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Eine Hommage an Erich Fried

Robert Streibel

Die Volkshochschule Hietzing bringt in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv eine Ausstellung über die Wannsee-Konferenz nach Wien. Bei der Eröffnung referierte der zurzeit in London lehrende Historiker Prof. Dr. Peter Longerich. Am Montag, 18. Februar eröffneten Dr. Norbert Kampe, der Leiter der Gedenkstätte "Haus der Wannsee-Konferenz" in Berlin und Univ. Doz. Dr. Wolfgang Neugebauer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes die Ausstellung über die Wannsee-Konferenz in der Volkshochschule Hietzing.

Historiker Prof. Dr. Peter Longerich

Leiter der Gedenkstätte Dr. Norbert Kampe

Den Eröffnungsvortrag hielt der in London lehrende Historiker Prof. Dr. Peter Longerich, der sich durch die Publikation "Der ungeschriebene Befehl” und als Gutachter im internationalen Prozess gegen den Leugner des Holocaust, David Irving, einen Namen gemacht hat. Die These Longerichs basiert auf einer Neubewertung von Hitlers Rolle in diesem längeren Entscheidungsprozess mit mehreren Eskalationsstufen. Das Interesse für diese Ausstellung war überaus groß und mehr als 80 Personen waren in die Volkshochschule Hietzing gekommen, auch wenn es im Vorfeld auch Anrufe gab, die die Notwendigkeit derartiger Ausstellungen in Frage stellten. Dass Zeitgeschichte nicht immer nur ein Minderheitenprogramm sein muss, zeigten auch die nachfolgenden Vorträge, zu denen im Durchschnitt 30 Personen kamen. Groß ist auch das Interesse von Schulen und so ist die Wanderausstellung, die für Wien und Niederösterreich eingerichtet wurde, bereits bis September verplant. Die nächsten Stationen der Ausstellung sind die Volkshochschule Favoriten, eine Präsentation der Sozialistischen Freiheitskämpfer im Karl Czernetz-Bildungsheim, die HTL in der Ettenreichgasse und das BORG 1.
Dr. Peter Longerich betont in seinem Vortrag, dass auf der Wannseekonferenz nicht, wie man häufig lesen kann, die "Endlösung" beschlossen wurde. "Auf der Wannseekonferenz wurden überhaupt keine Beschlüsse gefasst und die Ermordung der Juden befand sich Anfang 1942 in den besetzten sowjetischen, polnischen und serbischen Gebieten bereits im Gang; Hunderttausende waren bereits ermordet. Anlass für die Konferenz, an der unter dem Vorsitz des Leiters des Reichssicherheitshauptamtes, Heydrich, eine Reihe von Staatssekretären sowie Funktionäre der Partei und der SS teilnahmen, war vermutlich die Absicht, den Kreis der aus dem Reich zu deportierenden Juden exakt zu bestimmen, also die Problematik der sogenannten "Mischlinge" und der in "Mischehen" lebenden Personen zu klären. Bevor man diese Punkte erörterte, gab Heydrich eine ausführliche Einführung in den Stand und die Planung der sogenannten Judenpolitik. Offensichtlich verfolgte er mit diesem Vortrag zwei Ziele: 1. Gegenüber den Vertretern der Ministerialbürokratie den Führungsanspruch des RSHA in der "Judenpolitik" herauszustellen und 2. Die Vertreter der Ministerien durch einen allgemein gehaltenen, jedoch unzweideutigen Überblick über den Stand der "Judenpolitik" zu Mitwissern des bereits in Gang gekommenen gigantischen Verbrechens zu machen.
In dem Vortrag klärte Dr. Longerich, die Bedeutung der Wannseekonferenz im Entscheidungsprozess, der zur "Endlösung" führte.
Im Gegensatz zu den meisten Historikern, die sich mit diesem Problem befassen, gehe ich nicht von einer einzelnen "großen" Entscheidung Hitlers irgendwann im Jahre 1941 aus, sondern entwickle das Modell eines längerfristigen, evolutionären Entscheidungsprozesses. Im einzelnen unterscheide ich dabei vier Eskalationsstufen: Herbst 1939, Sommer 1941, Herbst 1941, Frühjahr 1942, wobei ich davon ausgehe, dass die seit Kriegsbeginn
erörterten Pläne für eine "territoriale Lösung" bereits genozidal waren. Aus diesen allgemeinen Plänen, das physische Ende der europäischen Juden im Sinne eines "Aussterbenlassens" herbeizuführen, wurde nun schrittweise ein regelrechtes Programm zur systematischen Ermordung der europäischen Juden entwickelt. Die Wannseekonferenz, ein - angesichts der fragmentarischen Überlieferung zu diesem Thema - Dokument von außerordentlicher Bedeutung, gibt uns einen wichtigen Einblick in diesen Entscheidungsprozess.

Dr. Robert Streibel

 


Vortragsreihe zur "Wannsee-Konferenz"

Im Rahmen der Ausstellung findet auch eine Vortragsreihe statt.
Prof. Jonny Moser referiert am 26.2. um 18.30 über Deportationen aus Österreich. Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer spricht über das "Altersghetto" Theresienstadt am 5. März. Die junge Historikerin Dr. Gabriele Anderl ist am 12. März dem Täter Eichmann auf der Spur. Sein Prozess in Jerusalem und seine Verurteilung markieren einen wichtigen Punkt in der Diskussion über Täter. Eichmann ist einer der prominentesten "Spediteure des Todes” viele blieben jedoch unbekannt.

