Nachdem die Makkabäer ihr Ziel der Wiedereinweihung
des Tempels erreicht hatten, und das sich entwickelnde
Priesterkönigtum der Hasmonäer etabliert war,
konnten sich die Juden in Eretz Israel relativer Ruhe
und Sicherheit erfreuen. So gesehen kann Hanukka auch
einmal Anlaß dafür sein, darüber nachzudenken,
was es denn mit der Sicherheit auf sich hat und wie
die jüdische Religion im besonderen und die biblischen
Religionen im allgemeinen diesen für die Lebensbewältigung
so wichtigen Sachverhalt umgehen.
Sicherheitsdenken auf allen Linien bestimmt das zeitgenösssische
Lebensgefühl. Zwar müssen Österreicher,
wenn es etwa um die Pragmatisierung geht, nicht selten
journalistische Rügen für ihr angeblich überproportionales
Sicherheitsdenken einstecken. Dieselben kritisierenden
Personen handeln für sich selbst aber recht sichere
Verträge aus, wenn es um ihre eigene berufliche
Absicherung geht. Es ist also offenbar doch so, daß
Menschen ganz allgemein, in dem, was man Sicherheit
nennt, einen großen Lebenswert sehen. Die Lebensbereiche,
die man gesichert sehen möchte, sind meist solche
des konkreten materiellen Lebens, für die man eine
Versicherungspolizze erhalten kann. Eine wichtige Rolle
spielt auch der Begriff Sicherheit in der Politik und
noch mehr im militärischen Bereich. Ausgaben für
die Rüstung stehen politisch fast immer unter dem
Vorzeichen der Sicherheit. Allerdings gibt es nur ein
Faktum das völlig unangefochten und universell
ohne jeden zweifelnden Dialog für jeden Menschen
als sicher gilt, nämlich der Tod.
Um die verschiedenen Dimensionen dessen zu begreifen,
was Sicherheit ausmacht, lohnt es sich, die Wortbedeutung
relevanter Ausdrücke ein wenig unter die Lupe zu
nehmen. Das deutsche Wort "Sicherheit" ist
ein Lehnwort und kommt aus dem Lateinischen: "securus"-
se (=sine) cura: also: "ohne Sorge". Die Westgermanen
haben im 5.Jh. n.Chr. diesen Ausdruck aus dem Lateinischen
übernommen und damit ursprünglich einen juridischen
Sachverhalt, nämlich das Freisein von Schuld und
Strafe bezeichnet. Erst später erhält der
Ausdruck die Bedeutung "unbesorgt, geschützt,
zuverlässig." In Italien ist seit dem 14.Jh.
das Verbum "sicurare" für die Versicherung
von Schiffen belegt.
Was Cicero über die Sicherheit, die "securitas"
sagt, ist sehr einleuchtend. Er beschreibt den Sachverhalt
im existenziellen Sinn als:
"... den Seelenzustand, der als Freiheit von
Schmerz und Unwohlsein, die Voraussetzung eines glücklichen
Lebens ist." ("securitatem nunc appello
vacuitatem aegritudinis, in qua vita beata posita
est." (Tusc.disp. V,14,42).
Es ist klar, daß dieser Seelenzustand nicht nur
das Resultat spirituellen Trainings ist, sondern auch
objektive Voraussetzungen hat. Das Versprechen, solche
Voraussetzungen zu schaffen, ist nicht zuletzt in Zeiten
des Wahlkampfes ein wichtiger Bestandteil politischer
Sprache. Dabei bleibt naturgemäß der Hinweis
darauf ausgespart oder es wird als selbstverständlich
vorausgesetzt, daß es im letzten Kern keine irdische
Sicherheit gibt.
Die Offenbarungstexte der drei biblischen Religionen
setzen das Grundbedürfnis des Menschen nach Sicherheit
als selbstverständlich voraus. Dabei kommt allerdings
den materiellen Voraussetzungen, nicht zuletzt wegen
ihrer Brüchigkeit, keine Hauptrolle zu. Sicherheit
ist ja ganz wesentlich auch ein Seelenzustand.
Sozusagen die Brücke zwischen realen Gegebenheiten
und dem die seelische Sicherheit begründenden Voraussetzungen
formuliert der schon zitierte Cicero:
"Glücklich sein kann man nur auf Grund
eines beständigen, festen und dauerhaften Gutes."
Dieses Bewußtsein prägt nicht zuletzt den
bekannten Hanukka-Hymnus: "Maoz zur jeshuati".
Der feste und dauerhafte Felsen, auf den jede Rettung
gebaut ist, ist der Gott Israels, wie Psalm 89,27 zeigt,
den dieser Hanukka-Hymnus zitiert:
"Mein Vater bist du, mein Gott, der Fels meines
Heiles."
In der biblischen Sprache ist diese existenzielle Verankerung
in Gott mit den hebräischen Ausdrücken le-häämin
(eigentlich: festmachen) und batach (sicher sein) verbunden.
Von seiten des Menschen bedeutet häämin
eine Gottesbeziehung, die den ganzen Menschen in der
Gesamtheit seines äußeren Verhaltens und
seines Innenlebens erfaßt. Ein ganz ähnlicher
Sprachgebrauch ist im Arabischen bzw. im Islam gegeben.
