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Religiöse Bauten jüdischer Gemeinden in Österreich
Zur Dokumentation eines vergessenen architektonischen Erbes

Simon PAULUS, Karin KESSLER

 

Die Untersuchung der Architektur für den jüdischen Ritus unter bau- und kunsthistorischen Gesichtspunkten ist ein relativ junges Forschungsfeld. Zu einer intensiveren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem bedeutenden Teil europäischer Baugeschichte kam es, abgesehen von einigen wenigen Publikationen Ende des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. erst in den letzten dreißig Jahren. Damit einhergehend erfolgte erstmals eine Besinnung auf das noch vorhandene, aber oftmals aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängte, bauliche Erbe.
Die meisten dieser noch erhaltenen Bauten sind durch spätere Umbauten soweit verändert worden, dass sich in den meisten Fällen nur wenige Hinweise auf die ehemalige Nutzung finden lassen. Viele dieser in den vergangenen Jahrhunderten oft nur für kurze Zeit genutzten Gebäude wurden von den jüdischen Gemeinden oder jüdischen Privatbesitzern aus vielerlei Gründen aufgegeben und verkauft oder gingen nach Pogromen und Vertreibung in den Besitz der Landes- oder Stadtherren über, die sie veräußerten oder verpachteten. Für Wohnzwecke, als Viehställe oder Lagerräume genutzt, sind sie teilweise bis heute erhalten geblieben. Auch viele der noch bis 1938 genutzten Bauten, besonders im ländlichen und kleinstädtischen Bereich, haben die Zerstörungen in der "Reichspogromnacht" und durch den 2. Weltkrieg unbeschadet oder nur leicht beschädigt überstanden. Umso erschütternder ist es, dass diese baulichen Zeugnisse jüdischer Kultur teilweise aus Unwissenheit, teilweise aber auch im vollen Bewusstsein ihrer ehemaligen Funktion, bis in die jüngste Zeit abgerissen und damit unwiederbringlich ohne vorherige Dokumentation von der Bildfläche verschwinden und aus dem Gedächtnis gelöscht werden.

Die im Frühjahr 2002 freigelegte Nordwand der (vermutlich) ehemaligen mittelalterlichen Synagoge in Tulln, Foto: S. Paulus, Okt. 2002