Ausstellung kann angefordert werden
Die Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz wurde zum 50. Jahrestag der Dienstbesprechung über die "Endlösung der Judenfrage" eröffnet. Sie besteht nun seit zehn Jahren. Sie hat 15 feste und 30 freie Mitarbeiter. Die Bundesregierung und das Land Berlin tragen je zur Hälfte die Kosten. Mehr als 500.000 Besucher haben seit 1992 den historischen Konferenzraum und die Ausstellungen besichtigt. Jedes Jahr finden mehr als 800 Führungen, mehr als 450 ganztägige Seminare und Kleingruppenarbeiten in unserer Gedenkstätte statt. Die Besucher kommen hauptsächlich aus Europa, Israel und den USA. Etwa 60 Prozent sind Jugendliche.

Dr. Wolfgang Neugebauer erinnerte in seinem Beitrag an einen der Mentoren der Ausstellung, an das Vorstandsmitglied der österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen, Wilhelm Gugik, der selbst das Konzentrationslager Buchenwald überlebte und wenige Wochen vor der Ausstellungseröffung im Alter von 80 Jahren starb. Die Ausstellung umfaßt 35 Tafeln (Breite 90cm, Höhe 125cm, aufgezogen auf 3mm Forex) zu den Kapiteln und ist in sechs Kapitel eingeteilt: I. Rassistischer Antisemitismus seit dem 19. Jahrhundert; II. Rassismus und Antisemitismus werden zur staatlichen Politik; III. Gewalt, Demütigung und Zwangsauswanderung; IV. Rassismus im Krieg: Radikalisierung zum Massenmord; V. Vom Massenmord zum systematischen Völkermord: Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942; VI. Raub, Zwangsarbeit und Vernichtungslager. Im Mitelpunkt der Ausstellung steht die Wannsee-Konferenz. Das Schaubild mit den Fotos der 15 Konferenzteilnehmer zeigt deren Rangordnung und die jeweils vertretenen Ämter und Ministerien. Es handelte sich um eine Dienstbesprechung auf der zweiten Führungsebene. In den zeitgenössischen Dokumenten findet sich deshalb die Bezeichnung "Staatssekretärs-Konferenz am Großen Wannsee". Staatssekretäre setzen Entscheidungen praktisch um, die vorher auf oberster politischer Ebene getroffen wurden. Staatssekretäre klären Fragen der Zuständigkeit und sorgen dafür, dass die großen Verwaltungsapparate in der geforderten Weise funktionieren.
Adolf Hitler, Heinrich Himmler und die Minister der Regierung waren bei dieser Dienstbesprechung nicht anwesend. Die immer noch gebräuchliche Formulierung vom "Beschluss zur Ermordung aller Juden bei der Wannsee-Konferenz" ist deshalb falsch. Staatssekretäre konnten keinen Beschluss von einer derartigen Bedeutung fassen! Die Entscheidung zum systematischen Völkermord muss vorher auf höchster Ebene gefallen sein. Das erhaltene Konferenz-Protokoll belegt einen derartigen (vermutlich nur mündlich erteilten) "Führerbefehl" und über die SS hinaus die Einbeziehung des gesamten deutschen Staatsapparats in dessen Umsetzung.
Für die spätere Besprechung von einzelnen Sachfragen waren dann die Fachreferenten zuständig – die "Judenreferenten" der Ämter und Ministerien. Bei der Besprechung am 20. Januar 1942 war nur der "Judenreferent" des "Reichssicherheitshauptamtes" Adolf Eichmann anwesend. Eichmann verfasste das Ergebnisprotokoll und leitete später die Sitzungen der "Judenreferenten".
Eingeladen zur Dienstbesprechung hatte Reinhard Heydrich, dessen Amt mit der Durchführung der europaweiten Deportationen beauftragt war. Heydrichs wichtigstes Ziel für die Konferenz war die Durchsetzung seines Anspruchs auf alleinige Federführung bei der "Endlösung der Judenfrage" und die Erlangung der Zusage zur Amtshilfe seitens der Ministerien.
In den ausliegenden Lesemappen finden sich: die Lebensläufe der 15 Teilnehmer der Wannsee-Konferenz, ein Faksimile des Wannsee-Protokolls undweitere Dokumente, ein Vortrag von Peter Longerich: Die Wannsee-Konferenz. Die Informationen in den Lesemappen und noch viel mehr Material finden Sie im Internet auf der Seite des Hauses der Wannsee-Konferenz unter http://www.ghwk.de
Weitere Informationen über die Teilnehmer der Konferenz sowie ein Faksimile des Protokolls kann in Lesemappen während der Ausstellung studiert werden.
Möglich geworden ist die Ausstellung durch die Unterstützung der MA 13, der MA 7 und der
Österreichischen Nationalbank. Auf Wunsch kann auch ein Videomitschnitt des Vortrags von Dr. Peter Longerich in der Volkshochschule Hietzing zur Verfügung gestellt werden.

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