Die arabischen Ausdrücke für Glaube und Sicherheit
sind beide von der Wortwurzel "aman" gebildet.
Das arabische Zeitwort "amina" heißt
"sicher sein, verläßlich sein".
Die davon gebildete Zeitwortform "amana" bedeutet
wörtlich "etwas sicher machen, etwas als sicher,
verläßlich ansehen = glauben". Von dieser
spirituellen Haltung der Muslime ist auf nahezu jeder
Seite des Koran die Rede. Der Gläubige (=Mumin)
ist auch der Muslim (von dem arab. Zeitwort "alsama"=sich
ganz hingeben). Der Muslim ist also derjenige, der sich
Gott ganz hingibt, indem er der Religion, die der Prophet
verkündet hat, angehört.
Aus dieser inneren Einstellung empfängt der Muslim
auch vollständige Sicherheit, in der Hand Gottes
geborgen zu sein, der sein Schicksal in Händen
hält. Im Grunde gibt es für den Muslim keine
andere Sicherheit als diese.
Dabei kommt einem unwillkürlich auch das Wort des
Neuen Testaments in den Sinn:
"Sorget nicht um das Leben, was ihr essen, noch
um den Leib, was ihr anziehen sollt. ... Betrachtet
die Raben, sie säen nicht, sie ernten nicht ...
und Gott ernährt sie . Wieviel mehr seid ihr
wert, als die Vögel. ... Suchet vielmehr sein
Reich, und alles wird euch dreingegeben werden. (Lk
12,22-31).
Der enge Zusammenhang zwischen dem menschlichen Glaubensakt
und der Wirklichkeit Gottes auf der einen Seite und
der menschlichen Grundkategorie der Sicherheit auf der
anderen ist aus biblischer Sicht in der Verläßlichkeit
Gottes begründet:
"Daran sollst du erkennen: Jahwe, dein Gott,
ist der Gott; er ist der treue Gott; noch nach tausend
Generationen achtet er auf den Bund und erweist denen
seine Huld, die ihn lieben und auf seine Gebote achten."
(Dtn 7,9)
Ganz knapp formuliert der Prophet Jesaja diesen Sachverhalt:
"Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht."
(Jes 7,9)
Damit ist die Identität von Glaube und Existenz
ausgesprochen. Im Glauben selber liegt die besondere
Seinsweise und der Bestand des Gottesvolkes und nicht
im Vertrauen auf Menschenmacht. Indem durch das Vertrauen
auf Gott jede Furcht eliminiert ist, ist auch ultimative
Sicherheit gegeben.Die Weisheit des Tanach formuliert
das ganz knapp:
Wer aber auf mich hört, wohnt in Sicherheit,
ihn stört kein böser Schrecken. (Spr 1,33)
Das rabbinische Judentum hat auf der Grundlage des
Tanach diese zentralen religiösen Haltungen weiter
vermittelt. "Emuna" ist im rabbinischen Judentum
nicht auf die theoretische Anerkennung der Existenz
Gottes beschränkt. Vielmehr liegt der Hauptakzent
auf der Anerkennung der unaufhörlich bestehenden
Beziehung zwischen Gott, der Welt und seinen Geschöpfen.
Emuna ist die Sicherheit im Hinblick auf die Tatsächlichkeit
der göttlichen Vorsehung. Bezieht sich also auf
das Leben. Dieser Glaube wird beim Menschen durch seine
Gottesliebe und Gottesfurcht sichtbar und fruchtbar.
In einem frühen halachischen Midrasch werden Rabbi
Nehemiah folgende Worte in den Mund gelegt:
"Jeder, der aus Emuna (auch nur) ein Gebot hält,
der verdient es, daß der heilige Geist auf ihm
ruht ." (Mekh, wayyehi 6,114)
Die jüdische Spiritualität in diesem Bereich
ist sehr klar zusammengefaßt in dem wichtigen
mittelalterlichen Werk "Buch der Herzenspflichten,
das von Bahya ibn Paquda (11.Jh.) vefaßt wurde:
"Was dem Gottergebenen als unumgängliches
Erfordernis sich aufdrängt, ist nämlich
das: Das Vertrauen auf Gott in jeglichem Verhältnis,
dieweil ihm dies, sowohl in religiöser als weltlicher
Beziehung die bedeutendsten Vorteile gewährt.
In religiöser Beziehung frommt es ihm: durch
die Ruhe des Gemütes, und die auf Gott sich stützende
Sicherheit, deren er gleich dem Diener sich erfreut,
der pflichtmäßig in allem auf seinen Herrn
sich verläßt; da derjenige, welcher nicht
auf Gott vertraut, jedenfalls auf einen andern Gegenstand
seine Zuversicht gründet, und wer auf etwas anderes,
als auf Gott vertrauet, dem entzieht der Herr seine
Fürsorge und überläßt ihn der
Gewalt desjenigen, dem er sein Zutrauen zugewendet
hat." (IV, Einleitung. Stern 187).
|