Vor kurzem war im Polnischen Kulturzentrum, München,
als Veranstaltung der Gesellschaft zur Förderung
Jüdischer Kultur und Tradition e.V. und unter der
Ägide des Generalkonsulats der Republik Polen,
eine Ausstellung zu sehen, die unter dem bescheidenen
Titel "Begegnungen" an einen Künstler
erinnerte, der vor rund hundert Jahren im fernen Ostgalizien
geboren wurde und dort auch sein Leben beendet hat:
Bruno Schulz.
Nach der Begrüßung eines zahlreich erschienenen
Publikums durch Konsulin Jolanta Kozlowska hielt Ilse
Ruth Snopkowski, Vorsitzende der Gesellschaft, eine
Einführung über Leben und Werk des polnisch-jüdischen
Schriftstellers, Zeichners und Malers Bruno Schulz aus
Drohobytsch, wonach Teresa Andlauer (Universität
Freiburg) zum Thema "Der Wandel der jüdischen
Minderheit in Galizien in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts" sprach.
"Die Anfänge meiner Zeichnungen verlieren
sich im mythischen Nebel," schrieb Schulz 1934
an den Schriftsteller Stanislaw Ignacy Witkiewicz, "ich
konnte noch nicht richtig sprechen, als ich schon alle
Papiere und Zeitungsränder mit Kritzeleien bedeckte,
welche die Aufmerksamkeit der Umgebung erregten..."
Auf 23 großen Schautafeln wurden zum erstenmal
49 Zeichnungen, 40 Fotos und ein vielseitig informierendes
Textmaterial geboten, die den Betrachter in eine imaginäre
"verlorene, vernichtete, verschwundene jüdische
Welt Ostgaliziens" und so in Bruno Schulz
künstlerisches Schaffen einführten.
Am 12. Juli 1892 als jüngster Sohn des Buchhalters
und Seidenhändlers Jakub Schulz und der Henriette
geb. Kuhmarker in Drohobytsch (Drohobycz) geboren, in
einer Stadt im Osten des großen Habsburgerreichs,
in der damals über 16.000 Juden lebten, besuchte
er, 1902-1910, das Franz-Joseph-Realgymnasium, wo ihn
sein Lehrer Adolf Arendt in Zeichnen unterrichtete und
auch seine literarische Begabung förderte. Danach
begann er ein Architekturstudium in Lemberg, das er
jedoch nicht beendete. Ab Herbst 1924 trat Bruno Schulz
eine Stelle als Zeichenlehrer am inzwischen umbenannten
Staatlichen Wladyslaw-Jagiello-Gymnasium (dem ehemaligen
Franz-Joseph-Gymnasium) an und lebte meist zurückgezogen,
in ärmlichen Verhältnissen.
In der Hoffnung, im Ausland Fuß zu fassen und
Bekanntschaften zu schließen, reiste er Ende Juli
1938 mit über 100 Zeichnungen nach Paris. Um nicht
durch das "Dritte Reich" fahren zu müssen,
wählte er einen kostspieligen Umweg über Italien.
Doch der Aufenthalt in der französischen Kunstmetropole
wurde zur Enttäuschung: wegen der ungünstigen
Sommerzeit konnte er seine Arbeiten niemandem zeigen
und kehrte bald wieder nach Drohobytsch zurück.
Während seines Aufenthalts in Paris hatte ihn Georg
Rosenberg, der Bruder der Pianistin Maria Chasin, begleitet.
Dieser vermerkte später: "Er blieb mir in
Erinnerung als ein ungewöhnlich reicher Intellekt
und Magier des Wortes..."
Sein schriftstellerisches Debüt, der Roman "Die
Zimtläden", 1934, sowie "Das Sanatorium
zur Todesanzeige", 1937, hatten ihm jedoch großen
Erfolg gebracht und waren mit dem "Goldenen Lorbeerblatt"
der Polnischen Akademie für Literatur ausgezeichnet
worden. Diese und die nachfolgenden Veröffentlichungen
"vermitteln," so Agnieszka Rudnicka, "die
habsburgisch-galizisch-jüdische Atmosphäre
seiner Vaterstadt, die als Chiffre der verschwundenen
alten Welt betrachtet werden kann". Eine gewisse
Nähe zu Franz Kafka, Thomas Mann, Witold Gombrowicz
sowie Einflüsse Freudscher Theorien sind in seiner
Prosa zu erkennen, während im malerischen und grafischem
Werk eine schöpferisch-geistige Beziehung zu Alfred
Kubin und Max Beckmann durchscheint. Sein Roman "Messias",
der unvollendet blieb, ging, wie viele andere unveröffentlichte
Texte, während des Krieges verloren.
