Die jüdischen Familien in Rust:
Chronik der Freistadt Rust 1850 -1950
Heribert ARTINGER
Zum Zeitpunkt des Anschlusses Österreichs
an das Deutsche Reich im Jahre 1938 sind in Rust noch
drei jüdische Familien wohnhaft, und zwar die Familie
Arnold und Johanna Hacker, Moritz und Charlotte Löwy,
sowie Alfred und Helene Weiss.
Der Ruster Stadtphysikus Dr. Leopold Stein ist kurz
nach seiner Pensionierung im Jahre 1936 mit seiner Frau
von Rust nach Wien weggezogen. Die Familie des Moritz
Neumann ist bereits zur Jahrhundertwende nach Wien übersiedelt,
von wo einige Familienmitglieder in den 20er Jahren
nach Palästina ausgewandert sind, so auch der Sohn
David Ignatz Neumann. Das Zusammenleben der wenigen
jüdischen Familien mit den übrigen Ruster
Familien dürfte bis zum Auftreten des Nationalsozialismus
problemfrei gewesen sein. Aus den Ratsakten der Stadt
ist zu entnehmen, dass z.B. Salamon Werndorfer, Moritz
Neumann, Adolf Löwy und Samuel Hacker im 19. Jahrhundert
(1872 bis 1899) auch Stadtvertreter (Gemeinderäte)
waren. Zeitweise gehörten sie als "Virilisten"
zu den 24 Höchstbesteuerten der Stadt, welchen
kraft Gesetz und daher ohne gewählt werden zu müssen,
ein Sitz in der "Gemeinderepräsentanz"
zukam.
Salamon Werndorfer wird als "Handelsmann"
geführt. Er beschafft z.B. im Jahre 1867 für
die Bediensteten der Stadt die Uniformstoffe, Schnüre
und Knöpfe. Moises Löwy führt bis 1872
eine "Gemischte Warenhandlung", welche dann
von seinem Sohn Adolf Löwy weitergeführt wird.
Mitglieder der Familien Neumann und Werndorfer zählten
im vorigen Jahrhundert auch zu den Gründungsmitgliedern
des Ersten Ruster Männergesangvereines, der Freiwilligen
Feuerwehr und der Ruster Seebad-Aktiengesellschaft.
Die Familie des Arnold Hacker
Arnold Hacker ist am 14. Juni 1882 in Rust geboren.
Mit seiner Frau Johanna Hacker geb. Schiller, geb. am
23. August 1889 bewohnt er in Rust das Haus Rathausplatz
6.
Der Vater von Arnold Hacker heißt Samuel Hacker.
Er war Mitglied der Ruster Gemeinderepräsentanz
im Jahre 1895 und ist in Rust am 6. November 1925 im
Alter von 83 Jahren gestorben. Die Mutter von Arnold
Hacker heißt Anna Hacker, geb. Werndorfer. Die
Schwester von Arnold Hacker heißt Gisela Koppel,
geb. Hacker und ist am 3. März 1881 in Rust geboren.
Arnold Hacker ist von Beruf Kaufmann und Weinbauer und
hat seine Gemischtwarenhandlung in Rust, Rathausplatz
6. Bereits am 27. April 1938 richtet der Ortsgruppenleiter
der NSDAP-Rust, der Apotheker Mr. Franz Mischkonigg
ein Schreiben an die Kreisleitung der NSDAP in Eisenstadt,
wo er als kommissarischen Leiter für die Gemischtwarenhandlung
des Arnold Hacker den Vg. Ludwig K. aus Rust vorschlägt.
Ludwig K. war nicht Mitglied der NSDAP, daher musste
der Vorschlag, einen Volksgenossen, der zwar ein "berufmässig
ausgebildeter Fachmann" war zum kommissarischen
Leiter zu bestellen, begründet werden. Mr. Mischkonigg
schreibt: "Ludwig K. hat immer mit besonderer Sympathie
gegenüber der N. S. D. A. P. gestanden, hat auch
an der letzten Winterhilfeaktion der Partei aktiv teilgenommen
und dafür eine Polizeistrafe von 14 Tagen bekommen".
Am 3. Juli 1939 richtet Arnold Hacker - nun bereits
in Wien - ein Schreiben an das Bürgermeisteramt
in Rust mit der Bitte, ihm eine Bestätigung darüber
zu schicken, dass für ihn und für seine Frau
die Bürgersteuer bezahlt ist, da bisher der kommissarische
Verwalter des Geschäftes Ludwig Karner sämtliche
Steuern für ihn und seine Frau bezahlt hat. Er
benötigt diese Bestätigung sehr dringend,
weil er von der Behörde dazu aufgefordert wurde.
Er unterzeichnet mit Arnold Israel Hacker und gibt seine
Adresse an: Wien I., Franz-Josefskai 45, II. Stiege,
Tür 15.
Am 10. Februar 1942 fragt Bürgermeister Julius
Klug sen. als Treuhänder des jüdischen Vermögens
in Rust beim Polizeipräsidenten von Wien (Zentralmeldeamt)
an, ob Arnold Hacker in Wien gemeldet ist. Am 16. Februar
1942 erhält er die Antwort, dass Arnold Hacker
mit seiner Frau am 28. März 1939 von Rust nach
Wien, Franz Josefskai 45 verzogen ist und sich von dort
am 29. November 1939 nach Paraguay, Südamerika
abgemeldet hat.
