Sie halfen Großbritannien, den Krieg gegen
Nazideutschland zu gewinnen. Ihr Einsatz gab Tausenden
Holocaust-Überlebenden Mut und Hoffnung. Innerhalb des Kriegsgeschehens
sollten sie nur eine unbedeutende Rolle spielen, so sahen es die Alliierten.
Doch sie wollten mehr. Sie veränderten die Nachkriegspolitik und schrieben
Geschichte: Die Männer der Jüdischen Brigade.
Etwa 5000 Männer aus Palästina meldeten sich im II.
Weltkrieg freiwillig, um unter britischer Führung gegen die deutsche
Wehrmacht zu kämpfen. Die meisten von ihnen waren Emigranten, die sich im
britischen Mandatsgebiet Palästina ein besseres Leben aufbauen wollten.
Manche von ihnen träumten sogar davon, einen nationalen Staat zu gründen.
Endlich sollten die Juden eine sichere Zuflucht haben. Doch der Ausbruch des
II. Weltkrieges setzte neue Prioritäten. Der Kampf gegen Nazideutschland
schien nun wichtiger als der Traum vom eigenen Staat. "Da ging es nicht um
irgendeinen Krieg im fernen Europa", erinnert sich ein Mitglied der
jüdischen Brigade an den Kriegsausbruch. "Da ging es um das Wohl unserer
Familien. Europa war immer noch unsere Heimat, dort wohnten unsere Mütter,
unsere Väter, unsere Geschwister. Wir wollten kämpfen, und zwar unter
eigener Flagge". Ein Wunsch, den die Briten bis 1944 zu verhindern wussten.
Ihnen war klar: Militärisch gut ausgebildete Männer, die gegen die deutsche
Wehrmacht kämpften, waren nach Kriegsende durchaus in der Lage, mit
Waffengewalt für einen eigenen Staat Israel einzutreten und dabei englische
Kolonialinteressen zu bekämpfen. Doch angesichts geheimer Meldungen über
deutsche Gräueltaten an der jüdischen Bevölkerung überdachte der britische
Premierminister Winston Churchill 1944 die Haltung der Briten. "Die Juden",
so schrieb er in einem persönlichen Telegramm an Präsident Roosevelt, hätten
"vor allen anderen das Recht, als erkennbare Einheit gegen die Deutschen zu
kämpfen". Nur wenige Tage später löste eine Radionachricht der BBC unter den
jungen freiwilligen Soldaten in Israel einen Freudentaumel aus: "Die
Regierung Seiner Majestät hat die Aufstellung einer Jüdischen Brigade
beschlossen, die an den aktiven Operationen teilnehmen soll. Kern dieser
Infanterie-Brigade werden die jüdischen Bataillone des Palästina-Regiments
sein". Die jungen Soldaten zeigten sich kämpferisch: "Wir brachen ein Tabu",
erinnert sich ein Veteran der Jüdischen Brigade an die Mission in Europa.
"Wir wollten der Welt und uns selbst beweisen, dass wir nicht nur Opfer
sind. Wir wollten beweisen, dass Juden kämpfen können". Auf ihren Uniformen
prangte der gelbe Davidstern. Doch der gelbe Stern war nicht länger Stigma,
nicht länger Symbol für Ausgrenzung und Verfolgung, sondern selbstbewusstes
Zeichen eigener Stärke und Kampfbereitschaft.
Bis heute erinnern sich die Zeitzeugen der Jüdischen
Brigade an ihren Einsatz in Europa, schildern ihre Fronterlebnisse,
berichten von ihrer Freude über den Sieg gegen Nazideutschland, aber auch
von ihrer Ohnmacht und ihrer Wut, angesichts der ersten Holocaust-Opfer,
denen sie begegneten. Als im Chaos der letzten Kriegstage viele Nazis über
die
deutsch-österreichische Grenze nach Italien und weiter nach Südamerika
flüchteten, entschlossen sich die Soldaten der Jüdischen Brigade,
selbständig einzugreifen. Sie fanden sich zu kleinen Gruppen zusammen und
zogen auf Nazi-Jagd. Was damals wirklich geschah, wie viele Menschen zur
Verantwortung gezogen wurden, wissen bis heute nur die Soldaten der
Jüdischen Brigade. Bis zum heutigen Tag rätseln ehemalige britische
Militärpolizisten und deutsche und österreichische Kriminalbeamte über eine
Vielzahl ungeklärter Mordfälle.
Angesichts des Erfolgs ihrer Eingriffe übernahmen die
jüdischen Soldaten immer mehr eigene Initiativen. Hinter dem Rücken der
britischen Armee setzten sich die Mitglieder der Brigade für die jüdischen
Holocaust-Überlebenden ein und brachen dabei mehr als einmal das Gesetz.
Einfallsreich unterstützten sie die so genannten "Displaced Persons" mit dem
Notwendigsten, bildeten in DP-Lagern junge Menschen militärisch aus und
schmuggelten im Wirrwarr der Nachkriegszeit mehr als 10.000 überlebende
Juden illegal nach Palästina. Für die Überlebenden des Holocausts bedeutete
das Engagement der Jüdischen Brigade nicht nur materielle Überlebenshilfe:
"Können Sie sich vorstellen, nach dem Ghetto und dem ganzen Elend jüdische
Soldaten zu sehen? Es war toll. Alle weinten und lachten, lauter Tränen und
Glück, alles durcheinander und alles gleichzeitig. Dass Juden aus Palästina
kamen, um Juden zu retten! Es war alles sehr, sehr bewegend für uns",
erinnert sich ein Holocaust-Überlebender an die erste Begegnung mit den
Männern der Jüdischen Brigade. "Sie überschütteten uns mit Liebe. Sie
behandelten uns wirklich so, wie man es von Brüdern erwartet. Sie sagten,
dass wir es nach Palästina schaffen würden. Sie sagten, sie würden einen Weg
finden. Und wir glaubten ihnen." Auch die Männer der Jüdischen Brigade
bewegt die Erinnerung an diese Begegnungen bis heute: "Wir waren keine
Heiligen, keine Ritter", erinnert sich einer der Veteranen an das damalige
Engagement. "Wir waren einfach israelische Jungs, die begriffen hatten, dass
man für die eigenen Leute einsteht, notfalls mit dem eigenen Leben".
Die Jüdische Brigade, so die Hoffnung der Alliierten, würde nur eine
Fußnote in der Geschichte des II. Weltkrieges sein, würde weder den Verlauf
des Krieges noch die Gestaltung des Friedens beeinflussen. Doch die Briten
hatten Unrecht. Der Kriegseinsatz hatte das Selbstverständnis und die
Kampfbereitschaft der jungen Soldaten gestärkt. Nun waren sie bereit, auch
für einen eigenen Staat einzutreten.