Vergessene Opfer?
Die jüdischen Massengräber in Österreich
Tina WALZER
Erhebungen 2001-2002 im Auftrag der Wiener
Kultusgemeinde zu Zahl, Lage, Zustand und Sanierungsbedarf der
jüdischen Massengräber in Österreich
Während der NS-Zeit waren auch jüdische Zwangsarbeiter
auf dem Gebiet des heutigen Österreich eingesetzt.
Nicht nur KZ-Häftlinge mussten in Arbeitslagern
und Betrieben Zwangsarbeit leisten. Aus Ungarn wurden
jüdische Zwangsarbeiter ab 1944 systematisch nach
Österreich deportiert, die Mehrzahl von ihnen wurde
für Arbeiten an einer Verteidigungslinie entlang
der heutigen Ostgrenze Österreichs, dem sogenannten
Ostwall, eingesetzt.
Tragischerweise verloren die meisten Opfer ihr Leben
in den allerletzten Wochen und Tagen des Zweiten Weltkrieges.
Beim Vorrücken der Alliierten Armeen auf österreichisches
Gebiet wurden die jüdischen Zwangsarbeiter auf
Todesmärschen quer durchs Land in Richtung Konzentrationslager
die meisten von ihnen nach Mauthausen und seine
Nebenlager, etwa nach Ebensee getrieben. Viele überlebten
die Strapazen nicht, sie wurden Opfer von Bombenangriffen,
sie verhungerten, erfroren, starben an Infektionskrankheiten
oder wurden von den Wachmannschaften brutal ermordet.
Als trauriges Ergebnis entstanden an vielen innerösterreichischen
Verkehrsverbindungen sowie entlang der heutigen niederösterreichischen,
burgenländischen und steirischen Staatsgrenze Massengräber.
Manchmal ließen die Begleitmannschaften Häftlinge
ihre eigenen Gräber ausheben und erschossen sie
dann. Meist aber wurden die Leichen von der ortsansässigen
Bevölkerung zur Vermeidung von Seuchen an Ort und
Stelle verscharrt. Nach dem Kriegsende ließen
die Alliierten Gräber wieder öffnen und die
Opfer auf nächstgelegene Friedhöfe verlegen.
In den folgenden Jahren veranlaßten die Kultusgemeinden
gemeinsam mit dem Österreichischen Schwarzen Kreuz
und dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge
Exhumierungen. Auf dem Gelände ehemaliger Lager
wie Mauthausen und Ebensee wurden große Opferfriedhöfe
angelegt. Ganze Gräberfelder, etwa in Felixdorf
oder am Präbichl wurden zu Friedhöfen erklärt,
an vielen Tatorten brachten Opferverbände, Ortsgemeinden
und Einzelpersonen Gedenktafeln an. Doch nicht alle
Massengräber konnten wiedergefunden werden.
Noch heute wird nach Gräbern gesucht. Im Laufe
der Zeit ließen die Kultusgemeinden viele Massengräber,
soweit sie zu lokalisieren waren, öffnen und verlegten
die Opfer auf jüdische Friedhöfe. Gemeinsam
mit Familienangehörigen und Forschern bemühen
sie sich auch seit Jahrzehnten, die Namen der Opfer
zu eruieren. Oberstes Ziel ist es, den dauernden Bestand
der jüdischen Gräber zu sichern und das Andenken
der unglücklichen Opfer in Würde zu ehren.
Kaum jemand ist sich der ungeheuerlichen Menge an Massengräbern,
die überall in Österreich verstreut sind,
bewußt. Viele Gräber sind vergessen, die
Umstände ihrer Entstehung blieben jahrzehntelang
verdrängt. Die Betreuung der Grabstätten,
die Identifizierung der Opfer und die Information der
Öffentlichkeit über die Ereignisse bleiben
nach mehr als einem halben Jahrhundert des Schweigens
eine drängende Aufgabe.
