. USD
(abzüglich Leistungen aus Versicherungspolizzen und Verwaltungskosten)
und der Summe aller Forderungsbeträge berechnet wird
und somit eine pro rata Leistung darstellen soll. Der Zuerkennungsbetrag
darf höchstens 2 Mio. USD/Person betragen.
Es wird wohl davon auszugehen sein, dass der Gegenwert in
Dollar zum Gegenwert des Gesamtbetrages des Fonds zu werten
sein wird.
Bei der Entscheidung über Versicherungspolizzen, die
nicht nur Lebensversicherungen sondern offensichtlich auch
Schadensversicherungspolizzen umfassen sollen, ist ein Gesamtbetrag
von 25 Mio. USD vorgesehen. Ob dieser Betrag nur
für das Forderungsverfahren und allenfalls bei einem
Restbetrag auch für das Billigkeitsverfahren oder jedenfalls
auch in letzterem vorgesehen werden soll, lässt sich
aus dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig entnehmen und wird
daher vom Antragskomitee zu entscheiden sein.14 Die Versicherungsanträge
sollen nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nach den
ICHEIC-Richtlinien sinngemäß erledigt werden. Dies
ist insofern erstaunlich, weil sich diese ICHEIC-Richtlinien,
es handelt sich hierbei um die Eagelburger-Kommission - die
International Commission on Holocaust Era Insurance Claims
- nur auf Lebensversicherungspolizzen beziehen. Inwiefern
diese Richtlinien für die Kompensation von Schadensversicherungspolizzen,
wie z.B. Glasbruchversicherungen, Diebstahlsversicherungen
oder etwa Feuerversicherungen, wie sie bei den Schadensversicherungsfällen,
die insbesondere im Rahmen der sog. Reichskristallnacht anfielen
und vielfach nicht entschädigt wurden, angewendet werden
sollen, wird eine vom Antragskomitee zu entscheidende Frage
sein. Der Gesetzgeber verpflichtete jedenfalls den Verband
der Versicherungsunternehmen Österreichs, Listen der
möglichen Polizzeninhaber öffentlich zugänglich
zu machen15 . Es sollte von den Fondsorganen aber auch Sorge
dafür getragen werden, dass auch hier vom Gesetzgeber
nicht nur die Lebensversicherungspolizzen gemeint sind.
Im sog. Billigkeitsverfahren können Antragsteller, die
gegebenenfalls nach den Beweisstandards des Forderungsverfahren
nicht in der Lage sind, konkrete Ansprüche zu dokumentieren
oder glaubhaft zu machen, Anträge stellen. Im Billigkeitsverfahren
kommen neben den im Forderungsverfahren festgesetzten Vermögensverlustkategorien
zusätzlich noch folgende Kategorien in Betracht:
1. für berufs- oder ausbildungsbezogene Verluste, die
als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem
Gebiet der heutigen Republik Österreich während
der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, oder
2. nach einer Generalklausel alle anderen im Zusammenhang
stehenden Verluste und Schäden, soweit sie nicht im Versöhnungsfonds
für Zwangsarbeit oder im weiteren zu besprechenden Naturalrestitutions-
verfahren gedeckt sind.
Das Antragskomitee kann, wenn es meint, dass ein berücksichtigungswürdiger
Fall eines Vermögensverlustes vorliegt, und eine österreichische
Entscheidung oder Regelung unzureichend war, bzw. ein berufs-
oder ausbildungsbezogener Verlust nicht ausreichend entschädigt
wurde, oder ein Tatbestand der Generalklausel gegeben ist,
eine Billigkeitszahlung zuerkennen. Das Antragskomitee kann
pro Haushalt nur eine Billigkeitszahlung zuerkennen. Die Billigkeitszahlungen
sind somit von der Zahl der Anspruchsberechtigten unabhängig.
In diesem Verfahren sollen 105 Mio. USD wiederum
(abzüglich Verwaltungskosten und allfälliger Leistungen
aus Versicherungspolizzen) zur Ausschüttung gelangen.
Im Gegensatz zum Forderungsverfahren, bei dem ein Antrag auf
eine neuerliche Entscheidung bei ablehnender Entscheidung
des Antragskomitees vorgesehen ist, gibt es im Billigkeitsverfahren
kein Rechtsmittel.
Im zweiten Teil des Entschädigungsfondsgesetzes des Bundes
wird eine sog. Naturalrestitution "verheißen".