Dieses bauliche Erbe zu dokumentieren, zu erhalten und seine Bedeutung in seinem architektur- und kulturhistorischen, sowohl regionalen und nationalen, aber auch seinen gesamteuropäischen Zusammenhang zu erforschen und herauszustellen, ist Ziel eines Forschungsprojektes, welches das Fachgebiet Baugeschichte an der TU Braunschweig in Zusammenarbeit mit dem Center for Jewish Art an der Hebrew University Jerusalem seit einigen Jahren verfolgt.
Die Dokumentation und Erforschung jüdischer Ritualbauten in Europa hat sich auf Initiative der Direktorin des Centers for Jewish Art, Aliza Cohen-Mushlin und des Institutsleiters Harmen Thies seit Mitte der 90er Jahre zu einem der Forschungsschwerpunkte am Fachgebiet Baugeschichte entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit dem Center for Jewish Art, das sich der weltweiten Erfassung und Dokumentation jüdischer Kunst widmet, konnten durch die Unterstützung unterschiedlicher Förderer (Alfred Freiherr von Oppenheim-Stiftung, German-Israeli-Foundation G.I.F., u.a.) in mehreren deutschen Bundesländern (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) über 200 noch erhaltene Bauten systematisch dokumentiert werden. Ergänzende Archivstudien in israelischen und deutschen Archiven ermöglichten nicht nur die Erstellung einer detaillierten Baugeschichte dieser Bauten, sondern auch die Erfassung und Rekonstruktion zerstörter Gebäude, sodass letztendlich ein nach den heutigen Möglichkeiten vollständiger Katalog der ehemaligen und bestehenden Synagogen, Beträume, Friedhofsgebäude und Ritualbäder für das jeweilige Bundesland erstellt werden konnte.
Hervorzuheben ist, dass diese umfangreichen Arbeiten nicht ohne das große Engagement der vielen Studenten möglich sind, die im Rahmen ihrer universitären Ausbildung einzelne Objekte als Studienleistung bearbeiten. Bisher haben über 200 Studierende in Braunschweig und an kooperierenden Hochschulen in Weimar und Dresden an dem Projekt mitgewirkt.
Neben der wissenschaftlichen Zielsetzung dieser Arbeit liegt ein weiteres Interesse auf der Vermittlung einer besseren Kenntnis des baulichen jüdischen Erbes um somit eine breitere Öffentlichkeit auf seine Existenz hinzuweisen und diese Bauten als historische Zeugnisse jüdischer Kultur ins Gedächtnis zurückzurufen. So freut uns besonders, dass die Ergebnisse unserer Dokumentationen mittlerweile auch der Erhaltung der Bauwerke selbst dienen: Denkmalpflege und private Initiativen greifen auf die Bauaufnahmen zurück, um die Gebäude restaurieren und nutzen zu können.
In einer vom Fachgebiet Baugeschichte der TU Braunschweig mit Studierenden durchgeführten Exkursion im Oktober 2002 konnten nun auch erstmals in Österreich erhaltene Beispiele jüdischer Ritualbauten dokumentiert werden. Als unverzichtbare Hilfe für eine Bestandsaufnahme solcher Bauten auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich sind insbesondere die grundlegenden Veröffentlichungen Pierre Genées zu nennen. Mit seinen Publikationen liegt erstmals eine Übersicht zu den ehemaligen, zerstörten und erhaltenen österreichischen Synagogenbauten vom Mittelalter bis in die heutige Zeit sowie eine Einzeldarstellung zu den Wiener Synagogen vor.
An über 90 Orten haben auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich jüdische Gemeinwesen existiert: Sind bis ins späte Mittelalter zunächst nur in den größeren städtischen Ansiedlungen und entlang wichtiger Fernhandelsrouten jüdische Gemeinden und ihre rituellen Einrichtungen zu finden, ändert sich dies mit den europaweiten großen Vertreibungen der Juden aus den Städten im ausgehenden Mittelalter. Ab der frühen Neuzeit entwickeln sich jüdische Gemeinwesen nun vermehrt im ländlichen Raum. Die unsichere und ständig gefährdete Situation der kleinen Gemeinden dieser Zeit zeichnet sich auch in der architektonischen Erscheinung ihrer Synagogen ab. Meist sind es kleine private Beträume oder angemietete Betstuben in unscheinbaren Wohngebäuden oder sogenannten Einkehrgast-höfen. Mit der aufkommenden Emanzipation des europäischen Judentums im 19. Jh. kommt es auch zu einer Blütezeit des Synagogenbaus. Nicht nur in den Großstädten, sondern auch auf dem Land entstehen eine Vielzahl von Synagogen, Friedhofsbauten und Gemeindegebäuden, die eindrucksvoll nicht nur das neue Selbstbewußtsein, die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung ihrer ‚Erbauer’, sondern auch die enge regionale Verwurzelung und Verbundenheit widerspiegeln.
Auf der Grundlage von Pierre Genées Zusammenstellung lassen sich über 270 von jüdischen Gemeinden für rituelle Zwecke genutzte Gebäude nachweisen, wobei von einer großen Zahl weiterer Bauten ausgegangen werden muss, die durch Quellen nur schwer oder gar nicht fassbar sind. Zu diesen zählen insbesondere Beträume des Mittelalters und der frühen Neuzeit sowie Ritualbäder, also Räumlichkeiten, die nach außen nicht baulich in Erscheinung traten und sich meist in gewöhnlichen Wohnbauten befanden.