Gräber am Ort der Arbeitseinsätze
Über das gesamte Gebiet des heutigen Burgenlandes
verstreut waren Zwangsarbeiter eingesetzt. Im Gebiet
zwischen den Ortschaften Purbach und Donnerskirchen
im Burgenland zum Beispiel war im geräumten Weinkeller
einer Meierei ein Arbeitslager mit 700 ungarisch-jüdischen
Zwangsarbeitern untergebracht. Rund jeder dritte Häftling
kam im Zuge der Zwangsarbeit ums Leben. Wie ein Augenzeuge
berichtet, lagen am Rande der Siedlung überall
Leichen herum. Aus den nach dem Krieg exhumierten Gräbern
nahe Purbach kamen die Leichen von 540 deportierten
ungarischen Juden zum Vorschein.1 Die Identität
der Opfer ist nicht bekannt.
Auch im heutigen Niederösterreich gab es Arbeits-
und Deportationslager. So mußten ab Juli 1944
etwa 200 deportierte ungarische Juden im Bezirk Gmünd
in Steinbrüchen, Fabriken und Forstbetrieben Zwangsarbeit
leisten. Ende Dezember 1944 traf in Gmünd ein aus
Ungarn kommender Transport mit rund 1.700 deportierten
Budapester Juden ein. Diejenigen, die die Fahrt überlebt
hatten, wurden in einem Getreidespeicher untergebracht.
Am 16. Februar 1945 wurden diese Menschen aus Gmünd
weggebracht, angeblich in das KZ-Lager Theresienstadt.
Laut einer Zeugenaussage ist der Transport dort nie
angekommen.2 Während des Aufenthaltes in Gmünd
kamen 485 Menschen um.
In einem nach dem Krieg gegen die dafür Verantwortlichen
angestrengten Volksgerichtshofprozeß berichtete
der damalige Amtsarzt von Gmünd als Augenzeuge
über das Schicksal der Deportierten. Er hatte versucht,
den unter katastrophalen Bedingungen internierten Menschen
ärztliche Hilfe zu leisten:
"Bei einer Außentemperatur von etwa minus
10 Graden waren nun etwa 1.700 Juden in diesem Riesenraum
untergebracht. Sie lagen auf dem Betonboden zum Teil
ohne Unterlage, zum Teil auf einer stellenweise vorhandenen
dünnen Lage Stroh. [...] Etwa 200 300 Personen
hatten schwerste Erfrierungen an den Händen und
Füßen. [
] Der größte Teil
der Juden war hochgradig abgemagert. Seit einigen Tagen
hatten sie auf der Fahrt hierher überhaupt nichts
und in den letzten 1 ½ Tagen in Gmünd meines
Erinnerns erst eine Portion Kaffee und eine Schnitte
Brot erhalten. Alle waren entsetzlich verlaust. Es fehlte
an jeglichen Medikamenten und Desinfektionsmitteln.
Zahlreiche dieser Unglücklichen standen um den
seitlich des Speichers vorhandenen Brunnen und wuschen
in der eisigen Kälte mit nacktem Oberkörper
ihr einziges Hemd, um es schmutz- und läusefrei
zu bekommen. Die meisten jedoch waren nicht mehr im
Stande zu stehen und streckten nur wimmernd ihre erfrorenen
Glieder entgegen, mit der flehenden Bitte um Spitalseinweisung.
Viele lagen bereits apathisch oder in Agonie. An einer
Stelle lagen etwa 5 Leichen, die nachts verstorben waren.
[...] Die Zahl der täglichen Todesfälle wurde
immer höher und erreichte am 9. 2. die Zahl von
38. Der leitende Arzt nannte mir oftmals von den jeweils
in der Nacht Verstorbenen manchen Namen, der einst in
der Heimat den besten Klang hatte. Unter anderem einen
Staatsschauspieler, einer der größten von
Ungarn, ferner Ärzte, Ingenieure, Wirtschaftsführer
und dergleichen. [
] Die Lagerinsassen, die zwecks
Nahrungsmittelbeschaffung außerhalb des Lagerbereichs
angetroffen worden waren, wurden über Nacht im
Freien an einem Pfosten angebunden. Die Bewachung war
neben Volkssturmleuten auch fanatischen HJ-Buben anvertraut,
von denen einer einen Juden, den er zum Aufstehen aufgefordert
hatte und dem Befehl nicht nachgekommen war, einfach
über den Haufen schoß. Schwere Mißhandlungen
kamen ebenfalls vor, wobei einem der Gemaßregelten
ein Arm gebrochen wurde. [
]"3
Die Toten wurden täglich auf einem Karren zu einem
Massengrab an der äußeren Friedhofsmauer
des damaligen Gmünd III (heute Ceske Velenice)
etwa 400 m jenseits der jetzigen Staatsgrenze gebracht
und beerdigt. 4 Vor dem Getreidespeicher von Gmünd
wurde am 24. 5. 1970 von der Arbeitsgemeinschaft der
KZ-Opferverbände gemeinsam mit der Stadtgemeinde
Gmünd ein Denkmal für die Opfer enthüllt.
