Viele Aufgaben, so weiß man, hat die Kultur. Eine ganz
besonders wesentliche ist jedoch die Verständigung zwischen Menschen,
Staaten, ja Systemen, und man braucht in der Literatur nicht lange zu
suchen, um auf Joseph Haydns belieb-berühmten Ausspruch "Meine Sprache
versteht die ganze Welt" zu stoßen. Meinte Haydn jedoch nur die
zwischenmenschliche Kommunikation, so kann der Brückenschlag noch viel
weiter gehen, über Kunst können Beziehungen verstärkt, kann ohne viele Worte
eine größere Wertschätzung ausgedrückt werden, als es so manche Rhetorik
erlaubte. Kunst vermag es sogar, neue Wege zu finden (die aufblühenden
kulturellen Beziehungen zwischen dem früheren "Osten" und West- und
Mitteleuropa in den letzten Jahren sind ein beredtes Beispiel!), vielleicht
sogar manche Irritation auszugleichen. Nun muss es, so lautet die logische
Fortspinnung des Gedankens, ja geradezu eine der Aufgaben eines
Kulturpolitikers sein, sich dieser Kanäle zu bedienen und mittels der Musik,
der bildenden Kunst, des Theaters oder welcher Sparte auch immer, die
Zusammenarbeit im Inneren und auch zwischen Staaten zu fördern. Und gerade
in einem Land, in dem der Titel "kultureller Botschafter" von so vielen
und das zu Recht! getragen wird, ist diese Möglichkeit eine weit
reichende!
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Nach der Abkühlung der
diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Österreich im Jahr 1999 war
es kein Zufall, dass gerade Kunst-Staatssekretär Franz Morak es war, der den
ersten offiziellen Politkerbesuch nach Israel unternahm. Und es mag wohl
ebenso kein Zufall sein, dass nur einen Tag, nachdem die Wiederherstellung
der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Israel bekannt
gegeben wurde, die Meldung durch die Nachrichtenagenturen ging, dass Franz
Morak gleich ein zweites Mal nach Israel fahren würde.
Bei dieser neuerlichen Reise absolvierte der
Staatssekretär eine stattliche Anzahl an Kulturterminen, wobei auch der
persönliche Kontakt zu Menschen als besonders wichtig gewertet wurde: Ein
Zusammentreffen mit der Jugend stand ebenso wie der Besuch eines
Altersheimes 1,
in dem viele österreichische Emigranten leben, auf dem Programm,
selbstverständlich aber auch der Kontakt zur israelischen Politik.
Besuch im Altersheim in
Ramat Ghan
Gleich zweimal rückte die Gedenkstätte Yad Vashem in den
Mittelpunkt des Besuches: Einmal bei der Einweihung einer Spenderwand, ein
andermal bei der Eröffnung der Feierlichkeiten zum 50jährigen Bestehens des
Ortes. Yad Vashem ist jene israelische Einrichtung, die 1953 auf Beschluss
der Knesset gegründet wurde, um eine Dokumentation des Holocaust und eine
Erinnerung an die sechs Millionen ermordeten Juden zu schaffen. Kernstück
sind das heute weltweit größte Dokumentationsarchiv und eine zentrale
Datenbank, in der die Opfer des Holocaust erfasst sind. Weiters sind ein
Museum und der "Saal der Namen" angeschlossenen, eine Gedenkstätte für die
ermordeten Kinder, das "Tal der Gemeinden", in dem in Felsgängen die Namen
der fünftausend untergegangenen jüdischen Gemeinden zu finden sind, ebenso
eine "Allee der Gerechten", in der all jene Platz finden, die sich um die
Errettung von Juden in der NS-Zeit bemüht haben.
Einer der rund 80 Namen, die in diese Allee Eingang
gefunden haben, ist jener des österreichischen Komponisten Gottfried von
Einem; ein Ansuchen, die 1982 verstorbene Ordensschwester Verena Buben, die
der von Kardinal Theodor Innitzer gegründeten "Caritas Socialis" angehörte
und sich 1944 für die Errettung eines jüdischen Kleinkindes eingesetzt
hatte, aufzunehmen, brachte der Staatssekretär zu den Feierlichkeiten mit.
Geehrt wurde bei der Spenderwand-Einweihung der
"Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus",
welcher vom Österreichischen Parlament 1995 anlässlich des 50. Jahrestages
der Errichtung der zweiten Republik geschaffen wurde. "Dieser Beschluss war
zweifellos Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses, mit dem das Österreich
der 90er Jahre der Zeit des Nationalsozialismus gegenübertrat", so Morak bei
seiner Rede zur Ehrung. 2
Ansprache anlässlich
der Ehrung des Österreichischen Nationalfonds in Yad Vashem
An die 30.000 lebende Opfer des Nationalsozialismus
erhielten seit 1995 die Basisleistung des Nationalfonds, "doch sprechen
Zahlen in diesem Zusammenhang nur bedingt eine aussagekräftige Sprache", so
Morak weiter. "Der Fonds ist der Versuch Österreichs, auf jene Menschen, die
während der NS-Zeit verfolgt wurden oder Österreich verlassen mussten,
zuzugehen und mittels einer Geste einen Brückenschlag zu versuchen." Weiters
wurde zwischen dem Fonds und Yad Vashem eine Zusammenarbeit eingerichtet,
die sich von Archivarbeit bis zur Unterstützung des "Saales der Namen"
erstreckt.