Zielsetzung der Exkursion war zunächst die Dokumentation noch erhaltener Bausubstanz von mutmaßlichen Synagogenbauten des Mittelalters und der frühen Neuzeit, wobei sich das Unter-suchungsgebiet auf die weitere Umgebung von Wien beschränken musste. Trotz bereits vorhandener Einzeluntersuchungen und einer sehr guten Übersicht dieser Bauten von Andrea Sonnleitner (Mittelalterliche Synagogen im ehemaligen Herzogtum Österreich, Magisterarbeit an der Universität Wien, 1998) fehlen hier im Einzelnen bisher genauere und detailliertere Aufmaße und Darstellungen. Zudem macht der zunehmend vom Verfall oder weiteren baulichen Veränderungen betroffene Zustand einzelner Gebäude sowie neue Entdeckungen eine rasche und gründliche Dokumentation nötig.
Untersucht und dokumentiert wurden dabei Gebäude in Neulengbach, Hainburg, Bruck/Leitha und Korneuburg sowie die erst im Frühjahr 2002 entdeckte mutmaßliche "Judenschule" in Tulln. Weitere Bauten und vermutete Standorte, so in Klosterneuburg, Langenlois und Hadersdorf/Kamp, wurden für zukünftig geplante Dokumentationen zunächst in Augenschein genommen. Die Dokumentation einer der wenigen erhaltenen frühneuzeitlichen Synagogen Österreichs, ein kleiner Bau in Wolfsthal bei Hainburg, scheiterte leider an der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Eigentümers.
Ein Großteil der untersuchten Bauten wurden mit Hilfe eines lasertachymetrischen Mess-verfahrens aufgemessen: Dabei wird das Bauwerk mittels eines Laserpunktes abgetastet und die gemessenen Punkte, Strecken und Winkel von einem Computerprogramm in ein 3D-Modell umgewandelt, das anschließend mit CAD-Programmen weiterverarbeitet oder als Grundlage für Pläne genutzt werden kann. Dieses Messverfahren erlaubt ein weitgehend berührungsfreies und verformungsgetreues Aufmaß auch unzugänglicher Bereiche (Gewölbe, höher gelegene Wand- und Deckenbereiche). Zusätzlich wurden sämtliche Gebäude noch per Hand vermessen und photographisch dokumentiert. Eine Auswertung der Dokumentationsergebnisse geschieht zur Zeit im Rahmen von Studienarbeiten und einer Forschungsarbeit zur Untersuchung typologischer und verbreitungsspezifischer Gesichtspunkte des aschkenasischen Synagogenbaus im Mittelalter. Es ist geplant, dem Leser die Gebäude in Einzelartikeln in den folgenden Ausgaben des "DAVID" vorzustellen. Daher mag eine kurze überblickartige Vorstellung der Bauten zunächst genügen.
Neulengbach: Das in einem Hinterhof frei stehende Gebäude wurde von dem Historiker Rudolf Büttner als ehemaliges Synagogengebäude der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Neulengbach identifiziert. Die durch ein Vorderhaus verdeckte Lage und der noch bis in die dreißiger Jahre vorhandene hohe Giebel könnten diese Annahme bestätigen. Anhand einiger erhaltener Baudetails lässt sich eine Datierung auf das 14. Jh. vornehmen. Der in seiner Vergangenheit durch mehrere Umbauten und teilweisen Abriss stark in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild veränderte Bau mit den ungefähren Außenabmessungen von 6,40 m x 7,10 m und einer heutigen Traufhöhe von etwa 6 m wird heute für Wohn- und Lagerzwecke genutzt. Eine Rekonstruktion des mittelalterlichen Zustandes, zumal während seiner Nutzung als Synagoge, erweist sich als schwierig: Abgesehen von einigen ungenauen Lageplänen des 19. Jh. und wenigen historischen Photographien, die das Gebäude u. a. während eines Teilabrisses und Umbaus Mitte der 30er Jahre zeigen, existieren weiter keine Unterlagen, die nähere Hinweise auf eine frühere Gestalt dieses Gebäudes geben könnten.
Tulln: Im Frühjahr 2002 konnte überraschend anlässlich des Abrisses eines Bretterverschlages an der Nordseite eines Gebäudes in der Fischergasse, der ehemaligen Judengasse, die komplett erhaltene Nordwand einer auf das Ende des 13. Jh. zurückreichenden Bauphase freigelegt werden. Die bis zur ursprünglichen Trauflinie erhalten gebliebene Wand zeigt aufgrund der Gebäudehöhe und der Lage zweier schmaler gotischer Lanzettfenster Merkmale eines mittelalterlichen Sakralbaus. Eine erneute Durchsicht und Überarbeitung der erhaltenen Häuserbücher durch den Lokalhistoriker Roderich Geyer erlaubt eine Deutung und Lokalisierung dieses Gebäudes als Synagoge. Der in seinem äußeren Erscheinungsbild auf das 19. Jh. zurückgehende Bau zeigt anhand seiner Grundrissform und der noch ablesbaren Mauerwerksdicke und Beschaffenheit, dass sich hinter dem neuzeitlichen Putz noch erhebliche Reste des ursprünglichen Bauwerks befinden können, so dass eine Rekonstruktion des gotischen Zustandes durchaus möglich erscheint.