Von den einst zahlreichen Zeichnungen die wenigen,
heute noch vorhandenen befinden sich im Besitz des Warschauer
Literaturmuseums "Adam Mickiewicz"
wurden in der Ausstellung 48 Alltagsskizzen, Porträts
und kleine Studien, in Bleistift, Kreide oder Tusche,
gezeigt; sie weisen Schulz als einen virtuosen und sensiblen
Künstler aus. Die meisten Arbeiten, spontane Momentaufnahmen,
"Der Kopf der Mutter", "Mädchen
mit Tasche", "Selbstbildnis" und "Straßenszene,
zwei Frauen, mit Selbstbildnis", "Pensionist
mit Jungen" u.a. entstanden, wie auch das Ölgemälde
"Begegnung. Junger Jude und zwei Frauen",
in den Jahren zwischen 1930 und 1937.
Im Sommer 1941 marschierte dann die deutsche Wehrmacht
zum zweitenmal in Drohobytsch ein, und schon im Herbst
begann die Errichtung des Ghettos. Die ersten Monate
überlebte Schulz dank seiner zeichnerischen Begabung,
und außerdem durfte er die berühmte, von
den Besatzern "konfiszierte" Jesuitenbibliothek
von Chyrow inventarisieren. Auf Befehl des Gestapooffiziers
Felix Landau mußte dann Schulz die Räume
des neuen Gestapo-Kasinos, das man gerade in der ehemaligen
k.u.k. Reitschule eingerichtet hatte, mit großen
Wandgemälden ausschmücken; ebenso sollte er
das Schlafzimmer von Landaus Sohn in einer Villa, die
man vorher "arisiert" hatte, mit Bildern aus
deutschen Märchen zieren. Diese Arbeiten schützten
den preisgekrönten Künstler und Schriftsteller
vor dem Abtransport in eines der Vernichtungslager.
Es war am 19. November 1942, als Bruno Schulz mittags
zum sogenannten Judenrat ging, um seine Tagesration
Brot abzuholen, es war der "Blutige Donnerstag
von Drohobytsch", als die deutschen Besatzer plötzlich
Jagd auf die Ghettobewohner machten und wahllos Menschen
erschossen. Bruno Schulz, mit seinem Brotsack unter
dem Arm, versuchte, sich zu retten, doch SS-Scharführer
Karl Günther schoß ihm, gezielt, aus nächster
Nähe und auf offener Straße, in den Hinterkopf.
Bruno Schulz blieb tot am Bürgersteig liegen, und
der Scharführer ging weiter, so, als wäre
nichts geschehen. In der Nacht vom 20. November fand
Izydor Friedmann den Leichnahm seines Freundes und beerdigte
ihn im Morgengrauen auf dem Jüdischen Friedhof.
Hier muß noch gesagt werden, was heute bereits
vergessen ist: Zwischen SS-Scharführer Günther
und Schulz "Protektor", dem Gestapooffizier
Landau gab es seit längerem "Spannungen",
denn Landau hatte den von Günther "protegierten"
Zahnarzt Dr. Löwe erschossen; daher rächte
sich nun Günther und erschoß Bruno Schulz.
Jerzy Ficowski zitierte später in seinen Aufzeichnungen
die Aussagen einiger Drohobytscher Bürger. Günther
soll nachher triumphierend zu Landau gesagt haben: "Du
hast meinen Juden getötet und ich deinen!"
Die Texte von Bruno Schulz durften im Nachkriegspolen,
wegen des neuen Antisemitismus, erst ab 1956 erscheinen
1946 wurden in Krakau und Kielze 353 Juden, Überlebende
des Holocaust und Emigranten, in pogromartigen, von
den kommunistischen Machthabern tolerierten Ausschreitungen
umgebracht ; seine Bücher wurden später
in mehrere Sprachen, so ins Französische, Serbische,
Englische, Dänische, Norwegische und Japanische
übersetzt und auch ins Deutsche: "Die
Zimtläden und alle anderen Erzählungen"
(1966), "Die Republik der Träume. Fragmente,
Aufsätze, Briefe" (1967) und "Die Mannequins
und andere Erzählungen" (1987).
Am 20. März 1938, als sich im benachbarten Deutschland
die kommende Katastrophe schon deutlich abzeichnete,
schrieb Bruno Schulz an seine erkrankte Freundin Romana
von Kenig-Halpern, die später in einem Krakauer
Gefängnis starb: "Der Frühling ist so
schön man müßte leben und die
Welt schlucken... Werde rasch gesund und lebe, denn
das ist das größte Unglück das
Leben nicht auszuleben."
Bruno Schulz -
Bleistiftzeichnung
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Bruno Schulz
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Aus "Das
Buch vom Götzendienst": Undula
geht in die Nacht (Tusche)
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Bruno Schulz -
Federzeichnung (Tusche)
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Bruno Schulz -
Bleistiftzeichnung
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