Arnold und Johanna Hacker sind jedoch nie in Südamerika
angekommen1. Ende November 1939 haben sie Wien in Richtung
Pressburg mit einem illegalen Transport auf der Donau
verlassen. Sie wollten auf der Donau und später
über das Meer Palästina erreichen. Beim kleinen
Donauhafen Kladovo am Eisernen Tor an der Grenze zu
Rumänien wurde jedoch der Transport gestoppt. Alle
Bemühungen den Transport weiterzuleiten scheiterten,
sodass die Gruppe der Flüchtlinge die Schiffe verließ
und für einige Monate an Land gingen.
Anfang März 1941 konnten noch etwa 200 Jugendliche
von der britischen Mandatsregierung Zertifikate für
die Einreise nach Palästina bekommen und erreichten
auch tatsächlich das ersehnte Land.
Als im April 1941 die Deutsche Wehrmacht in Jugoslawien
einmarschierte, stand das Schicksal dieser jüdischen
"Kladovo-Gruppe"2, nämlich deren Vernichtung
fest. Die verbliebenen mehr als 1100 Flüchtlinge
wurden in ein Lager in der serbischen Stadt Sabac gebracht.
Einer Handvoll von Flüchtlingen war es gelungen
dem Lager zu entkommen und so den Krieg zu überleben.
Die Verbliebenen aber wurden ermordet. Die Männer
des Lagers wurden Anfang Oktober 1941 nach einem Partisanenüberfall
auf die Deutsche Wehrmacht mit 21 Gefallenen zur "Sühne"
als Geiseln erschossen. Die verbliebenen Frauen und
Kinder kamen in das KZ Sajmiste bei Belgrad, wo sie
von März bis Mai 1942 in LKWs auf der Fahrt durch
Belgrad vergast und in Avala bei Belgrad in Gruben geworfen
und verscharrt wurden. Arnold und Johanna Hacker befinden
sich mit der Angabe ihrer Geburtsdaten auf der Totenliste
des Lagers, welche 1945 angefertigt worden ist.
Die Familie des Moritz Löwy
Moritz Löwy ist am 15. Juni 1873 in Rust geboren.
Er wohnt mit seiner Frau Charlotte Löwy, geborene
Maier, geboren am 6. März 1875 in Zöbern,
in Rust Conradplatz 19.
Bei seiner Hochzeit am 27. Juni 1911 schreibt die Zeitung
"Der Westungarische Volksfreund"3: "Herr
Moritz Löwy, ein angesehener hiesiger Kaufmann,
wird sich am 27. d. M. mit dem liebenswürdigen
Fräulein Charlotte Maier, Tochter des Herrn Lazar
Maier in Zöbern, in Savanyukut (Sauerbrunn) vermählen.
Das Hochzeitsmahl findet im Restaurant Zollner4 statt.
Herzlichen Glückwunsch."
Der Vater von Moritz Löwy heißt Adolf Löwy.
Er ist 73 jährig am 24. Oktober 1914 in Rust verstorben.
Die Mutter von Moritz Löwy heißt Cäcilie
Löwy, geb. Feigl. Sie ist am 14. September 1932
in Rust verstorben. Moritz Löwy ist Kaufmann und
hat sein Geschäft in der Kirchengasse 1, wo später
die Konsumgenossenschaft ihr Geschäft bis zum Tausch
des Gebäudes mit dem Kinogebäude des Ersten
Ruster Männergesangvereins betreibt.
Bereits am 27. April 1938 richtet der Ortsgruppenleiter
der NSDAP-Rust, Mr. Franz Mischkonigg ein Schreiben
an die Kreisleitung der NSDAP in Eisenstadt, wo er als
kommissarischen Leiter für die Gemischtwarenhandlung
Moritz Löwy den Pg. Josef Wenzel aus Rust vorschlägt.
Josef Wenzel ist tatsächlich als kommissarischer
Leiter bestellt worden, denn am 3. August 1938 teilt
Bürgermeister Julius Klug dem Rechtsanwalt Dr.
Johann Dostal in Wien auf dessen Anfrage hin mit, "dass
der Betrieb der Firma Moritz Löwy unter kommissarischer
Leitung steht. kommissarischer Leiter ist Sepp Wenzel
Rust, Conradplatz 19".
Am 8. August 1938 werden Moritz und Charlotte Löwy
ausgebürgert und beide verlieren damit die deutsche
Staatsangehörigkeit. Der Bescheid wird von der
Bezirkshauptmannschaft Mattersburg in Eisenstadt auf
einem hektographierten Vordruck, bei welchem nur die
Namen und die Geburtsdaten mit Schreibmaschine eingefügt
worden, erlassen und ist vom Bezirkshauptmann Rapp unterfertigt.
Der Bescheid lautet:
"Der Jude Moritz Löwy geboren am 15.6.1873
in Rust, dessen Gattin Charlotte Löwy, geboren
am 6.3.1875 in Zöbern, beide in Rust, Niederdonau
zuständig, zuletzt in Rust wohnhaft gewesen haben
sich nach behördlichen Feststellungen im Inlande
volksschädlich verhalten und in der Folge in das
Ausland begeben, um dem deutschen Reiche feindliche
Handlungen zu unterstützen. Hiedurch ist auf Grund
des § 4 der Vdg. über die deutsche Staatsangehörigkeit
im Lande Osterreich vom 3.7.1938 Gesetz für das
Land Osterreich Nr. 236 in Verbindung mit dem Bundesgesetz
vom 30.7.1925, BGBI. Nr. 285, in der Fassung der Vdg.
vom 16.8.1933, BGBI. Nr. 369 der Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit der Genannten eingetreten".