Tulln, Gotisches Lanzettfenster in der Nordwand,
Foto: S. Paulus, Okt. 2002

Hainburg: Dieses Gebäude, im rückwärtigen Teil einer Grundstücksparzelle an der bereits im Mittelalter wichtigen Verkehrsachse der Wiener Straße gelegen, fällt durch einen oktogonal angelegten spitzen Ziegelturm auf, der auf einem quadratischen Sockelbau aufragt. Der daran angrenzende längsrechteckig orientierte Bauteil zeichnet sich durch einen hohen und steilen Giebel aus. Anhand des Mauerwerks lässt sich seine Entstehungszeit auf das 14. Jh. datieren. Schriftliche Quellen und eine mündliche Tradition überliefern für diese Gebäudegruppe eine ehemalige Funktion als Synagoge der mittelalterlichen Hainburger Gemeinde. Innerhalb des Gebäudes lässt sich eine Reihe von späteren Umbaumaßnahmen erkennen. Der bedenkliche Erhaltungszustand der zur Zeit leerstehenden, zuvor als Lagerraum, Werkstatt und für Wohnzwecke genutzten Gebäudegruppe unterstrichen die Notwendigkeit einer gründlichen Gebäudedokumentation, die mit einer lasertachymetrischen Aufnahme, per Hand und durch eine umfangreiche Photodokumentation erfolgte. Die Einmaligkeit der durch den Steinturm gegebenen baulichen Situation und die bisher wenig erforschte Baugeschichte lassen auf eine hochinteressante Auswertung der Dokumentationsergebnisse und auf neue Erkenntnisse zur bisher nicht geklärten Funktion des Turmes hoffen.
Synagoge Bruck a. d. Leitha: Das im Hofbereich eines Grundstückes in der heutigen Schillerstraße, nahe dem Hauptmarkt, versteckt gelegene, freistehende Gebäude gehört wohl zu den bemerkenswertesten erhaltenen Synagogengebäuden Europas. Das bis in die 90er Jahre als ehemalige Niklaskapelle gedeutete Bauwerk weist einige Merkmale auf, die eine Interpretation als Synagoge eher wahrscheinlich machen. Trotz einiger Umbauten der letzten Jahrhunderte und der Nutzung als Wohnhaus und Lagerraum ist seine gesamte Innenraumgliederung weitgehend erhalten. Die hohe Qualität der Bauskulptur, Rippengewölbe und Fenstergewände, machen den Bau zudem zu einem wichtigen Vertreter spätgotischer Sakralarchitektur in Österreich. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude steht zur Zeit leer und zeigt Zeichen zunehmenden Verfalls. Eine Sicherung und anschließende Sanierung der wertvollen Bausubstanz ist daher dringend erforderlich.

Mitarbeiter des Instituts bei der Dokumentation der mittelalterlichen Synagoge in Korneuburg, Foto: S. Paulus, Okt. 2002