5 Die Namen der Opfer sind nicht bekannt.
Todesmärsche
Auf den Todesmärschen wurden die Schwachen, Kranken
und Marschunfähigen ermordet und entlang der Marschrouten
verscharrt. Viele Straßen im Burgenland, der Steiermark,
in Ober- und Niederösterreich sind von solchen
Massengräbern gesäumt. Nicht alle wurden nach
1945 exhumiert, und ihre Lokalisierung gestaltet sich
heute äußerst schwierig. In vielen Fällen
ist es aufgrund der ungenauen Angaben der Zeitzeugen
unmöglich, die genauen Grabstellen festzustellen.
In solchen Fällen wäre die Anbringung von
Gedenktafeln zumindest in der Umgebung der vermuteten
Gräber wünschenswert.
Die Zwangsarbeiter des "Ostwalls" wurden die
heutige burgenländisch-ungarische Grenze entlang
nach Süden bis in die Steiermark, und von dort
über den Präbichl und durch das Ennstal in
Richtung Mauthausen getrieben. In Neuhaus am Klausenbach
zum Beispiel wurden am 22. März 1945 92 ungarisch-jüdische
Zwangsarbeiter von SS-Männern erschossen.6 Sie
ruhen vermutlich in einem Massengrab.7 Im Jahr 1986
erhob die IKG Wien, daß bislang keine Exhumierung
stattgefunden hat.8
In Sulzbach, Oberösterreich wurden am 15. April
1945 42 Juden im Steinbruch erschossen.9
In Ternberg liegen in einem Straßengraben 30 Personen
in einem Massengrab.10
Beim Ennskraftwerk Großraming wurden Marschunfähige
ermordet, ihre Leichen in die Enns geworfen. Die Anzahl
der Opfer ist unbekannt.11
In Hofamt Priel bei Schloß Persenbeug, in Rechnitz
und in St. Margarethen in Burgenland kam es zu Massenerschießungen
von mehreren hundert Personen. Während die Persenbeuger
und St. Margarethener Opfer exhumiert und auf jüdischen
Friedhöfen wiederbeerdigt werden konnten, konnte
ein Teil der Rechnitzer Opfer bis heute nicht gefunden
werden.
In Bad Deutsch-Altenburg befindet sich auf dem Kommunalfriedhof
in Gruppe 3, Reihe 1, Grab 16 und 17 an der Friedhofsmauer
ein Massengrab mit Gedenkstein, die Anzahl der hier
bestatteten Opfer ist nicht genau festzustellen. Die
Quellenangaben schwanken zwischen 1512 oder 16 Personen13
, die Grabsteininschrift hingegen spricht von 11: "Kriegsgrab
1939 1945 11 unbekannte Israeliten 1945".14
Unklar bleibt, wo im Zweifelsfalle die fraglichen 5
oder 6 Opfer verblieben sind.
Die hier bestatteten ungarischen Juden waren knapp vor
der Befreiung aus einem Lager in Engerau (heute Petrazalka,
Slowakei) zu Fuß nach Westen und in Bad Deutsch-Altenburg
durch den Ort zur Schiffsverladestation getrieben worden.
Die vor Erschöpfung Zurückgebliebenen wurden
von der Begleitmannschaft erschossen und blieben auf
der Straße liegen. Der damalige Bürgermeister
ließ die Opfer von Kriegsgefangenen am Ortsfriedhof
in einem Schachtgrab beerdigen."15 In Gemeindeakten
und Pfarramt ist kein Namensverzeichnis der Opfer erhalten.16
Exhumierungen
In der unmittelbarer Nachkriegszeit veranlaßten
die Alliierten die Verlegung vieler Gräber von
freiem Feld auf nächstgelegene Friedhöfe.