Als Rechtsmittelbelehrung wird angeführt, dass
gegen diesen Bescheid zwar binnen 2 Wochen Berufung
eingelegt werden könne, jedoch kommt einer solchen
Berufung " gemäss § 26 Absatz 2 des vorangeführten
Gesetzes eine aufschiebende Wirkung nicht zu. "
Der Bescheid ergeht nun an: "1.) das Gemeindeamt
in Rust mit der Einladung, nach Eintritt der Rechtskraft
dieses Bescheides, die Streichung in der Heimatrolle
durchzuführen. 2.) die Gehm. Staatspolizei-Staatspolizeistelle-Eisenstadt
zu Zl. 2395 1I B 3 E11938, 3.) die burgenländische
Landeshauptmannschaft in Eisenstadt, Abt. IA. Zusatz
zu 1.) bis 3.) Im Falle eines Einspruches wird hierüber
Verständigung folgen".
Moritz Löwy und seine Frau Charlotte dürften
zu dieser Zeit nicht mehr in Rust anwesend gewesen sein,
denn auf Grund einer Anfrage der Eisenstädter Bank
A.G. vom 3. März 1942 teilt Bürgermeister
Julius Klug sen. dieser am 13. März 1942 mit: "Löwy
ist im Monate Juli5 1938 von Rust angeblich nach Wien
abgereist. Nach kurzem Aufenthalt ist er nach Luxemburg
übersiedelt, wo er sich noch immer aufhalten soll."
Die Familie des Alfred Weiss
Alfred Weiss
Alfred Weiss ist am 4. April 1893 in Rust geboren.
Er ist zuerst Kaufmann und später dann Hilfsarbeiter.
Er bewohnt mit seiner Frau Helene Weiss, geborene Holzer,
1903 in Drassmarkt geboren, von Beruf Hausfrau das Haus
in Rust, Franz Josefsplatz 12. Der Sohn, Kurt Weiss,
Jg. 1932, geboren in Sopron, ist noch Schüler.
Der Vater von Alfred Weiss, Hermann Weiss,
Jg. 1855, geboren in Senitz, lebt ebenfalls im Haushalt
seines Sohnes in Rust. Die Mutter von Alfred Weiss,
Amalia Weiss, geborene Wärndorfer, geboren am 4.
Oktober 1856 ist am 21. Mai 1930 im Alter von 73 Jahren
verstorben und ist auf dem konfessionellen Friedhof
in Eisenstadt-Unterberg beerdigt worden. Zum Haushalt
von Alfred Weiss gehören noch dessen Schwestern,
Josefine Weiss, Jg. 1885, geboren in Rust und Charlotte
Weiss, Jg. 1882, geboren in Rust, beide vom Beruf Haushalt.
Sie besitzen jedoch gemeinsam einen Gewerbeschein für
das Kommissions- und Agenturgeschäft.
Bei der am 10. Oktober 1939 erfolgten Personenstands-
und Betriebsaufnahme sind auf Grund der Angaben in dieser
Statistik noch alle Angehörigen der Familie Weiss
in Rust anwesend.
Die Familie des Alfred Weiss muss
Rust
binnen 3 Wochen verlassen (6. Mai 1940)
Im Jahre 1940 ist von allen jüdischen Familien
in Rust nur noch die Familie des Alfred Weiss in Rust
wohnhaft. Am 15. April 1940 erhält der Bürgermeister
der Freistadt Rust von der Zentralstelle für die
jüdische Auswanderung in Wien IV, Prinz Eugenstraße
22, unterfertigt von Alois Brunner6, der rechten Hand
Adolf Eichmanns, den Auftrag zur Umsiedlung der Familie
Weiss nach Wien:
,,An den Bürgermeister der Freistadt Rust N.D.
Betrifft: Judenumsiedlung nach Wien, Den noch in Rust
wohnhaften, nachstehend angeführten Juden ist aus
sicherheitspolizeilichen Gründen durch die Ortspolizeibehörde
der Auftrag zu erteilen, dass sie bis spätestens
6. Mai 1940 nach Wien zu übersiedeln haben. Die
Einordnung erfolgt durch die israelitische Kultusgemeinde
Wien. Die Juden haben sich nach ihrem Eintreffen in
Wien am 7.5.1940 in der Zentralstelle für jüdische
Auswanderung, Wien IV., Prinz Eugenstraße 22,
zu melden, Weiss Hermann, geb. 1856. Weiss Charlotte,
geb. 1886. Weiss Josefine, geb. 1890. Weiss Alfred,
geb. 1894. Weiss Helene, geb. 1904. Weiss Kurt, geb.
1933. Der Leiter der Zentralstelle für jüdische
Auswanderung: Im Auftrage: Brunner".
Bürgermeister Julius Klug sen. versucht noch einen
Aufschub für die Abreise der Familie Weiss nach
Wien zu erreichen und schreibt am 26. April 1938 an
die Zentralstelle für die jüdische Auswanderung
nach Wien. "An die Zentralstelle für jüd.
Auswanderung in Wien IV., Prinz Eugenstrasse 22. Der
noch in Rust wohnhaften Juden-Familie Hermann Weiss
habe ich am 22. April 1940 aus sicherheitspolizeilichen
Gründen den Auftrag erteilt, dass sie bis spätestens
6. Mai 1940 nach Wien zu übersiedeln haben. Die
Familie Weiss hat nun mich ersucht, ihr die Bewilligung
zu erteilen, dass sie bis zum Abgang des nächsten
zweiten Transportes der Rothgasse im Juli in Rust bleibt.