Hier ist vorgesehen, dass Liegenschaften und Superaedifikate,
die sich zum Stichtag 17. Jänner 2001 ausschließlich,
direkt oder indirekt (z.B. über ausgegliederte juristische
Personen) im Eigentum des Bundes befinden, nach bestimmten
Standards, die den Beweisstandards im Forderungsverfahren
im Wesentlichen nachgebildet sind, in natura zurückgegeben
werden. Auch hier wurde wiederum der Tatbestand, einer bei
einer "extrem ungerechten" früheren Rückstellungsentscheidung
eines österreichischen Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde
möglichen Restitution normiert. Man darf gespannt darauf
warten, wie der unbestimmte Gesetzesbegriff der extremen Ungerechtigkeit,
in diesem Falle von der Schiedsinstanz ausgelegt werden wird.16
Über die Anträge von Personen und Vereinigungen
berät eine Schiedsinstanz, der ein von der Regierung
der USA, ein von der österreichischen Bundesregierung
zu bestimmendes Mitglied, sowie ein von diesen Mitgliedern
zu bestimmendes Mitglied als Vorsitzender angehört17
. Die Mitglieder sollen mit den einschlägigen Bestimmungen
des österreichischen und internationalen Rechts, insbesondere
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), vertraut
sein. Welches Recht anzuwenden ist, ist hingegen im Gesetz
nicht normiert sondern offenbar von der Schiedsinstanz selbst
zu entscheiden, was aber die genannten Voraussetzungen etwas
absurd erscheinen lässt.
Des Weiteren ist eine vom Vorsitzenden der österreichischen
Historikerkommission zu benennende Verbindungsperson zur Schiedsinstanz
vorgesehen. Die Schiedsinstanz prüft Anträge auf
Naturalrestitutionen von öffentlichem Vermögen im
Einzelfall. Im Gegensatz zum Antragskomitee kann sie aber
über diese Anträge nicht letztendlich entscheiden,
sondern lediglich Empfehlungen an den zuständigen Bundesminister
auf Naturalrestitution bzw. Entschädigung aussprechen,
bzw. einen Antrag ablehnen. Die Schiedsinstanz hat über
einen Antrag innerhalb von 6 Monaten nach dessen Einlangen
beim Fonds zu befinden.
Neben dieser ersten Variante von Naturalrestitution sieht
das Gesetz noch eine Zweite für Zwecke der Naturalrestitution
an "jüdische Gemeinschaftsorganisation" vor,
wobei diese einfachgesetzliche Einschränkung auf bloß
"jüdische" Organisationen gleichheitsrechtlich
und somit verfassungsrechtlich nicht unproblematisch erscheint.
Diese zweite Variante der Naturalrestitution ist weiters auf
"bewegliche körperlichen Sachen, insbesondere kulturelle
oder religiöse Gegenstände" beschränkt.
Da die Einschränkung auf körperliche Sachen vorgenommen
wurde, sind somit Rechte und Forderungen (ausgenommen allenfalls
auf Überbringer lautende anonyme Sparbücher) ausgeschlossen.
Leistungen aus dem Entschädigungsfonds erfolgen erst
nach Abweisung aller in den U.S.A. am 30. Juni 2001
anhängigen gegenständliche Klagen gegen Österreich
oder österreichische Unternehmen, auch dieser Tag ist
von der Bundesregierung im BGBl bekannt zu geben. Leider ist
bis zum heutigen Tage dieser Termin nicht in Aussicht.
Es ist auch zu betonen, dass diese Naturalrestitution nur
für den Bundesbereich gültig ist und das Vermögen,
dass sich im Eigentum von Ländern oder Gemeinden befindet,
nicht davon umfasst ist. Allfällige Maßnahmen sind
von diesen Gebietskörperschaften in autonomer Weise wahrzunehmen.
Eine dem Bund ähnliche Vorgangsweise scheint von Oberösterreich,
Steiermark und Wien in Aussicht genommen zu werden, und darf
daher auch an dieser Stelle lobend erwähnt werden.
Schließlich wurde im Bundes-Entschädigungsfondsgesetz
noch ein Sozialpaket normiert, in dem insbesondere Änderungen
des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes vorgesehen sind.
Der Gesamtumfang der Maßnahmen beläuft sich über
die nächsten 10 Jahre auf ca. 112 Mio. USD.
Es sind auch Änderungen des Opferfürsorgegesetzes
hiervon betroffen. Der Nationalrat hat lobenswerterweise am
30. Jänner dieses Jahres beschlossen, die Sozialleistungen
auch ohne die sog. Rechtssicherheit in den U.S.A. auf Grund
des bereits sehr fortgeschrittenen Alters der Betroffenen
mit 1. März 2002 zu gewähren18 .
