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Interview mit Hilde Zach, Bürgermeisterin von Innsbruck

Ilan Beresin

 

DAVID: Was können Sie uns zu Ihrer bisherigen politischen Karriere erzählen? Seit wann sind Sie Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck? Sie sind die erste Frau auf dem Bürgermeistersessel?

Hatten Sie es besonders schwer sich gegen Ihre Konkurrenten durchzusetzen?

H. Zach: Seit etwas mehr als einem Jahr bekleide ich nun das Amt der Bürgermeisterin. Bereits 1994 bin ich Seite an Seite mit meinem Vorgänger, dem jetzigen Landeshauptmann Herwig van Staa, in den Stadtsenat eingezogen. Von April 2000 bis zu meiner Wahl durch den Gemeinderat bin ich erste Bürgermeister-Stellvertreterin gewesen. Ich halte es für ein wichtiges Signal, dass eine Frau erstmals Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt ist. Frauen sind in Spitzenpositionen noch unterrepräsentiert. Wenn es mehr Frauen in Top-Positionen gibt, wird es nicht unbedingt besser, aber auf alle Fälle richtiger!

DAVID: Verfügt die ÖVP im Gemeinderat über die absolute Mehrheit? Wie ist die Zusammenarbeit mit den anderen politischen Parteien?

H. Zach: Der Innsbrucker Gemeinderat besteht aus 40 Abgeordneten, die für neun Fraktionen stehen. Die bürgermeisterliche Fraktion "Für Innsbruck" ist mit 16 Mitgliedern die größte. ÖVP, SPÖ und Grüne verfügen über fünf Stimmen im höchsten Gremium. Die restlichen neun teilen sich auf kleinere Parteien auf. In den wichtigen Fragen trachte ich nach einem breiten Konsens. In der Frage der Realisierung eines Innsbrucker Lokalbahnkonzeptes im Rahmen eines Tirolweiten Regionalbahnsystems haben wir zum Beispiel Einstimmigkeit zu verzeichnen. Grundsätzlich haben wir ein sehr gutes und kooperatives Klima im Gemeinderat. Natürlich gibt es aber auch große Auffassungsunterschiede, die unterschiedliche Werthaltungen widerspiegeln.

DAVID: Innsbruck hat sich zu einer weltbekannten Fremdenverkehrsstadt entwickelt. Welche Strategien verfolgen Sie, dass diese Stadt diesem Anspruch auch in Zukunft gerecht wird?

H. Zach: Tourismus ist eine der wichtigen Lebensadern unserer Stadt. Aber ich mache immer wieder darauf aufmerksam, dass Innsbruck mehr ist: Kongressstadt, Sportstadt, Universitätsstadt und Kulturstadt. Ein neuer Ansatz im Tourismus, über den ich mich persönlich sehr freue, ist der Architektur-Tourismus. Auf Grund der außergewöhnlichen Leistungen internationaler Spitzenarchitekten wie Zaha Hadid oder Dominique Perrault hat sich ein reges Interesse entwickelt, das auch im Tourismus seinen Niederschlag findet.

DAVID: Wie ist das Verhältnis zur Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck?

H. Zach: Vor wenigen Monaten haben wir das zehnjährige Bestehen der neuen Synagoge gefeiert. Ich halte das für ein wichtiges und vitales Zeichen. Wie meine Amtsvorgänger Niescher und van Staa pflege ich ein sehr gutes und enges Verhältnis zur Kultusgemeinde und Frau Dr. Fritsch schätze ich sehr. Sie setzt sich sehr intensiv für die Belange der Kultusgemeinde ein.

DAVID: Wäre es nicht eine Überlegung wert – ähnlich wie in Linz – ein Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte Innsbrucks in der NS-Zeit zu initiieren?

H. Zach: Es ist sicherlich nicht nur eine Überlegung wert, sondern es gibt bereits einige Ansätze, sich mit diesen Aspekten der Innsbrucker Geschichte zu befassen. Die Universität arbeitet daran ebenso wie unser Stadtarchiv/Stadtmuseum, es gibt so genannte "Spurensuchen", Publikationen, Gedenkveranstaltungen und vieles mehr. Darüber hinaus planen wir auch einige Maßnahmen, über die ich aber erst sprechen möchte, wenn wir in die Phase der Realisierung gehen werden.

DAVID: Welche Maßnahmen ergreift Ihre Fraktion zum Abbau von fremdenfeindlichen und antisemitischen Vorurteilen?

H. Zach: Wir fördern das Gespräch. Ich sage zu meinen Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderatsklub immer, sie müssen sich intensiv in die gesellschaftliche Diskussion einbringen. Das ist für mich einer der wesentlichsten Beiträge, die man auf kommunaler Ebene leisten kann: Im persönlichen Gespräch informieren und damit Vorurteile abbauen. Seit vielen Jahren gibt es auch ein absolut erfolgreiches Austauschprogramm des Landes für Jugendliche und Jugendbetreuer, das wir unterstützen.

DAVID: Wie sehen Sie für die Zukunft das Verhältnis von Juden und Nichtjuden in Innsbruck?

H. Zach: Die Zukunft sehe ich ganz klar im Zeichen des Miteinander, des hohen wechselseitigen Respekts und des Verständnisses für die berechtigten Anliegen des jeweils anderen. Nur in einem positiven und gedeihlichen Klima wird unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Das gilt für alle gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte. Der Dialog zwischen den Glaubensgemeinschaften ist mir sehr wichtig. Ich bin froh, dass der langjährige Diözesanbischof Dr. Stecher hier einen guten Weg vorgezeichnet hat, den auch sein Nachfolger Dr. Kothgasser beschritten hat. Ich bin überzeugt, dass auch unser neuer Bischof Dr. Manfred Scheuer weiterhin den Dialog und das Miteinander suchen wird, denn das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden hat ja sehr starke religiöse Komponenten.

Das Interview führte Ilan Beresin im Oktober 2003

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