Im Einvernehmen mit dem hiesigen Ortsgruppenleiter Herrn
Mr. Franz Mischkonigg ersuche ich um Weisung, ob ich
dieser Bitte der Familie stattgeben kann und berichte,
dass gegen die Mitglieder dieser Familie spezielle Klagen
nicht vorhanden sind. Wenn grundsätzliche Hindernisse
nicht vorhanden sind, könnte man die ungefähr
2 Monate Verlängerung des Aufenthaltes der obgenannten
Familie in Rust bewilligen. Der Ortsgruppenleiter hat
sich in dieser Sache an den Kreisleiter der NSDAP in
Eisenstadt gewendet".
Die Bitte um Aufschub ist aber vergebens, denn die Familie
Weiss muss am 6. Mai 1940 nach Wien übersiedeln.
Darüber schreibt die "Grenzmarkzeitung"
unter dem Titel ,Judenumsiedlung" am 25. Mai 1940:
"Am 6. d. M. übersiedelte die Judenfamilie
Alfred Israel Weiß nach Wien. Mithin ist Rust
seit 6. d. M. endlich ohne Juden",
Die Familie des Alfred Weiss muss von Wien aus nach
Polen übersiedelt worden sein, denn der städtische
Wirtschafter Alexander Schreiner - in seiner Funktion
als Stadtfeuerwehrkommandant auch ein Freund und Vertrauter
von Alfred Weiss - hat mit diesem nach seinem Weggang
von Rust noch Kontakt in Polen gehabt und ihm sogar
ein Paket gesendet7. Auch Ladislaus Wenzel hat ihm auf
sein Schreiben, dass er fürchterlich Hunger leidet
ein Paket mit Bohnen nach Polen gesendet, jedoch blieb
jede Antwort aus.8 Dann verliert sich jede Spur. Nach
dem Kriege hat sich ein Verwandter von Alfred Weiss
aus Israel noch brieflich bei Alexander Schreiner bedankt.
Die Familie des Arztes Dr. Leopold
Stein
Dr. Leopold Stein ist am 19. Jänner 1878 in Györ,
Ungarn geboren. Er ist seit 1. Oktober 1913 Stadtarzt
in Rust und als Stadtphysikus9 auch Beamter der Stadt.
Er ist seit 7. April 1920 mit Emilie Stein verheiratet.
Auf Grund eines amtsärztlichen Zeugnisses, wonach
er an einer hochgradigen Neurasthenie und allgemeiner
Körperschwäche leidet, sucht er am 15. September
1936 um die Versetzung in den dauernden Ruhestand an.
Er wird von Regierungskommissär Moritz Ratz mit
Wirksamkeit 1. Oktober 1936 pensioniert und zieht nach
Wien IV, Schelleingasse 39, wo er am 1. Jänner
1939 verstirbt10. Bei seiner Pensionierung bezieht er
nach Kürzung auf Grund des Budgetsanierungsgesetzes
1931 und auf Grund des Beschlusses des Regierungskommissärs
der Freistadt Rust vom 4. Mai 1936 einen jährlichen
Ruhegenuß von S 4.334,92. Zuletzt bezieht er eine
Pension von monatlich 260,- RM.
Die Familie des Moritz Neumann
Eine alteingesessene jüdische Ruster Familie war
die des Moritz Neumann. Sie verläßt aber
bereits um die Jahrhundertwende Rust und zieht nach
Wien. Die Familie wohnt in Rust im Hause Weinberggasse
1.11 Moritz Neumann ist nicht nur ein Mitbegründer
der "Ruszter Seebad-Actiengesellschaft" sondern
auch Mitglied der Gemeinderepräsentanz in den Jahren
von 1895 bis 1901.
Ein Sohn dieser Familie, David Ignatz Neumann ist am
25. Mai 1894 in Rust geboren und dient im 1. Weltkrieg
von 1914 bis 1918 im 76er Infanterieregiment, 1. Bataillon
Ödenburg der k.k. Armee. Er wandert bereits 1927
als Messerschmied nach Palästina aus.
Zwei weitere Söhne der Familie Neumann, Julius
Neumann und Josef Neumann sind ebenfalls Soldaten der
k.k. Armee im 1. Weltkrieg.
David Ignatz Neumann ist ein begnadeter Lyriker deutscher
Sprache, dessen Manuskripte heute im Schiller-Nationalmuseum
in Marbach in Deutschland (Deutsches Literaturarchiv,
Handschriftenabteilung) aufbewahrt werden.
Im Mai 1988 kommt David Ignatz Neumann als 94jähriger
in seine Geburtsstadt Rust zurück, um hier seinen
in der Edition Rötzer erschienenen Gedichtband
"Ein Leben, ein Werk" vorzustellen. Am Vorabend
seines Geburtstages, am 24. Mai 1988 wird zu Ehren von
David Ignatz Neumann ein festlicher Abend durch die
Freistadt Rust veranstaltet, bei der er eine Ansprache
hält, welche er mit seinem Gedicht "Komakuku",
nach einer Erzählung von Felix Salten, in welcher
dieser den Traum eines Bauernknaben von der Insel der
Seligen beschreibt, schließt. Zum Abschluss sagt
David Ignatz Neumann:
"Wer von Ihnen, meine verehrten Anwesenden, hat
nicht von Komakuku geträumt? Der Insel ohne Neid,
der Insel der Fröhlichkeit, der Liebe, der Freude
am Sein. Vielleicht habe ich in dieser Minute, einen
kurzen Augenblick nur, Komakuku erreicht. Ich danke
Ihnen dafür",
David Neumann ist noch kurze Zeit in Rust geblieben,
um nach dem Namen seines im 1. Weltkrieg gefallenen
Bruders Josef Neumann zu suchen. Am Kriegerdenkmal in
Rust findet er den Namen seines Bruders im Kreise seiner
gefallenen Kameraden. David Ignatz Neumann hält
noch einige Jahre brieflich und telefonisch Kontakt
mit dem Bürgermeister von Rust, Dipl. Ing. Heribert
Artinger. Am 1. November 1992 ist er im 99. Lebensjahr
in einem Altersheim bei Tel Aviv verstorben.