Leider sind die Aufzeichnungen über diese Aktionen
größtenteils nicht mehr erhalten, sodaß
heute schwer nachzuvollziehen ist, welche Gräber
nun tatsächlich verlegt worden sind, und welche
sich nach wie vor ungekennzeichnet - entlang
der Todesmarschrouten befinden.
Gemäß dem Bundesgesetzblatt 176, Bundesgesetz
vom 7. 7. 1948 wurden die Massengräber schließlich
unter Aufsicht des Bundesministeriums für Inneres
gestellt.17 Seither entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit
zwischen den Kultusgemeinden, dem Volksbund deutscher
Kriegsgräberfürsorge und dem Österreichischen
Schwarzen Kreuz. Gefundene Grabstätten wurden aufgelöst
und die Leichen auf den Opferfriedhof Mauthausen überführt.
Die Opfer aus dem Gunskirchner Wald etwa wurden auf
den jüdischen Friedhof im ehemaligen KZ Mauthausen
überführt.18 Dort wurde 1980 ein Gedenkstein
für die Opfer aus "mehreren Massengräbern
im Gunskirchner Wald" errichtet.19 Nur wenige Opfer
wurden identifiziert.
Massengräber, die zu groß für Exhumierungen
waren, wurden unter Umständen auch an Ort und Stelle
belassen, so zum Beispiel in Felixdorf. Die Anzahl der
Opfer beträgt rund 2.000 Personen, auf dem Gräberfeld
wurde ein Gedenkstein angebracht.
Bei den Opfern handelt es sich um Zwangsarbeiter des
Arbeitslagers "Engelmühle", die an der
Südbahnstrecke eingesetzt und "nur zum geringen
Teil an Hunger, Erschöpfung und Krankheit gestorben
waren und zum weitaus größten Teil beim Herannahen
der russischen Front erschossen"20 worden sind.
Nachforschungen von Familienmitgliedern konnten von
der IKG Wien nur abschlägig beantwortet werden:
"Die Namen der auf diesem Friedhof bestatteten
ca. 2.000 Juden sind unbekannt, weil der größte
Teil derselben auf den Gewaltmärschen an Erschöpfung
starb oder niedergeschossen wurde. Es besteht daher
keine Möglichkeit, auch nur einen Namen der auf
dieser Begräbnisstätte Beerdigten festzustellen.
Es gibt auch keine Einzelgräber, der ganze Friedhof
ist ein einziges Grab."21 Und: "Leider wurden
alle von den Nazis auf dem Todestransport erschossenen
und erschlagenen Juden an Ort und Stelle begraben, wenn
man diese Art des Begrabens überhaupt so bezeichnen
darf. Sie wurden einfach mit ihren Kleidern, so wie
sie starben, in Massengräber geworfen."22
Gemäß einer Vereinbarung mit der IKG Wien
aus dem Jahr 1961 wird die Gedenkstätte von der
Ortsgemeinde Felixdorf gepflegt.
Die Feldsberg-Initiative
Unter ihrem Präsident Dr. Ernst Feldsberg startete
die IKG Wien eine neue Initiative zur Auffindung und
Verlegung jüdischer Massengräber in Österreich.
Noch auf freiem Feld befindliche Grabstätten wurden
aufgelöst, die sterblichen Überreste der Opfer
auf jüdische Friedhöfe überführt
und feierlich wiederbestattet. Dazu kamen Verhandlungen
mit Ortsgemeinden, um jene Grabstätten, die sich
auf christlichen Friedhöfen befinden, dauerhaft
zu sichern. Einige der ins Auge gefaßten Vorhaben
stießen auf unüberwindbare Schwierigkeiten.
So berichtete der damalige Präsident der Linzer
Kultusgemeinde an Feldsberg, zwar gebe es seines Wissens
nach in Oberösterreich keine Grabstätten auf
freiem Feld mehr. Auf dem Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich
bestünden aber neben den KZ-Friedhöfen Mauthausen
und Ebensee mit unbekannten Opferzahlen, die direkt
von der oberösterreichischen Landesregierung betreut
würden,
"29 Grabstätten in den Gemeindegebieten des
erwähnten Todesmarsches [ungarischer Juden ins
KZ Mauthausen] mit zusammen mehr als 10.000 Leichen.