Korneuburg: Die Synagoge der Korneuburger Gemeinde scheint mit einer Ruine in der Roßmühlgasse identisch zu sein, an der sich noch deutliche bauliche Hinweise für eine solche Nutzung auffinden lassen. Eine Datierung in das 14. Jh. ist anhand der Fensterformen und des Mauerwerks möglich. Das sich in Privatbesitz befindliche und während seines Bestehens oftmals umgebaute Bauwerk diente lange Zeit als Mühle und Lagerraum. Im 20. Jh. verfiel das Gebäude zunehmend, heute stehen nur noch die Außenmauern. Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Synagogenbaus ist aber anhand der vielfältigen Hinweise möglich. Von dem Gebäude wurden in den 80er Jahren photogrammetrische Aufnahmen der Fassaden gemacht, die in der bereits erwähnten Arbeit von Andrea Sonnleitner umgezeichnet vorliegen; eine gründlichere Bestandsaufnahme und Dokumentation erfolgte allerdings erst im Rahmen der Exkursion.
In Klosterneuburg, Hadersdorf und Langenlois ist die genaue Lokalisierung der ehemaligen Synagogen bisher nicht möglich. In Klosterneuburg stand sie vermutlich auf dem Gelände der alten babenbergischen Burganlage, der Historiker Klaus Lohrmann vermutet sie hier auf dem Grundstück Albrechtsbergergasse 4. Noch erhaltene Bausubstanz scheint, nach Besichtigung des Standortes in der heutigen Bebauung, wenn dann nur in Resten, möglich. Gleiches gilt für Hadersdorf a. Kamp. Hier wird die Synagoge auf dem von den Hochwasserkatastrophen im Spätsommer 2002 stark in Mitleidenschaft gezogenen Gelände eines bereits im Mittelalter belegbaren Einkehrhofes, heute Gasthof Hohlnstein, gestanden haben. Ob dieses Gebäude mit einem heute noch stehenden und in seiner Bausubstanz sicher noch auf das späte Mittelalter zurückgehenden Bauwerk übereinstimmt, müsste anhand einer tiefergehenden Bauwerksanalyse geklärt werden. Ebenso schwierig verhält es sich mit dem mutmaßlichen Standort eines frühneuzeitlichen jüdischen Betraumes in Langenlois, der sich im Gebäude eines heute noch erhaltenen Gasthofes befunden haben soll. Anhand der heute hier sichtbaren Bausubstanz lassen sich keine eindeutigen Hinweise feststellen.
Betrachtet man die Verteilung noch erhaltener mittelalterlicher Synagogenbauten in Europa, so ist auffällig, dass gerade rund um Wien eine ungewöhnlich große Zahl dieser Bauten erhalten geblieben ist. Ähnlichkeiten in der Anlage und Erscheinung mit zwei ebenfalls erhaltenen Gebäuden in Sopron lassen die Entstehung und Herausbildung eines spezifisch eigenen spätmittelalterlichen Gebäudetypus in dieser Region mit Einflüssen aus Süddeutschland und Böhmen vermuten.
Die vom Fachgebiet Baugeschichte erfassten und dokumentierten Bauwerke stellen wertvolle Kulturdenkmäler dar und sind in ihrer Bedeutung als Zeugnisse mittelalterlicher jüdischer Kultur in Österreich und Europa einzigartig. Die erfolgte Dokumentation und deren Auswertung leistet somit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Untersuchung architekturstilistischer und typologischer Merkmale mittelalterlicher Synagogenarchitektur im Kontext abendländischer Architektur, sondern auch zur Erforschung jüdischer Kultur im Mittelalter. Bereits die vor Ort gemachten Beobachtungen lassen auf eine Fülle von neuen Erkenntnissen bei der Auswertung des Dokumentationsmaterial hoffen.
Ein positiver Nebeneffekt der Exkursion zeigte sich zudem in dem ausgelösten großen Interesse vor Ort: So konnte z. B. der Museumsverein Bruck/Leitha, der sich um den Erhalt der ehemaligen Synagoge bemüht, unter Berufung auf die durchgeführte Dokumentation und die wissenschaftliche Bedeutung, die starke Gefährdung der Bauten und die dringende Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen bei den zuständigen Behörden auf Landesebene in Erinnerung rufen. Auch in den Fällen der Bauten in Hainburg, Korneuburg und Tulln ist zu hoffen, dass die Dokumentationsergebnisse einen gewissenhaften Umgang mit der erhaltenen Bausubstanz bei den Besitzern und zuständigen Bau- und Denkmalpflegebehörden zur Folge haben werden.
Diese erste Initiative mag Anlass zur Konstituierung eines größeren, noch zu koordinierenden Forschungsprojektes sein, das sich als Kooperation zwischen österreichischen Einrichtungen, dem Center for Jewish Art und der am Fachgebiet Baugeschichte angesiedelten Initiative zur Einrichtung einer Forschungsstelle für jüdische Architektur in Zentraleuropa, der systematischen Dokumentation jüdischer Ritualbauten in ganz Österreich widmen soll. An dieser Stelle sei allen Personen und Einrichtungen herzlich gedankt, die mit ihrer Hilfe und wertvollen Unterstützung zum Gelingen des Vorhabens wesentlich beigetragen haben.

Die Autoren sind Mitarbeiter am Institut für Bau- und Stadtbaugeschichte, Fachgebiet Baugeschichte, TU Braunschweig.

 

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