Plünderungen in den
jüdischen Geschäften
Nach dem Umbruch werden viele Geschäfte der Juden
vom nationalsozialistischen Pöbel geplündert.
Auch in Rust werden die Geschäfte der jüdischen
Familien von Nationalsozialisten geplündert12.
Aber der größte Teil der Ruster Bevölkerung
beteiligt sich nicht an diesen Plünderungen. In
Rust wird darüber hinaus das Geschäft von
Moritz Löwy von bewaffneten Angehörigen der
SA bewacht.
Rudolf W., Landarbeiter und Mitglied der SA und nicht
von besonderer Körpergröße trägt
einen Karabiner, der ihm bis zu den Fersen reicht und
der beim Gehen immer am Boden aufschlägt, was man
beim Patroullieren auch gehört haben soll. Er soll
nach Angabe von Zeitzeugen zu Moritz Löwy während
seines Wachganges im breiten Ruster Dialekt gesagt haben:
"Murritz, jetzt san mir die Heen!" (Moritz,
jetzt sind wir die Herren).
Auch Ludwig K., ebenfalls Mitglied der SA, war zur Bewachung
des Geschäftes von Moritz Löwy eingeteilt.
Moritz Löwy soll beim Spalt des Fensterladens hinausgesehen
und zu Ludwig G., der im selben Hause wohnte, gesagt
haben: "Was bewacht denn der K, vielleicht die
Wechsel seines Vaters?" Dazu muss angeführt
werden, dass dem Vater von K. die Pferde, mit denen
er auch fuhrwerkte, vor Jahren eingegangen waren, so
dass er sich ein neues Paar anschaffen musste, wofür
er sich das Geld von Moritz Löwy ausgeborgt und
mit Wechsel besichert hatte.
Wie überall haben auch in den burgenländischen
Gemeinden Plünderungen von jüdischen Geschäften
stattgefunden, denn am 21. September 1938 richtet die
Geheime Staatspolizei Grenzpolizeikommissariat B. Nr.
8303 in Eisenstadt ein Schreiben an alle Bezirkshauptmannschaften,
an die Magistrate Eisenstadt und Rust und an die Grenzpolizeiposten
in Rechnitz und Bruckneudorf mit dem Ersuchen "durch
Umfrage festzustellen in welchem Umfange im Burgenland
Schuhe resp. Schuhlager durch amtliche Organe oder Parteiformationen
beschlagnahmt wurden, mit genauer Angabe der Zahl, des
Wertes und des Juden, bei dem die Beschlagnahme durchgeführt
worden war".
Der Bürgermeister von Rust teilt am 3. Oktober
1938 an das Grenzpolizeikommissariat der Geheimen Staatspolizei
in Eisenstadt mit, "dass in Rust keine Schuhe in
jüdischen Geschäften beschlagnahmt wurden".
Der ehemalige Stadtphysikus Dr. Leopold
Stein soll Schadenersatz leisten
Stadtphysikus Dr. Leopold Stein ist mit 1. Oktober
1936 in den dauernden Ruhestand versetzt worden. Als
Beamter der Freistadt Rust erhält er eine monatliche
Pension in der Höhe von 361,20 Schilling.
Noch in seiner Aktivzeit war im Jahre 1934 dem Stadtphysikus
Dr. Stein vom seinerzeitigen Regierungskommissär
Karl Pomper, auf Grund der katastrophalen Finanzlage
der Stadt im Sinne des damaligen Gemeindesanitätsgesetzes
das monatliche Gehalt auf 105,- Schilling herabgesetzt
worden. Nachdem dies gesetzlich nicht gedeckt gewesen
sein dürfte, kam es zu einem langen Rechtsstreit
zwischen Dr. Stein und der Freistadt Rust, welcher unter
dem nachfolgenden Regierungs-kommissär Moritz Ratz
durch einem Vergleich beendet wurde, nach welchem Dr.
Stein in 36 Monatsraten eine Nachzahlung im Betrage
von 8.865, 36 Schilling erhalten sollte.
Bis zum Jahre 1938 war bereits ein Betrag von 5.417,72
nachgezahlt worden, sodass zum Zeitpunkt des Umbruches
im März 1938 noch ein Rückstand an Nachzahlung
im Betrage von 3.447,64 Schilling offen war.
Die neue nationalsozialistische Führung in Rust
hat nun kurzerhand die für April 1938 fällig
gewesene Pension für Dr. Stein nicht mehr angewiesen
und darüber hinaus mit Eingabe vom 25. April 1938
an die Burgenländische Landeshauptmannschaft einen
Antrag auf Schadenersatz durch Dr. Stein in der Höhe
von 13.325,31 Schilling gestellt, weil Dr. Stein in
den Jahren 1930, 1931, 1932, 1933 u. 1934 "in schädigender
Absicht durch Abtransportieren kranker Kinder in die
Spitäler Wr. Neustadt und Eisenstadt der Stadtgemeinde
Unkosten von 3.528, 69 S und Verpflegskosten von 4.3
78,90 S verursachte".