SCHLUSS
Dieser Abriss zeigte die wichtigsten Restitutions- und Entschädigungsgesetze
in Vergangenheit, Gegenwart und - soweit es die zuletzt genannten
Gesetze betrifft - auch in Zukunft. Schon bei der Abfassung
des Arbeitsprogramms der Historikerkommission hat die bloße
Aufzählung der wichtigsten Bundesgesetzestitel mehrerer
Seiten bedurft.19 Eine an sich imposante Masse, und auch eine
Widerlegung der oft gehörten These, die Republik Österreich
hätte keine Restitutions- und Entschädigungsakte
gesetzt. Der erste Teil zeigte aber sicherlich ebenfalls,
dass schon auf gesetzgeberischer Ebene teilweise nur ganz
bestimmte, detaillierte Einzelmaterien betroffen und Lücken
bis in die unmittelbare Gegenwart zu füllen waren. Zusätzliche
Probleme tauchten oft noch in der Praxis auf, insbesondere
weil die Antragsfristen immer kurz und die Behördenzuständigkeiten
unterschiedlich geregelt waren. Insofern ist auch der ebenfalls
verbreiteten These entgegenzutreten, dass die Geschädigten
doch schon so oft und viel erhalten hätten.
Es soll positiv festgehalten werden, dass es die ersten Zwischenberichte
der Historikerkommission zu Zwangsarbeit und "Wohnungsarisierungen"
waren, die zur Aufnahme von intensiven Verhandlungen und schließlich
zu den dargelegten gesetzgeberischen Maßnahmen geführt
haben. Die teilweise kritischen Anmerkungen zu den neueren
Gesetzen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass
all diese Maßnahmen zu begrüßen sind, sind
sie doch nach Jahrzehnten des Unterlassens rasch und zügig
ausgefallen und sollen nach ihrer Intention eine "umfassende
Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern
des Nationalsozialismus für Verluste und Schäden"
bringen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Vereinbarungen
und legistische Aktivitäten materienbedingt und notwendigerweise
pauschalieren und zuweilen den Charakter von Vergleichen und
Kompromissen haben, wenn dies auch nicht zu allseitiger Zufriedenheit
geschehen mag. Die sofortigen gesetzgebenden Maßnahmen
sind wohl im Vergleich zu einem weiteren Hinausziehen der
Verhandlungen vor allem angesichts des fortgeschrittenen Alters
der Opfer zu begrüßen. Andererseits ist es meines
Erachtens von den verbliebenen Klägern und insbesondere
deren Rechtsvertretern unverantwortlich, dass tausende potentielle
Leistungsempfänger warten müssen, weil einige wenige
auf "Biegen und Brechen" ein "mehr als die
anderen" zwingend erreichen wollen. Bei allem Verständnis
für jeden tragischen Einzelfall ist meines Erachtens
die Vorgangsweise des weiteren Verzögerns der noch anhängigen
Gerichtsverfahren entschieden abzulehnen.
Die Historikerkommission wird wohl jedenfalls in ihren Berichten
in diesem Jahr versuchen, die unbestreitbaren historischen
Ereignisse in ihrer Tiefe darzustellen. Ein Schluss-Strich
wird und kann jedoch damit nicht gezogen werden - Geschichte
lässt sich nämlich - im Gegensatz zu Gerichtsverfahren
- nicht beenden. Obzwar die Einsetzung der Historikerkommission
"historisch" mit der Frage der Entschädigungspolitik
verbunden war und in gewissem Rahmen auch ist, kann dieser
Zusammenhang nun wohl zumindest tendenziell als aufgelöst
betrachtet werden. Nach Verabschiedung des Allgemeinen Entschädigungsfondsgesetzes
wird der Schlussbericht der Historikerkommission meines Erachtens
keine grundlegenden neuen entschädigungspolitischen Aktivitäten
mehr auslösen. Es darf hier aber zumindest die Rede des
Herrn Bundeskanzler anlässlich der Beschlussfassung des
Entschädigungsfondsgesetzes im Hohen Haus erwähnt
werden, in welcher der Regierungschef unter Beifall festhielt,
dass weitere Entschädigungsmaßnahmen in der In-Rem-Restitutionsfrage
zur Diskussion anstehen werden, wenn "die Historikerkommission
einmal Fakten auf den Tisch legt".20 In diesem Sinne
wurde die Historikerkommission auch zusätzlich mit einem
sog In RemProjekt beauftragt. Ziel dieses In RemProjektes
ist die Erfassung aller im unmittelbaren oder mittelbaren
Eigentum des Bundes stehenden Liegenschaften sowie die Dokumentation
jener Liegenschaften, die zwischen 12. März 1938
und 9. Mai 1945 entzogen wurden. Die zu erarbeitende
Datenbank soll sowohl dem Bund, vor allem dem Entschädigungsfonds
- insbesondere der zur Entscheidung über In Rem-Restitutionsfälle
eingerichteten Schiedsinstanz - als auch potentiellen Antragstellern
und Antragstellerinnen zur Verfügung stehen.
