Mit ihren Forschungen versuchen die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der
Juden in Österreich, ein realitätsnahes Bild
jüdischer Geschichte und Kultur vom Mittelalter
bis zur Gegenwart zu erarbeiten und in Publikationen
zu präsentieren. Da wissenschaftliche Publikationen
oft nur einen begrenzten Leserkreis ansprechen, wurde
1999 erstmals eine Zeitschrift entwickelt, die bei einem
breiteren Publikum Lust auf und Interesse an jüdischer
Geschichte erwecken soll. Ziel der Zeitschrift "Juden
in Österreich Gestern. Heute" war,
verschiedene Aspekte der Geschichte der Juden in Österreich
in Artikeln zu präsentieren, die gleichzeitig wissenschaftlich
fundiert und gut lesbar sind. Das reichhaltige Bildmaterial
soll die behandelten Themen im wahrsten Sinn des Wortes
veranschaulichen.
Ein weiteres Ziel der Zeitschrift ist es, eine Brücke
zu jenen Österreichern zu schlagen, die von den
Nationalsozialisten vertrieben und von der Zweiten Republik
nie zurückgerufen wurden. Vor allem deren Nachkommen
können heute nicht mehr Deutsch, doch das Interesse
an der früheren Heimat der Eltern und Großeltern
besteht weiter, weshalb die Ausgaben 2000 und 2001 bereits
zweisprachig, deutsch/englisch erschienen.
Lila Bauer, Tänzerin,
1937, Foto von Maran Reisman
Auch die räumliche Beschränkung der Artikel
auf das Gebiet des heutigen Österreich erschien
uns bald nicht mehr haltbar. Um die Entwicklung des
österreichischen Judentums darzustellen, muss der
gesamte mitteleuropäische Raum miteinbezogen werden,
denn Jahrhunderte lang bestanden und bestehen über
die heutigen Grenzen hinweg engste wirtschaftliche,
kulturelle und natürlich familiäre Beziehungen.
Daher erscheint die Ausgabe 2002 erstmals unter einem
neuen Titel, der den erweiterten Inhalt und Umfang reflektiert:
"Juden in Mitteleuropa Gestern. Heute /
Jewish Central Europe Past. Presence". Neben
österreichischen Autorinnen und Autoren konnten
auch MitarbeiterInnen aus Ungarn, der Slowakei, der
Tschechischen Republik und den USA gewonnen werden.
Installationen des Jüdischen
Museums Hohenems
Der thematische Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe
ist jüdische Kunst. Als "jüdische Kunst"
werden dabei sowohl Werke, die jüdische Themen
zum Gegenstand haben, als auch solche, die von jüdischen
Künstlern geschaffen wurden, berücksichtigt.
Problematisiert werden so unterschiedliche Fragen wie
die des angeblichen Bilderverbots im Judentum, das Kurt
Schubert anhand mittelalterlicher Buchkunst widerlegt,
oder jene der Zuordnung weitgehend assimilierter ungarischer
Fotografinnen zur "jüdischen" Kunst.
Gemeinsam ist den Beiträgen über Künstler
und Künstlerinnen der Sparten Malerei und Bildhauerei,
Grafik und Fotografie, dass darin auch Aspekte jüdischer
Geschichte und Identität reflektiert werden.
Die ehemalige Judenstadt
in Bratislava
"Stumme Zeugen beredtes Zeugnis" betitelt
Felicitas Heimann-Jelinek ihren Beitrag über synagogale
Textilen des Jüdischen Museums Wien. Hinter den
vorgestellten Textilien stehen, wie sie eindrucksvoll
zeigt, nicht nur die Geschichten der Spenderinnen und
der Synagogen, für die sie gedacht waren. Allein
die Tatsache, dass sie nun zu musealen Objekten geworden
sind, legt Zeugnis vom tragischen Verlauf der jüdischen
Geschichte des 20. Jahrhunderts ab. Die Beiträge
über die jüdischen Museen in Eisenstadt, Hohenems,
Prag und Bratislava zeigen sehr unterschiedliche Lösungen
des Problems, wie in Regionen mit stark dezimierten,
bisweilen ganz untergegangenen Gemeinden, jüdisches
Leben dargestellt werden kann.
Ein weiterer Schwerpunkt des vorliegenden Heftes ist
den Themen Raubkunst und Restitution gewidmet. Jonathan
Petropoulos weist in seinem Artikel über Kajetan
Mühlmann die wesentliche Beteiligung von Österreichern
am nationalsozialistischen Kunstraub in Europa, aber
auch die sehr schonungsvolle Behandlung der Kunsträuber
durch die internationale Nachkriegsjustiz nach. Ähnlich
zögerlich verlief die Restitution geraubter Kunst,
die hier anhand der Vorgangsweise in Österreich
dargestellt wird. Neben kritischen Betrachtungen der
Versäumnisse schildern die Beiträge auch die
Bemühungen der letzten Jahre, Opfern zu ihren Rechten
zu verhelfen, soweit dies zu einem so späten Zeitpunkt
noch möglich ist.
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