Diese Grabstätten werden, wie wir uns immer wieder
überzeugen vom "Schwarzen Kreuz", der
halboffiziellen Kriegsgräberorganisation in einwandfreier
Weise betreut. Die Kultusgemeinde Linz dotiert das "Schwarze
Kreuz" dafür mit einer ansehnlichen Subvention.
Diese Zahlen sagen aber auch alles über den Umfang
der mit der Umbettung verbundenen Aufgabe für die
wir weder personell noch materiell gerüstet wären,
die aber vielleicht auf Grund des Friedensvertrages
von der Republik Österreich gefordert werden könnte.
Sie beinhaltet ja nicht nur die mit den Exhumierungsarbeiten
und der Wiederbeerdigung unmittelbar verbundenen Kosten,
sondern auch die Beschaffung eines entsprechend großen
Friedhofsgrundstückes, dessen Einfriedung, die
Beistellung von Grabdenkmälern und die fortlaufende
gärtnerische Betreuung. Wir bitten daher das Präsidium
des Bundesverbandes um die Einleitung und Führung
der notwendigen Verhandlungen mit der österreichischen
Regierung."23
Im burgenländischen Bad Sauerbrunn, in der Mattersburgerstraße
25 im Hof eines Privathauses wurde nach dem Krieg ein
Einzelgrab mit einer Frauenleiche gefunden.
"Die Verstorbene war vor dem Abzug der ungarischen
Juden erkrankt und gestorben. [
] Die Hauseigentümerin
war während der Kriegszeit nicht in Sauerbrunn,
sie weiß also aus eigener Wahrnehmung über
den Tod der in ihrem Garten beerdigten Frau nichts.
Ebenso hat sie von Ortsbewohnern nur sehr vage Mitteilungen
erhalten. Frau Koller ist nach Beendigung der Kampfhandlungen
nach Sauerbrunn zurückgekehrt und fand in ihrem
Garten einen aufgeworfenen Grabhügel. Durch Umfragen
erfuhr sie, daß nach Abzug der jüdischen
Zwangsarbeiter eine Frauenleiche zurückgeblieben
war, welche von dem Lehrer des Ortes, der inzwischen
schon verstorben ist, begraben wurde."24
Die Leiche sollte nach dem Wunsch Feldsbergs exhumiert
werden25 , doch stellte sich dieses Vorhaben als undurchführbar
heraus:
"Auf Grund so vager Behauptungen und unter Bedachtnahme
auf die ungeheuren Kosten, welche die Öffnung des
ganzen Gartens erfordern würden, und da schließlich
der Eigentümer zur Durchführung der Nachforschungen
seine Zustimmung nicht erteilt, wird diese Angelegenheit
als erledigt abgelegt."26
Weitere Suchaktionen und Exhumierungen
durch die IKG Wien
Auch in den 1980er und 1990er Jahren wurde weiter nach
Massengräbern gesucht. Vor allem im Burgenland
konnten Opfer gefunden werden, sie wurden auf den neuen
jüdischen Friedhof Eisenstadt überführt.
In manchen Fällen hatte man allerdings wenig Glück.
So waren die in Eberau, Bezirkshauptmannschaft Güssing
vermuteten Grabstellen trotz intensiver Nachforschungen
schließlich nicht näher lokalisierbar:
1945 im Anrücken der russischen Front hatten auch
in dieser Ortschaft und ihrer Umgebung Erschießungen
und Verbrennungen jüdischer Zwangsarbeiter durch
Bewachungspersonal und andere stattgefunden. Südlich
des Dorfes, in Nähe der Wallfahrtskirche Gaas,
wurden am 25. 3. 1945 einige erschöpfte Opfer auf
Befehl eines HJ-Bannführers erschossen.27 Neben
dem Gehweg zur Wallfahrtskirche befinden sich laut Zeugenaussagen
2 Massengräber28 , die Anzahl der Opfer ist nicht
bekannt. Die IKG Wien folgte 1982 einem Hinweis und
hoffte, daß die genaue Lage der Gräber durch
Befragung der Bevölkerung eruierbar würde29
, doch blieben die Nachforschungen ohne Ergebnisse.