Wir befinden uns in einer Situation, in der eine umfassende
Diskussion zur Thematik in Staat und Gesellschaft stattfindet.
Sollte daraus für uns und vor allem die nächsten
Generationen etwas zu gewinnen sein, so müssen vor allem
auch die juristischen Fakten und Erkenntnisse möglichst
vielen Menschen begreifbar dargelegt und verständlich
erklärt werden.
1 Dieses ist auf der Homepage der Historikerkommission
abrufbar: http://www.historikerkommission.at/ .
2 Staatsgesetzblatt.
3 Bundesgesetz.
4 Bundesgesetzblatt.
5 Gesetze.
6 Verordnungen.
7 Siehe oben.
8 Hier ist insbesondere auf § 1 Abs. (2) 3. RStG zu verweisen,
wonach die subsidiäre Geltung seiner Bestimmungen für
all jene Rechtsfragen angeordnet war, zu denen das 1. und
2. RStG keine abweichenden Bestimmungen getroffen haben.
9 Siehe unten.
10 Nunmehr Firmenbuch.
11 Das ist eine außerordentliche Privilegierung, weil
somit die für alle anderen Personen, insbesondere Dienstnehmer,
geltenden Haftungsbestimmungen des ABGB bzw. des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes
nicht anzuwenden sind. Im hoheitlichen Vollzugsbereich gelten
ja das Amtshaftungsgesetz und das Organhaftungsgesetz, diese
kommen bei der (privatrechtlichen) Tätigkeit der Fonds
und deren Organen aber nicht zur Anwendung.
12 Es sind dies Sir Franklin Berman (als Vorsitzender), Dr.
Robert Rosenstock (von den USA nominiert) und Vizepräsident
des OGH i.R. Dr. Kurt Hofmann (von Österreich nominiert).
13 Sic! Aus juristischer Sicht ein besonders schönes
Beispiel eines unbestimmten Gesetzesbegriffes, der somit für
den Interpreten einen weiten Spielraum zulässt. Man darf
darauf gespannt sein, ob und in welcher Weise das Antragskomitee
diesen Spielraum nützen wird.
14 Das Gesetz ist insofern undeutlich, weil es in § 14
Z 5 "Versicherungspolizzen" als Vermögenskategorie
festsetzt. In § 18 normiert das Entschädigungsfondsgesetz,
dass "das Antragskomitee im Rahmen des Forderungsverfahrens
über alle [sic!] Forderungen aus Versicherungspolizzen
(§14 Z 5) ..."entscheidet. Hingegen wurde in §
19 normiert, dass Anträge nach dem Billigkeitsverfahren
"in jeder [sic!] der in § 14 genannten Vermögenskategorien",
d.h. also wohl auch bei Versicherungspolizzen, gestellt werden
können.
15 Dies ist auch wie auf der Homepage des Entschädigungsfonds
ersichtlich zu den Versicherungspolizzen geschehen
(http://www.nationalfonds.parlament.gv.at).
16 Siehe die Vorschläge zur Konkretisierung des Begriffes
von Graf, "Arisierung" und Restitution, JBl 2001,
746 ff.
17 Es sind dies o. Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher (als Vorsitzender),
Botschafter i.R. Dr. Erich Kussbach (von Österreich nominiert)
und ao.Univ.-Prof. MMag.Dr. August Reinisch, LL.M. (von den
USA nominiert).
18 986 Blg. NR XXI.GP, der Bundesrat wird sich voraussichtlich
am 21. Februar damit befassen.
19 S. auch Österreichische außenpolitische Dokumentation
(Sonderdruck) Österreichische Maßnahmen zur Restitution
und Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus
(Wien 2001), 73 ff.
20 NR XXI. GP, Stenographische Protokolle, 55. Sitzung, 179.
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