Toraschreiber Salomon
Kohn (Foto: ONB)
Bis zum 27. Juni 2003 zeigt das Papyrusmuseum der Österreichischen
Nationalbibliothek Wien eine Sonderausstellung, die
sich mit einem alltäglichen Gegenstand und seiner
Geschichte befasst: dem Schreibgerät. Funde aus
der Zeit um 1200 v.u.Z. zeigen einfache Binsenhalme
und gespitzte Schilfrohre, mit denen Papyrus, Pergament
und Papier beschrieben wurden. Zu den frühesten
auf Pergament verfassten Texten gehören die Rollen
von Qumran. Die Antike kannte schon "Notizblöcke":
Wachstafeln, die mit einem Griffel beschriftet wurden.
Ausgehend von Objekten des Museums stehen in der Ausstellung
auch der islamische und jüdische Kulturkreis im
Mittelpunkt. In ihrem Katalogbeitrag Schreiben im Judentum
widmet sich die Wiener Judaistin und Ethnologin Renate
Meissner der Kunst des Toraschreibers. Nach jüdischem
Gesetz sind außer der Torarolle auch andere heilige
Schriften mit Tinte auf Pergament zu schreiben. Die
in muslimischen Ländern lebenden Juden verwendeten
eine Feder aus zugespitztem Schilfrohr, während
in Europa ab dem frühen Mittelalter Vogelfedern
- hauptsächlich von Gänsen - in Gebrauch waren.
Die Vorschriften wurden bereits in den ersten Jahrhunderten
n.u.Z. von Rabbinern festgelegt. Der Schreiber muss
bezüglich Pergament, Tinte und Feder genaue Vorbereitungen
treffen. So darf er nur schwarze Tusche verwenden. Das
Pergament kann nur von koscheren Tieren stammen. Sobald
der Schreiber den Gttesnamen verwendet, muss er
eine Gebetsformel sprechen. Er soll sich auch jeden
Morgen der rituellen Reinigungsvorschriften unterziehen,
also in die Mikweh (Tauchbad) gehen. Wenn ihm ein Fehler
unterläuft, ist nur folgender Korrekturvorgang
zulässig: die Tinte wird vom Pergament gekratzt,
mit einem Radiergummi gesäubert und mit einem Bimsstein
geglättet. Davor ist er verpflichtet, eine Gebetsformel
sprechen. Doch der Gttesname darf nicht ausradiert
werden: er muss entweder ausgeschnitten werden oder
die Seite wird neu geschrieben. Der in Wien lebende
Toraschreiber Salomon Kohn hat für die Ausstellung
sein Wissen und auch sein Material zur Verfügung
gestellt. Wie im Mittelalter verwendet er Pergament
und die Feder eines Truthahnes als Schreibgerät.
Zur Ausstellung ist auch ein Katalog
erschienen:
Vom Griffel zum Kultobjekt. 3000 Jahre Geschichte des
Schreibgerätes. Herausgegeben von Christian Gastgeber
und Hermann Harrauer, Phoibos Verlag, Wien 2001. €
29.
Öffnungszeiten der Ausstellung:
Mo, Mi-Fr 10-17 Uhr;
Adresse: Neue Burg, Heldenplatz, 1010 Wien; nähere
Informationen:
www.onb.ac.at
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