Dem Dr. Stein sollte daher der Vorschlag unterbreitet
werden, dass er sich mit einer Pension in der Höhe,
wie sie Gemeindeärzten gesetzlich gewährt
werden, einverstanden erklärt, dass weiters die
rückständige Nachzahlung eingestellt wird,
dass aber darüber hinaus die Stadtgemeinde den
Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe von 13.325,31
Schilling erhebt.
In der Gemeinderatssitzung am 10. Juni 1938 gibt Bürgermeister
Julius Klug sen. bekannt, dass Dr. Stein von seiner
ihm zustehenden Pension nur den Teilbetrag von 133,33
Reichsmark erhält, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen
die Auszahlung der vollen Pension vorsehen, "doch
wird sich Dr. Stein mit Rücksicht auf die für
ihn ungünstige Situation mit einer Kürzung
seiner Pension einverstanden erklären".
Er hat darüber hinaus an die Landeshauptmannschaft
den Antrag gestellt, dass die Pensionslasten der Stadtgemeinde
Rust, also auch die des Dr. Stein zu Lasten des Reiches
übernommen werden sollen. "Allerdings wird
der Magistrat alles unternehmen, die Angelegenheit Dr.
Steins zu einer auch für die Gemeinde günstigen
Lösung zuführen", denn "abgesehen
von der jüdischen Abstammung Dr. Steins ist
es auch sachlich begründet, seine Pension zu kürzen,
da er kein vollbeschäftigter Angestellter war,
sondern die Arztpraxis frei ausgeübt hat".
Darüber hinaus habe er von den Krankenkassen und
aus seiner Privatpraxis viel höhere Einnahmen erzielt,
als von seinem Gehalt als Stadtphysikus.
Dieses Verlangen war aber selbst dem nationalsozialistischen
Landeshauptmann Dr. Portschy zuviel, denn mit Schreiben
vom 11. Juni 1938 macht er die Freistadt Rust aufmerksam,
dass sie in einem allfälligen Prozess gegen Dr.
Stein über den geforderten Schadenersatz für
die angeblich ohne ausreichenden Grund erfolgten Spitalseinweisungen
erkrankter Kinder nach Wr. Neustadt und Eisenstadt nicht
obsiegen könne, weil im Gesetz keine "Syndikatshaftung"
für Beamte vorgesehen sei. Für bewusst unbegründete
Spitalseinweisungen wäre Dr. Stein disziplinär
verantwortlich zu machen, wobei im positiven Falle als
Disziplinarstrafe auch eine Kürzung des Ruhegenusses
eintreten könnte.
Am 6. Juli 1938 richtet nun Dr. Stein ein Gesuch an
den Magistrat der Freistadt Rust und ersucht, dieses
der Burgenländischen Landeshauptmannschaft vorzulegen13.
In diesem Gesuch berichtet Dr. Stein an die Burgenländische
Landeshauptmannschaft, dass ihm die Freistadt Rust anstelle
seiner monatlichen Pension von brutto 273,66 Reichsmark
nur den Teilbetrag von monatlich netto 133,33 Reichsmark
flüssig macht mit der Begründung, dass um
die "Vergemeindung von Rust und um die Übernahme
der Pensionisten bei der Landeshauptmannschaft angesucht
worden wäre und bis zu einer Erledigung vorläufig
diese Teilauszahlung erfolgen soll".
Am 18. August 1938 unterbreitet nun Bürgermeister
Julius Klug in einem Schreiben an Dr. Stein nach Wien
folgenden Vorschlag:
"Nach durchgeführten Verhandlungen und sorgfältiger
Prüfung Ihrer Pensionsangelegenheit macht Ihnen
die neue Leitung der Freistadt Rust den folgenden Vorschlag:
Die Stadtgemeinde Rust ist bereit, Ihnen eine monatliche
verkürzte Pension von S 300,- d.s. RM 200,- zu
zahlen, wenn Sie auf den Mehrbetrag und besonders auf
die Nachzahlung verzichten. Dieser Vorschlag findet
seine Begründung in der derzeitigen Situation,
in den schweren finanziellen Verhältnissen der
Stadtgemeinde Rust und nicht zuletzt in dem Umstande,
dass Sie kein vollbeschäftigter Beamter waren".
Dr. Stein antwortet nun am 28. August 1938 mit folgendem
Schreiben:
"Da in der an mich ergangenen Zuschrift Zl. 78116-1938
ausdrücklich betont wurde, dass der Grund für
die Herabsetzung meiner Pensionsbezüge in den derzeit
ungünstigen Stadtfinanzen zu suchen ist und mir
als langjährigem Beamten der Stadt Rust ihr Wohl
und Wehe und Gedeihen nach wie vor am Herzen liegt,
teile ich Ihnen mit, dass ich bereit bin, mich mit einer
Kürzung einverstanden zu erklären. Ich muss
Sie jedoch dringend bitten, das ausgewiesene Ausmaß
ein wenig erhöhen zu wollen, da ich auf den mir
zufliessenden Ruhegenuss (ich bitte, mein Alter und
meine und meiner Frau Krankheit zu bedenken) angewiesen
bin und Sie mich mit Ihrem Vorschlage schlechter stellten,
als wenn ich nur als Gemeinde- oder Kreisarzt im bgld.
