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Liesing im Dunkel - Eine Ausstellung des Bezirksmuseums Liesing

Gerald NETZL

 

Was die Aufarbeitung der NS-Verbrechen betrifft, muss Österreich ernüchternde Bilanz ziehen: Viel von dem, was geschah, wurde geleugnet, verharmlost, verdrängt. In den letzten Jahren wurden und werden in Liesing viele Projekte gegen das Vergessen durchgeführt.

Das Bezirksmuseum Liesing in der Canavesegasse zeigte im Oktober 2003 die Ausstellung "Liesing im Dunkel – verfolgte und ermordete LiesingerInnen 1934 – 1945". Es wurden konkrete Schicksale von Liesinger Opfern des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus vorgestellt. Der Besucher erfuhr Wissenswertes über die mehr als 20 Straßen und Gassen im Bezirk, die nach Opfern benannt wurden, die Ausstellung gab einen Überblick über die Dimension der Naziherrschaft. Dabei beschränkte man sich nicht auf politisch und rassisch Verfolgte, sondern definierte den Opferbegriff breiter: Auch Sinti und Roma, die sog. "Asozialen", Homosexuelle, Bibelforscher (Zeugen Jehovas), Behinderte, Zivilbevölkerung (Bombenopfer!) und Wehrmachtssoldaten sowie Fremdarbeiter und Kriegsgefangene der Deutschen wurden einbezogen. Dort, wo es nicht gelang Schicksale von LiesingerInnen zu zeigen, gab es allgemeine Informationen. Ziel der Ausstellung war eine höhere Betroffenheit beim Besucher herzustellen als der Fall ist, wenn "nur" Gesamt-Opferzahlen präsentiert werden. Das Gefühl, "es hätte auch mich treffen können" bzw. die konkrete Erinnerung an Nachbarn und Bekannte bzw. Erzählungen über diese Personen stellten diesen starken Bezug her.

Zwei jüdische Schicksale werden in der Ausstellung gezeigt, wovon eines hier vorgestellt werden soll: Hedy Blum, geb. am 23.8.1931 in Wien, lebte mit ihrem Bruder Natan und ihren Eltern bis 1937 in Mödling und zog dann nach Atzgersdorf * (siehe unten). Sie wurde im Schuljahr 1937/1938 in der VS Atzgersdorf eingeschult, wurde jedoch wenige Wochen nach Schulbeginn zurück gestellt, sodass sie effektiv im September 1938 mit der Schule begann. Am 15. November 1938 wurde Hedy, wie es im erhalten gebliebenen Klassenbuch wörtlich heißt, "als Jüdin von der Schule ausgeschlossen". Wenige Tage davor, am 11. November, wurde ihr Vater verhaftet und in Dachau interniert. Die Familie Blum musste Mödling verlassen und in die Leopoldstadt übersiedeln. Hedy besuchte dann eine "Judenschule". Ihre letzte Adresse war in Wien 2, Czerningasse 15/17. Hedy wurde gemeinsam mit ihrer Mutter mit dem 36. Transport Nummer 780 am 17.8.1942 nach Maly Trostinec deportiert. Von den insgesamt knapp

9.000 nach Maly Trostinec deportierten österreichischen Juden sind 17 Überlebende bekannt...

Es kann auch angenommen werden, dass Hedy bei Ihrer Ankunft am 21.8.1942 mit ihrer Mutter ermordet wurde. Auf Initiative des Elternvereins wurde eine Gedenktafel für Hedy Blum, die erste ihrer Art in einer Wiener Volksschule, angebracht. Der Vater musste unmittelbar nach seiner Entlassung aus Dachau das Deutsche Reich verlassen, er überlebte die Shoa in Palästina. Bruder Natan gelangte mit einem Kindertransport ins Ausland.

Er lebt heute in Israel. Im April 2003 besuchte er Wien und die VS Atzgersdorf. Es gab ein sehr bewegendes Treffen mit dem Elternverein und den Lehrerinnen. Seither ist der Kontakt nicht abgerissen.

Besonders hilfreich bei der Initiative zur Gedenktafel war das Projekt "namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer" des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.

Zusammengestellt wurde die Ausstellung von den Sozialdemokratischen Freiheitskämpfern Liesing. Dieser "Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten" sieht seine Aufgaben in einer umfassenden Aufklärungs-, Bildungs-, und Öffentlichkeitsarbeit über die faschistischen Diktaturen und über die Verbrechen des Nationalsozialismus, sowie in der Bekämpfung der politischen Gefahren, die von Erscheinungen wie Neofaschismus, Rechtsextremismus, Rassis- mus, Nationalismus und Antisemitismus ausgehen. (www.freiheitskaempfer.at)

* Ergänzend muss zum besseren historischen Verständnis festgehalten werden, dass die bis dahin niederösterreichischen Gemeinden des Gerichtsbezirkes Liesing, nämlich Atzgersdorf, Breitenfurt, Erlaa, Inzersdorf, Kalksburg, Kaltenleutgeben, Liesing, Mauer, Perchtoldsdorf, Rodaun, Siebenhirten und Vösendorf (sowie darüber hinaus Hadersdorf-Weidlingau, Laab im Walde und Purkersdorf) am 15. Oktober 1938 zum 25. Wiener Gemeindebezirk vereinigt wurden.

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