Von Bis nach Seit:
Eine Hommage an Erich Fried
Monika GÖßL
Erich Fried wurde 1921 als Kind jüdischer Eltern in
Wien geboren. Der Vater war Spediteur, seine Mutter Grafikerin.
Er schrieb bereits als Gymnasiast, weiters war er Mitglied
einer Kinderschauspielgruppe.
Der deutsche Einmarsch 1938 beendete seine Schulausbildung.
Der Vater wurde von der Gestapo ermordet. Fried floh nach
London und ließ in den folgenden Monaten auch seine
Mutter und mehr als siebzig andere gefährdete Personen
ins englische Exil folgen. In den Kriegsjahren arbeitete Fried
u.a. als Bibliothekar.
1944 erschien sein erster Gedichtband »Deutschland«
im Exilverlag des österreichischen PEN. Nach dem Krieg
arbeitete Fried für zahlreiche Zeitschriften und in den
frühen Fünfziger-Jahren als Kommentator der BBC,
jedoch kündigte er 1968 wegen der Einstellung der BBC
zum Kalten Krieg.
Schon vorher hatte er sich mit der Übersetzung von Dylan
Thomas, dem ersten größeren Gedichtband (»Gedichte«)
und seinem einzigen Roman (»Ein Soldat und ein Mädchen«)
einen Namen gemacht, ab 1963 entstanden auch die ersten Shakespeare-Übersetzungen.
1966 erschien sein Gedichtband »und Vietnam und«,
der eine öffentliche Diskussion über das politische
Gedicht auslöste. In den folgenden Jahren war Fried viel
unterwegs, auf Vortragsreisen, Diskussions- und Solidaritätsveranstaltungen,
bezog zu brisanten politischen Fragen Stellung (Prager Frühling,
Israel-Palästina-Konflikt, Polizeiübergriffe, Haftbedingungen
politischer Gefangener) und hatte daraufhin unter Verleumdungen,
Zensur und Anklagen zu leiden.
1977 erhielt Fried den »Prix International des Editeurs«
für »100 Gedichte ohne Vaterland«. Es folgten
der Bremer Literaturpreis, der Österreichische Staatspreis
und der angesehene Georg-Büchner-Preis.
Erich Fried starb 1988 während einer Lesereise und wurde
in London begraben.
Es ist Unsinn sagt die Vernunft
Es ist was es ist sagt die Liebe
Es ist Unglück sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst
Es ist aussichtslos sagt die Einsicht
Es ist was es ist sagt die Liebe
Es ist lächerlich sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich sagt die Erfahrung
Es ist was es ist sagt die Liebe
Eine Koproduktion des Festspielhauses
St. Pölten mit dem "Alten Kino" Marktgasse,
Wien.
von links:
Anita Ammesfeld u. Michaela
Scheday |
Es heißt ein Dichter ist
einer der Worte zusammenfügt.
Das stimmt nicht
Ein Dichter ist einer den Worte
noch halbwegs zusammenfügen
wenn er Glück hat
Wenn er Unglück hat reißen die Worte
ihn auseinander. |
Dieses Gedicht wird dem gerecht, was Erich Fried war - ein
großer deutscher Dichter.
Nach der Uraufführung der literarisch-musikalischen Collage
im Festspielhaus St.Pölten, wurde dieser Abend mit 13
Vorstellungen in Wien, übrigens in unmittelbarer Nähe
des Hauses in dem Fried geboren und aufgewachsen ist, wiederaufgenommen.
Die Inszenierung und die Darsteller verliehen den Texten Erich
Frieds kraftvoll und zugleich behutsam und lyrisch eine Ausdruckskraft,
die aufwühlte und das Bewusstsein für ewig gültige
Wahrheiten weckte. Die Schonungslosigkeit, die dunklen Seiten
des Menschen in Worte zu kleiden und das wohl beeindruckendste
Beispiel der Wortgewalt Erich Frieds ist in dem Gedicht:
Zu den Steinen hat einer gesagt: seid menschlich
Die Steine haben gesagt:
Wir sind noch nicht hart genug.
Anita Ammersfeld, Michaela Scheday und der Tänzer
Elio Gervasi nahmen die Herausforderung an, das Wesen
und die Sprachkunst Erich Frieds in eine Komposition zu kleiden,
die beeindruckte. Die sprachliche Wiedergabe der Texte erfolgte
im Kontrast der klaren und beeindruckenden Sachlichkeit Michaela
Schedays zur lyrischen und gesanglichen Interpretation Anita
Ammersfelds, deren wunderbarer Sopran die Poesie und die Leidenschaft
besonders der Liebesgedichte Erichs Frieds großartig
wiedergab.
Elio Gervasi verstand es, durch tänzerische Ausdruckskraft
die Körpersprache der Gefühle in ihrem gesamten
Spektrum darzustellen - den Menschen getrieben durch das Leben
und doch nichts anderes als ein Blatt im Wind.
So hinterließ die Vorstellung den Betrachter in einem
Sturm der Gefühle, die lange noch nachschwingen und sicherlich
jeden auf seine Art veranlassen, den Blick nach innen zu richten,
sich der Wahrheit zu stellen und die Liebe zu suchen.
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