Bereits vor den Liquidierungen bei der Wallfahrtskirche
waren nicht mehr marschfähige ungarisch-jüdische
Zwangsarbeiter im Zentrum von Gaas erschossen worden.30
Erhoben werden konnte, daß bis 1986 keine Exhumierungen
vorgenommen worden waren.31 Laut damals erbetener Auskunft
der Ortsgemeinde sind in Gaas keine jüdischen Gräber
vorhanden.32 Die Anzahl der Opfer sowie ihr Verbleib
ist unbekannt.
Weitere Recherchen ergaben:
"In der Ziegelei in Eberau wurden einige Dutzend
jüdische, an Typhus gestorbene Zwangsarbeiter beerdigt.
Es steht jedoch noch nicht fest, ob diese Opfer noch
dort beerdigt sind, denn nach der Befreiung wurden bei
einer Aktion russische Kriegsopfer ausgegraben und an
anderer Stelle wiederbeerdigt. Man weiß nicht,
ob bei dieser Gelegenheit nicht auch die jüdischen
Opfer exhumiert wurden."33
Gesucht wurde auch nach dem Grab von 5 Personen in Edlitz
bei Eberau:
"Im März 1945 sollen im sogenannten Burgenländischen
Winkel fünf Juden, welche dort als Zwangsarbeiter
beschäftigt waren, an einem Waldrand in der Nähe
des Dorfes Edlitz bei Eberau im Burgenland erschossen
worden sein. Herr Max Zafir fand den Platz, wo die fünf
Opfer bestattet sind. Er kann jedoch die Stelle nicht
näher bezeichnen, er weiß nur, daß
sich an dieser Stelle ein Kreuz mit der Aufschrift "Georg
Reiter" befindet. Einer der fünf Männer,
welche in diesem Märtyrergrab ruhen, war Dr. Georg
Reiter aus Süeget [vermutlich Sziget oder Szeged,
Anm. TW] in Ungarn.34
Das Grab befindet sich "ungefähr 10 km vom
Ort entfernt"35 Die Männer waren unter dem
Vorwand von der übrigen Mannschaft weggebracht
worden, daß man sie in Spitalspflege geben werde36
- ihre Gräber konnten trotz aller Bemühungen
nicht gefunden werden.
Auch sämtliche Versuche, in Rechnitz die Gräber
jener Zwangsarbeiter, die die im Kreuzstadel Ermordeten
beerdigen mußten und anschließend selbst
hingerichtet worden sind zu lokalisieren, scheiterten
bislang. Für die Opfer des Kreuzstadel-Massakers
wurde eine Gedenkstätte eingerichtet. Weiters wurden
in Deutsch Schützen sowie in Schattendorf unter
Federführung des Vereines "Schalom" Gedenkstätten
eingerichtet. Das Massengrab von Deutsch Schützen
hatte mithilfe von Schalom Fried in einem Wald oberhalb
der Ortschaft gefunden werden können.
Aktueller Sanierungsbedarf und
offene Fragen
Die meisten auf jüdischen Friedhöfen bestehenden
Massengräber müssen dringend saniert werden,
so etwa jene auf den neuen jüdischen Friedhöfen
in St. Pölten und Eisenstadt, aber auch jene in
Baden, Wiener Neustadt oder Trautmannsdorf, auf dem
Wiener Zentralfriedhof Tor 4, in Innsbruck oder in Linz.
Die weitere Lokalisierung von Massengräbern auf
freiem Feld und ihre Kennzeichnung ist ebenso vordringliche
Aufgabe wie, soweit möglich, die Abgrenzung der
gefundenen Grabstellen und die Errichtung von Gedenktafeln
und -steinen.