Anerkennung gab es von höchster Seite, so sprach Israels
Vizepremier Ehud Olmert von dem "besten Signal der Normalisierung der
Beziehungen zwischen den Ländern".
Wesentlich auch der Besuch Franz Moraks im Altersheim
Anita Miller bei Ramat Gan unweit von Tel Aviv, wo er sich bei den Bewohnern
entschuldigte "dass Sie nach dem zweiten Weltkrieg keine Einladung erhalten
haben, zurückzukehren." Ein Satz übrigens, der durch die österreichischen
Medien ging.
Franz Morak im Gespräch mit Shimon Peres
Dass der Staatssekretär am nächsten Tag bei den
Feierlichkeiten rund um Yad Vashem als einziger europäischer Politiker
anwesend war, ist nicht nur als Ehre für Österreich zu verstehen, es ist
vielmehr eine Notwendigkeit und eine Verpflichtung unseres Landes, sich mit
der Geschichte zu konfrontieren, mehr noch, sich mit der Vergangenheit
auseinander zu setzen und sich auch, ja gerade, den dunklen Erfahrungen mit
Ehrlichkeit zu stellen.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Reise war der Besuch
des Internationalen Kammermusikfestivals Jerusalem, das von Elena Bashkirova
geleitet wird und in diesem Jahr unter dem Motto "Wien" stand.3
Vor allem auch, da heuer eine vierjährigen Kooperation eingeläutet wurde, in
der jährlich mehrere Werke von Gottfried von Einem beim Festival zur
Aufführung kommen. Einem, der 1918 in Bern geboren wurde und 1996 in
Niederösterreich verstarb und dessen künstlerisches Erbe nicht nur durch
renommierte Festspiele und Konzertveranstalter, sondern auch durch seine
Witwe, der wunderbaren Autorin Lotte Ingrisch vertreten wird, konnte auf
beinahe alle großen Ehrungen und Auszeichnungen zurückblicken, die
Österreich zu vergeben hat: 1958 der Preis der Stadt Wien, 1965 der
Österreichische Staatspreis, 1974 das Österreichische Ehrenzeichen für
Wissenschaft und Kunst, 1978 das Große Goldene Ehrenzeichen um die
Verdienste der Stadt Wien, Ehrenmitgliedschaften des Musikvereins und des
Konzerthauses, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien... Und gerade durch
Kammermusik kann man dem großen österreichischen Komponisten, der sich auch
in gesellschaftspolitischen Fragen durchaus engagierte (etwa gegen das
geplante Kraftwerk in der Hainburger Au) gerecht werden, ist doch sein Herz
neben dem Lied an dieser "kleineren" Instrumentalform besonders gehangen.
Franz Morak mit Lotte
Ingrisch und der künstlerischen Leiterin des internationalen
Kammermusikfestivals Jerusalem Elena Bashkirova
Heuer kam in Jerusalem einerseits die "Sonate für Cello
und Klavier" op. 76 wie auch das "Quintett für Horn" op. 46 zur Aufführung,
die aufstrebenden und international stets mit höchsten Auszeichnungen
bedachten Brüder Gautier und Renaud Capuçon wurden mit stehenden Ovationen
belohnt. Lobend die Kritiken, wie etwa Haaretz schrieb: "[...] das echte
Wien erreichte das Konzert sehr schnell, mit der Sonate für Cello und
Klavier von Gottfried von Einem. Anzeichen von Jazz und Kabarett konnte man
neben Spielerei und Romantik aus der Vergangenheit, Neoklassik und
Atonalität hören, wie ein Supermarkt an frechen und erfreulichen Stilen."
Dass es auch Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Johann
Strauß zu hören gab (letztere in der Bearbeitung von Arnold Schönberg und
Anton Webern), ist bei einem Festival, das sich der Musikalität einer ganzen
Stadt widmete, eine logische Grundbedingung.
Franz Morak zu Besuch beim legendären
Altbürgermeister Teddy Kollek
Ein weiterer Besuch Moraks galt der Silberschmiedfamilie
Yemini, die internationale Geltung erreicht hat, besonders aber auch in
Österreich auf Bekanntheit stößt, war doch im vergangenen September eine
Ausstellung unter dem Titel "Die Yeminis. Drei Generationen Design im
Dienste des Judentums" im Palais Porcia in der Herrengasse zu sehen, bei der
edle Stücke aus der Handwerksdynastie gezeigt wurden. Die einzigartige
Verknüpfung aus alter Tradition (die Werkstätte wurde vor beinahe 100 Jahren
gegründet und wird wie gesagt seit drei Generationen von der Familie
betrieben) und modernem Design, in der religiöse Aspekte ebenso wie
künstlerische Fertigung zusammenfließen, der Mix aus Tradition und
Fortschritt erreicht in diesen Fertigungen ein ideales Maß. Die Erzeugungen
von religiösen Objekten wie etwa Pessachplatten, Chanukkaleuchter oder
Torakronen einerseits und Schmuck andererseits spiegeln die Bandbreite des
Könnens und der Künstler wider.
Ein vielfältiges Programm also, das Morak absolvierte, ein Programm, das
zeigt, wie mannigfaltig und unterschiedlich die Schattierungen einer
kulturellen (Politiker-)Arbeit aussehen können auf intellektuellen,
geschichtlichen Ebenen ebenso wie in Sachen Handwerkskunst, Musik oder
einfach als Vermittlung von Lebensgefühl.
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