Sanitätsdienst gestanden wäre, wie auch meine
höhere fachliche Vorbildung, die Mehrleistungen
des amtsärztlichen Dienstes, sowie die Führung
des Sozialver-sicherungsreferates gänzlich unberücksichtigt
geblieben sind. Ich bin daher sicher, dass die Leitung
der Stadtgemeinde sich dieser, meiner berechtigten Bitte
nicht verschließen wird und hoffe, dass Sie meinen
Ruhegenuss ab 1. April 1938 mit einem etwas höheren,
als den genannten Betrag von monatl. RM 200,- zur Auszahlung
bringen werden, wobei ich Ihnen dessen Festsetzung überlasse.
Sollte jedoch, wie ich aus unserer Korrespondenz entnahm,
zur Entlastung der Stadt die Auszahlung meiner Pension
vom Reiche übernommen werden, dann muss ich schon
heute festlegen, dass in diesem Falle meine normalen,
mir gesetzlich gebührenden Pensionsbezüge
wieder zur Auszahlung gelangen müssten, da ich
- wie ich nochmals hervorheben möchte - mit einer
Kürzung nur mit Rücksicht auf die derzeitige
ungünstige Finanzlage der Stadt Rust mich bis auf
weiteres einverstanden erkläre.
Über die aushaftenden Gehaltsnachträge könnte
zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden,
da anzunehmen ist, dass bei dem zu erwartenden allgemeinen
wirtschaftlichen Aufschwung auch die Finanzen der Stadt
Rust bald sich bessern werden und somit ein Verzicht
meinerseits auf die Nachtragszahlung nicht erforderlich
sein wird".
Am 6. Oktober 1938 richtet nun wieder Bürgermeister
Julius Klug ein Schreiben an Dr. Stein folgenden Inhaltes:
"In Beantwortung Ihrer Zuschrift vom 25. August
1938 wird mitgeteilt, dass die derzeitige Vorstehung
der Freistadt Rust nicht in der Lage ist, Ihnen über
den am 18.8.1938 bezüglich Ihrer Pension gemachten
Vorschlag weitere Zugeständnisse zu machen und
ist nur dann bereit die verkürzte Pension vom RM
200.- flüssig zu machen, wenn Sie auf den Mehrbetrag
und auf die Nachzahlung ausdrücklich verzichten.
Sollte jedoch zur Entlastung der Stadt die Auszahlung
Ihrer Pension vom Reiche, vom Burgenland oder dessen
Rechtsnachfolger übernommen werden, gebühren
Ihnen wieder die bisherige, gesetzlichen Pensionsbezüge.
Wir müssen noch, um ein klares Sachverhalt zu schaffen,
die Feststellung machen, dass die Kürzung sich
nicht allein auf die derzeitige ungünstige Finanzlage
der Stadt stützt, sondern sind dabei vielmehr die
Tatsache, dass Sie kein vollbeschäftigter Beamter
waren (Sie haben die freie Praxis ausgeübt, waren
Krankenkassenarzt und machten Ihre Verdienste von diesen
Beschäftigungen viel mehr aus als Ihr Gehalt war),
und die durch den Umbruch im März entstandene neue
Lage maßgebend. Wir bemerken noch ausdrücklich,
dass der Verzicht gegenüber der Gemeinde bedingungslos
sein müsste und von einer Nachzahlung im Falle
einer späteren günstigeren Finanzlage der
Gemeinde nicht die Rede sein könne".
Dr. Stein führt nochmals Beschwerde, nun bereits
bei der Landeshauptmannschaft Niederdonau. Bürgermeister
Julius Klug sen. wird zu einer Aussprache vorgeladen.
Am 15. Dezember 1938 schreibt nun Bürgermeister
Klug sen. an Dr. Stein: "Zufolge Ihrer Beschwerde
bei der Landeshauptmannschaft Niederdonau wurde ich
zu der Gemeindeabteilung dieser Landeshauptmannschaft
zu einer Aussprache eingeladen. Auf Grund des Ergebnisses
dieser Aussprache mache ich Ihnen den folgenden Antrag:
Die Stadtgemeinde Rust ist bereit Ihnen ab 1.12.1938
eine monatliche Pension von RM 260,- flüssig zu
machen, wenn Sie auf den Mehrbetrag und auf die Nachzahlung
ausdrücklich verzichten".
Am 18. Dezember 1938 nimmt Dr. Stein diesen Vorschlag
an und schreibt an das Stadtgemeindeamt in Rust: "Ich
nehme Ihren Antrag Zl. 78119-1938 vom 15.XII.1938 an,
nach welchem die Stadtgemeinde ab 1. Dezember 1938 mir
einen monatlichen Ruhegenuss von RM 260. -flüssig
macht und verzichte auf den Mehrbetrag und auf die Nachzahlung."
Es folgen nun keine Briefe mehr, denn 14 Tage später
ist Dr. Leopold Stein tot. In der kurzen Mitteilung
des Amtsgerichtes Margarethen, Abt. 2, Wien vom 18.
Jänner 1939 steht: "Das gef. Gericht teilt
mit, dass Dr. Leopold Stein, Arzt, Stadtphysikus der
Stadt Rust, wohnhaft Wien 4., Schelleingasse 39 am 1.1.1939
gestorben ist14. Er bezog von der Stadt Rust als penn.
Stadtphysikus eine monatliche Pension von RM 260,-".
Emilie Stein, die Frau von Dr. Leopold Stein ist in
einem Konzentrationslager in der Nähe von Riga
ums Leben gekommen.
