In den Jahren 1871 und 1872 ließ
die jüdische Vorstadtgemeinde in Fünfhaus, in der
Turnergasse 22 eine freistehende Synagoge erbauen. Das Gebäude
war nach Plänen von Professor Carl König im Stil der
italienischen Renaissance errichtet und imponierte an seiner
Westfront durch einen weithin sichtbaren "Glockenturm".1
Die Synagoge fasste 496 Sitze für Männer und 333 Sitzplätze
für Frauen.
Als Gemeinderabbiner wirkten bedeutende Persönlichkeiten
wie Dr. Anton Schmiedl, Dr. Max Grünwald und Dr. Israel
Taglicht.
"Im Jahre 1923 erfolgte eine vollständige Instandsetzung
des Tempelinneren und äußeren, eine Erneuerung
der Malerei und der elektrischen Lichtanlage mit einer zur
Gänze aus den Spenden von Gemeindemitgliedern aufgebrachten
Aufwände von K 170.000.000. Anstelle des unzulänglich
gewordenen kleinen Betsaal da selbst wurde, einem dringendem
Bedürfnis entsprechend, ein Betsaal (für etwa 128
Sitzplätze) stilgemäß durchgeführt (angebaut),
wobei K 325.000.000 erforderlich waren, die zur Hälfte
aus den Mitteln der Kultusgemeinde, zur Hälfte aus diesfälligen
Spenden aufgebracht worden sind."5
15 Jahre später, in der sogenannten Reichskristallnacht
wurde die gesamte Bauanlage zerstört.
Am 1.12.1939 erging an die IKG Wien ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft
für den 15. Bezirk, "auf dieser Liegenschaft die
bestehenden Baulichkeiten und zwar den Tempel und den Betsaal
samt Vorhalle unter Einhaltung der nachfolgenen Bedingungen
abtragen zu dürfen(sic!)..."4
Zum Bauführer beauftragt wurde der Stadtbaumeister Gustav
Dolejzi in Wien 19., Krottenbachstr. 58a. Am 18.12.1941 war
lt. Baudienstleitung die Demolierung durchgeführt.
Lt. Grundbuch ging das Eigentumsrecht der gesamten Liegenschaft
mit Kaufvertrag vom 3.6. bzw. 28.5.1940 an den Transportunternehmer
Leopold Hölzl, Gebrüder Langg. 15, über; der
Kaufpreis betrug 38.500 RM. Nach dem Krieg verblieb das Grundstück
in Familienbesitz und kam erst 1973 an die Gemeinde Wien.6
1988 wurde auf Initiative von Bürgermeister Helmuth
Zilk an dem an dieser Stelle in den Jahren 1976 - 79 errichteten
Wohnhaus eine Gedenktafel angebracht.
Quellen- und Bildnachweis:
1 Genée P., Wiener Synagoge 1825-1938, Wien, 1987,
Löcker-Verlag
2 Martens Bob, Computergestützte Architekturmodelle Wiener
Synagogen, Institut für Raumgestaltung der TU Wien (siehe
Seite 2).
3 Bildstelle der Österr. Nationalbibliothek, Fotographie
nach einem Aquarell von Emil Ranzenhofer (s.S. 1).
4 Akte der Baupolizei Wien, aufbewahrt im Gemeindeamt Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus,
zitiert aus Ch. Lewerenz-Weghuber, Reichskristallnacht 9.-10.
Nov. 1938, 1988, Wien, Verlegt durch Israelit.-reformierten
Kultusverein in Österreich (Mag. Dr. A. Posselt).
5 Bericht der IKG Wien über die Tätigkeit in der
Periode 1912-1924, 1924, Wien, Eigenverlag.
6 GRAFINGER H., Gedenktafel unter Ausschluß der Öffentlichkeit,
2001, Wien (erschienen in der Zeitschrift "Zwischenwelt")
Auswechslungsplan zur Erbauung eines ebenerdigen
Betsaales
anschließend an dem Tempel XV. Turnergasse 22
der israel. Kultusgemeinde Wien I, Seitenstettengasse 4 gehörig.
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