In den nachfolgenden Orten befinden sich laut Quellen
weitere Massengräber, wobei noch zu klären
ist, ob diese Gräber nicht exhumiert worden sind,
wenn ja, wohin, und ob es weitere Unterlagen zur genauen
Lage der Grabstätten gibt:
Niederösterreich: Abstetten bei Tulln, Krennstetten,
Lichtenwörth bei Wiener Neustadt, St. Georgen (leider
geben die Suchlisten keinen Hinweis, welche der Ortschaften
dieses Namens genau gemeint ist) und Strassberg
Oberösterreich: Meisseben und Wegscheid
Burgenland: Baumgarten, Bonisdorf, Breitenbrunn, Deutsch-Minihof,
Heiligenbrunn, Höll, Kukmirn, Markt St. Martin,
Neudorf bei Parndorf, Neusiedl am See, Oggau, Schachendorf
Ortsteil Schandorf und Strem
Steiermark: Auersbach, Bad Gleichenberg, Blumau, Gnas,
Großsteinbach, Hieflau, Hochenegg, Hürth,
Kalch (teilweise exhumiert, Verbleib der restlichen
Leichen ungeklärt), Kornberg, entlang der Straße
zwischen Landl und Großreifling, entlang der Straße
von Leoben Richtung Eisenerz, Liezen, Mühldorf
bei Feldbach, Murau, Paldau, Penzendorf, Pischelsdorf-Schachen,
Poppendorf, Radkersburg, St. Anna am Aigen und St. Gallen.
Auch die Lokalisierung und dauerhafte Sicherung von
Gräbern auf christlichen bzw. kommunalen Friedhöfen
ist immer noch notwendig.
Übrig bleibt schließlich die große
Aufgabe, die Namen der Opfer zu eruieren und all die
vielen Einzelschicksale aufzuzeigen.
1 Quelle: Szabolcs Szita: Verschleppt
Verhungert Vernichtet. Die Deportation von ungarischen
Juden auf das Gebiet des annektierten Österreich
1944-1945. Wien 1999, S. 196-199
2 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Gedenksteinerrichtung Gmünd N.Ö. für
485 Märtyrer 1945 Beilagen der I.K.G. 1970 unfoliiert,
Niederschrift Dr. Leopold Fisch, Dr. Georg Ujhelyi,
Frau Illes Blau 23. 5. 1945
3 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Gedenksteinerrichtung Gmünd N.Ö. für
485 Märtyrer 1945 Beilagen der I.K.G. 1970 unfoliiert,
Bericht über die sanitären Verhältnisse
im Judenlager in Gmünd in Zusammenhang mit dem
Volksgerichtsprozeß gegen Hans Lukas Dr. Arthur
Lanz, Bezirksarzt und Bezirksobmann der Ärztekammer
für Niederösterreich 2. 2. 1946
4 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Gedenksteinerrichtung Gmünd N.Ö. für
485 Märtyrer 1945 Beilagen der I.K.G. 1970 unfoliiert,
Landesarbeitsgemeinschaft der Opferverbände in
Niederösterreich Lesiak an IKG Wien betreffend
Gedenksteinerrichtung in Gmünd NÖ 23. 2. 1970
5 Quelle: Erich Fein: Die Steine reden. Gedenkstätten
des österreichischen Freiheitskampfes. Mahnmale
für die Opfer des Faschismus. Eine Dokumentation.
Wien 1975, S. 168
6 Quelle: Szabolcs Szita: Verschleppt Verhungert Vernichtet.
Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet
des annektierten Österreich 1944-1945. Wien 1999,
S. 215
7 Quelle: IKG Wien Anlaufstelle, Synagogen, Kultusgegenstände,
IKG Verluste unfoliiert, Zerstörte Tempel-Friedhöfe
1952, Friedhöfe. Auch IKG Wien, Gebäudeverwaltung,
Verzeichnis von Ortschaften, wo sich jüdische Massengräber
befinden, undatiert (1952/53), unfoliiert
8 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, IKG Wien an burgenländische Landesregierung
22. 1. 1986
9 Quelle: Szabolcs Szita: Verschleppt Verhungert Vernichtet.
Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet
des annektierten Österreich 1944-1945. Wien 1999,
S. 271
10 Quelle: Waltraud Neuhauser-Pfeiffer/ Karl Ramsmaier:
Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr.
Linz 1993, S. 135. Vgl. auch die Ausführungen zum
Lager in Ternberg in: Oberösterreichische Gedenkstätten
für KZ-Opfer. Redigiert von Siegfried Haider und
Gerhart Marckhgott. Linz 2001, S. 203
11 Quelle: Waltraud Neuhauser-Pfeiffer/ Karl Ramsmaier:
Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr.