Straßen mit jüdischen
Namen müssen
umbenannt werden
Am 7. September 1938 wird der Magistrat Rust von der
Burgenländischen Landeshauptmannschaft dringend
aufgefordert, dass der Runderlass des Reichsministers
des Innern vom 27. Juli 1938 umgesetzt wird. Der Erlass
lautet:
"(1) Soweit dies noch nicht geschehen ist sind
sämtliche nach Juden (§ 5, Abs. 1 der Ersten
V0, zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935, RGBL
1 S 1333) und jüdischen Mischlingen 1. Grades benannten
Strassen oder Strassenteile unverzüglich umzubenennen.
(2) Bestehen Zweifel darüber, ob jemand als Jude
oder jüdischer Mischling 1. Grades anzusehen ist,
so ist die Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin
NW 7, Schiffbauerdamm 26, um entsprechende Auskunft
zu ersuchen.
(3) Die Straßenschilder mit jüdischen Namen
dürfen nicht, wie dies
sonst bei Straßenumbenennungen üblich ist,
noch längere Zeit neben den neuen belassen werden;
sie sind gleichzeitig mit der Anbringung der neuen zu
entfernen. "
Der Magistrat Rust meldet an die Landeshauptmannschaft,
dass solche Straßenbezeichnungen in Rust nicht
vorhanden sind.
Die "Entjudung" - jüdische
Mitbürger
werden vertrieben
Am 4. Dezember 1938 schreibt die "Grenzmarkzeitung"
unter dem Titel "Entjudung des ehemaligen Burgenlandes":
"Nach der Statistik vom Jahre 1934 wiesen nachstehende
Gemeinden des Burgenlandes eine größere Zahl
von Juden auf und zwar: Nordburgenland: Eisenstadt 204,
Oberberg-Eisenstadt 33, Unterberg Eisenstadt (die eigentliche
Judengemeinde) 225, Eisenstadt daher insgesamt 462;
Mattersburg 511, Sauerbrunn 39, Frauenkirchen 386, Kittsee
62, Deutschkreutz 433, Kobersdorf 172, Lackenbach 346,
Südburgenland: Güssing 74, Oberwart 138, Rechnitz
170.
Im ganzen Burgenland wohnten damals 3.632 Juden. Wenn
man Getaufte und Mischlinge hinzurechnet, so kann die
Zahl auf rund 4.000 aufgerundet werden. Zufolge der
Maßnahmen der deutschen Behörden hat gleich
nach der Angliederung an das Reich eine Abwanderung
der Juden eingesetzt, die nun als abgeschlossen bezeichnet
werden kann. Die Reste der Juden sind in den einzelnen
Bezirken auf 6 bis 8 Personen zusammengeschmolzen, sodass
auf dem Gebiete des ehemaligen Burgenlandes kaum mehr
als 40 Juden anzutreffen sein dürften."
1. Angabe von Frau Gertrude Scholz
und deren Sohn Dr. Anthony Scholz, Cousins von Arnold
Hacker an dem Verfasser im August 2002.
2. Vgl.: Alisa Douer, Kladovo, Eine Flucht nach Palästina,
Mandelbaum Verlag.
3. Zeitung: "Der Westungarische Volksfreund"
vom 25. Juni 1911.
4. Sauerbrunn
5. In einem Schreiben des Bürgermeisters der Freistadt
Rust an den Reichsstatthalter von Niederdonau, Obere
Siedlungsbehörde ist die Abreise von Charlotte
Löwy nach Wien mit Juni 1938 angegeben worden.
6. Alois Brunner, geb. 8.4.1914 in Rohrbrunn, Burgenland,
wurde mit Bescheid der BH Jennersdorf vom 8.7.1936 wegen
illegaler Ausreise nach Deutschland aus Österreich
ausgebürgert, lebte nach dem Kriege in Damaskus,
später vermutlich in Südamerika.
7. Mitteilung der Tochter von Alexander Schreiner, Frau
Berta Heiss, geb. Schreiner am 14. April 2000 an der
Verfasser.
8. Mitteilung von Robert Wenzel am 17. Mai 2002 an den
Verfasser.
9. Heute Amtsarzt.
10. Mitteilung des Amtsgerichtes Margarethen, Abt. 2,
Wien vom 18.1.1939.
11. In diesem schönen eingeschossigen Haus befand
sich das Geschäft der Neumanns. Später kaufte
dieses Haus Karl Wedl, der es dann mit dem Haus seines
Schwagers Stefan Hintersteller in der Eisenstädterstraße
vertauschte. Die Tochter von Hintersteller, Eva Puntigam
erbte dieses Haus und ließ ein Obergeschoß
darauf errichten.
12. Noch nach 1945 konnte man die seinerzeitigen nationalsozialistischen
Plünderer daran erkennen, dass deren Kinder Kleider
und Anzüge trugen, welche aus den in den Judengeschäften
in Rust geplünderten Stoffen genäht waren.
13. Das Gesuch wurde nicht weitergeleitet.
14. In Rust wurde davon gesprochen, dass sich Dr. Stein
das Leben genommen hat.
Der Erste Teil des Kapitels "Jüdische Familien
in Rust" aus dem Buch "Chronik der Freistadt
Rust 1850 - 1950", ISBN 3-900-582-18-1 / €
39,- Die Fortsetzung folgt in einer der nächsten
Ausgaben.
Mit freundlicher Genehmigung des Bürgermeisters
Heribert Artinger a.D. der Freistadt Rust.
Teil 2:
Chronik der
Freistadt Rust 1850 - 1950, Teil 2:
Die
"Arisierung" des jüdischen Vermögens
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