Ausstellung zum 100. Geburtstag des
Autors von
CHRISTUS KAM NUR BIS EBOLI
30. Januar bis 6. April 2003
im JÜDISCHEN MUSEUM FRANKFURT
Carlo Levi (1902-1975) war einer der bedeutendsten
Intellektuellen der italienischen Nachkriegsgeschichte.
Sein 1945 erschienenes Buch "Cristo si è
fermato a Eboli" (Christus kam nur bis Eboli) erlangte
Weltruhm. Dass er auch zu den wichtigsten Malern des
italienischen Realismus zählt - er nahm allein
fünfmal an der Biennale in Venedig teil - blieb
hingegen im Ausland weitgehend unbeachtet.
Levi entstammt einer bürgerlichen Turiner Arztfamilie,
die mit dem Sozialismus sympathisierte. In Paris, wo
er zeitweilig ein Atelier hatte und die Avantgardisten
vom Montparnasse kennen lernte, schloss er sich der
antifaschistischen Untergrundgruppe Giustizia e Libertà
an. Sie wurde verraten, und Levi wurde 1935 in ein winziges
Bergdorf des Mezzogiorno verbannt. Das Elend der archaischen
Verhältnisse des Südens, die Armut der Bauern,
die Malaria, die ihn zwang, heimlich - aber geduldet
- seinen Arztberuf wieder auszuüben, hat er in
seinem literarischen Hauptwerk eindrücklich geschildert.
Aber auch in der Verbannung hat Carlo Levi gemalt.
Seine frühen Bilder aus den 20er Jahren stehen
unter dem Einfluss der Neuen Sachlichkeit und von Modigliani.
Die Bilder seiner Pariser Zeit werden mit Werken der
Fauvisten oder von Soutine verglichen. Levis Farben
blieben immer kraftvoll, sein großzügiger
Duktus erinnert an den deutschen Expressionismus. 1934
wurde er von den Faschisten von der Biennale ausgeschlossen,
wogegen viele Künstler protestierten, darunter
Chagall, Leger, Derrain, und Signac. In der Auseinandersetzung
zwischen Realisten und Abstrakten in der Nachkriegszeit,
polemisierte Levi gegen ungegenständliche Kunst
- vielleicht ein Grund, weshalb er in Westdeutschland
bislang nicht ausgestellt wurde. Carlo Levi hat viele
berühmte Personen porträtiert, darunter Italo
Calvino, Frank Lloyd Wright, Ilja Ehrenburg und Pablo
Neruda, der ihn eine "Eule" nannte, weil er
bis in die Dämmerung weitermalte, wobei er die
Porträtierten in Gespräche verstrickte und
dadurch auf ihren Gesichtern unbekannte Züge zum
Vorschein brachte.
BIOGRAFISCHES
1902 am 29. November als Sohn eines Arztes in Turin
geboren
1923 Teilnahme an der Quadriennale in Turin
1924 Beendigung des Medizinstudiums, Teilnahme an der
15. Biennale in Venedig 1925 Übersiedelung nach
Paris
1931 Mitverfasser des Programms der Widerstandsorganisation
Giustizia e Libertà 1934 erste Festnahme; als
der Aufruf einiger in Paris ansässiger Künstler
für Levis Freilassung erscheint, wird Levi auf
Bewährung freigelassen.
1935 am 15. Mai erneute Festnahme, am 15. Juli Verurteilung
zu drei Jahren Zwangsaufenthalt in Grassano bei Matera,
am 18. September verlegung nach Aliano, einem winzigen
Bergdorf
1936 am 20. Mai Begnadigung anlässlich der Gründung
des "imperiums" 1937 Projektleiter und Bühnenbildner
des Films "Pietro Micca"
1939 Übersiedlung nach Paris, "Paura della
Libertä" (Angst vor der Freiheit, 1946 veröffentlicht)
entsteht
1941 Rückkehr nach Italien, Beitritt zum antifaschistischen
Partito dAzione, dessen Parteizeitschrift "LItalia
Libera" Levi später leitet
1943 im Frühjahr erneute Festnahme, Freilassung
nach einigen Monaten Haft
1945 im September Veröffentlichung von "Christus
kam nur bis Eboli" (entstanden zwischen Dezember
1943 und Juli 1944) bei Giulio Einaudi
1948 Teilnahme an der Mostra dArte per il Popolo
Ebraico in Rom zugunsten des internationalen Fonds für
den neugegründeten Staat Israel und an der 24.
Biennale in Venedig
1950 Teilnahme an mehreren Ausstellungen, darunter
die 25. Biennale und eine Ausstellung zeitgenössischer
italienischer Kunst, die auch in Mannheim, Köln,
Hamburg und München gezeigt wird
1954 Gestaltung eines eigenen Raumes bei der 27. Biennale
in Venedig
1955 Besuch in Matera, dort Teilnahme am Kongress der
sozialistischen Partei zu Ehren des Gewerkschafters
Rocco Scotellaro
1956 Teilnahme an der 28. Biennale, bei Ausstellungen
in Leningrad und Moskau und der siebten Quadriennale
in Rom
1961 zum 100jährigen Bestehen der Italienischen
Einheit entsteht das der süditalienischen Region
gewidmete Monumentalgemälde "Lucania 61
1963 als Parteiloser Wahl zum Senator für die
Kommunistischen Partei Italiens 1970 Levi gründet
die FILEF: Federazione Italiana Lavoratori Emigrati
Famiglie (verein der Familien emigrierter italienischer
Arbeiter)
1973 zeitweise Erblindung infolge seiner Diabetes
1975 am 4. Januar stirbt Carlo Levi in Rom
"Ich ging mit Leinwand und Farben aus dem Haus,
wenn die Sonne zu sinken begann, und stellte meine Staffelei
in den Schatten eines Ölbaumes oder hinter die
Friedhofsmauer, und fing an zu malen. Das erste Mal,
ein paar Tage nach meiner Ankunft, schien meine Beschäftigung
dem Feldwebel verdächtig; er benachrichtigte sofort
den Bürgermeister und schickte für jeden Fall
einen seiner Leute, um mich zu überwachen. Der
Carabiniere pflanzte sich zwei Schritte hinter mir auf,
um mein Werk vom ersten bis zum letzten Pinselstrich
zu verfolgen. Es ist unangenehm, zu malen wenn jemand
hinter einem steht [..], aber was ich auch anstellte,
ich konnte ihn nicht loswerden: er hatte seinen Befehl.
Nur wechselte sein dummes Gesicht allmählich von
einem forschenden zu einem immer interessierteren Ausdruck;
und schließlich fragte er mich, ob ich imstande
wäre, in Öl eine Vergrößerung der
Photographie seiner toten Mutter zu malen, was schließlich
für einen Carabiniere das Höchste an Malerei
ist.
aus: Carlo Levi, Christus kam nur bis Eboli
Die Ausstellung im Jüdischen
Museum Frankfurt präsentiert ab 30. Januar 2003
mit etwa 60 Gemälden erstmals in Deutschland einen
Überblick über das malerische Schaffen des
engagierten Schriftstellers und Publizisten.
Weitere Informationen und Bildmaterial unter:
Jüdisches Museum, Untermainkai
14-15,
60311 Frankfurt
Erik Riedel Tel: (069)212-35843, Fax: -30705,
e-Mail:riedel@juedischesmuseum.de
oder
Fritz Backhaus Tel: (069)212-38804,
e-Mail:backhaus@juedischesmuseum.de
Website zur Ausstellung:
http://www.juedischesmuseum.de/wechselausstellungen/levi.html
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