Linz 1993, S. 132
12 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Bad Deutsch Altenburg, IKG Wien interne Notiz
Technische Abteilung an Präsidium Feldsberg betreffend
Massengrab in Bad Deutsch Altenburg 18. 11. 1969
13 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Bundesministerium
für Inneres an Bundesverband der Israelitischen
Kultusgemeinden Österreichs betreffend Erfassung
der Gräber jüdischer Opfer des Nationalsozialismus
vom 12. 6. 1964
14 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Bad Deutsch Altenburg unfoliiert, IKG Wien interne
Notiz Technische Abteilung an Präsidium Feldsberg
betreffend Massengrab in Bad Deutsch Altenburg 18. 11.
1969
15 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Bad Deutsch Altenburg unfoliiert, IKG Wien interne
Notiz Technische Abteilung an Präsidium Feldsberg
betreffend Massengrab in Bad Deutsch Altenburg 18. 11.
1969
16 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, technische Abteilung an Amtsdirektion Begehungsbericht
18. 11. 69
17 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Liste Massengräber
Niederösterreich undatiert
18 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert Bundesministerium für Innere Angelegenheiten
Hacker an "Gemeinde" Blaha betreffend Exhumierungen
Gunskirchen nach Mauthausen 1.8.78
19 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, Mappe Mahnmal Mauthausen- Gunskirchen unfoliiert,
IKG Wien Technische Abteilung Blaha an Bundesministerium
für Innere Angelegenheiten Hofrat Hacker Textentwurf
1980
20 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Massengrab Hofamt Priel nfoliiert, Rede Präsident
Feldsberg anläßlich der Wiederbestattung
der exhumierten Opfer aus Hofamt Priel auf dem neuen
jüdischen Friedhof St. Pölten ohne Titel nicht
gezeichnet undatiert
21 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Massengrab eigener Friedhof Felixdorf unfoliiert,
IKG Wien Präsidium Feldsberg an David Doman 4.
11. 1966
22 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Massengrab eigener Friedhof Felixdorf unfoliiert,
IKG Wien Präsidium Feldsberg an Maria Ganys 8.
3. 1965
23 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Konvolut Oberösterreich,
IKG Linz an den Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden
Österreichs betreffend Umbettung aller jüdischen
KZ-Opfer auf jüdische Friedhöfe 18. 12. 1964.
Details zu den Grabstätten sind in dem Kompendium
Oberösterreichische Gedenkstätten für
KZ-Opfer. Redigiert von Siegfried Haider und Gerhart
Marckhgott. Linz 2001nachzuschlagen.
24 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Sauerbrunn unfoliiert, IKG Wien Präsidium
Feldsberg an Rabbinat 25. 7. 1955
25 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Enterdigungen Wiederbeerdigung unfoliiert, IKG
Wien interne Notiz Feldsberg an Friedhofsamt 18. 3.
1958
26 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe Sauerbrunn unfoliiert, IKG Wien Präsidium
Feldsberg Aktennotiz 9. 4. 1964
27 Quelle: Szabolcs Szita: Verschleppt Verhungert Vernichtet.
Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet
des annektierten Österreich 1944-1945. Wien 1999,
S. 208, S. 214
28 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, Nikolaus Latzer, Güssing an IKG Wien
16. 7. 1982
29 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, Nikolaus Latzer, Güssing an IKG Wien
16. 7. 1982
30 Quelle: Szabolcs Szita: Verschleppt Verhungert Vernichtet.
Die Deportation von ungarischen Juden auf das Gebiet
des annektierten Österreich 1944-1945. Wien 1999,
S. 208
31 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, IKG Wien an burgenländische Landesregierung
22. 1. 1986
32 Quelle: IKG Wien technische Abteilung Ordner Massengräber
unfoliiert, burgenländische Landesregierung an
Bundesministerium für Innere Angelegenheiten 29.
8. 1986
33 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Konvolut Burgenland,
IKG Wien Protokoll Max Zafir 29. 7. 1964
34 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Konvolut Burgenland,
IKG Wien Präsidium an Ignatz Ch. Grünfeld
13. 3. 1986
35 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Konvolut Burgenland,
Agudas Israel und Poale Agudas Israel in Wien an IKG
Wien Präsidium 5. 3. 1968
36 Quelle: IKG Wien, B 19 AD XXVII, c, d Feldsberg-Akte,
Mappe KZ-Friedhöfe unfoliiert, Konvolut Burgenland,
IKG Wien Protokoll Max Zafir 29. 7. 1964
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