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Die "Umschulungslager" Doppl und Sandhof der Wiener
Zentralstelle für jüdische Auswanderung, Teil 2
Gabriele ANDERL
Die jüdischen Arbeitskräfte
Die beiden Lager Doppl und Sandhof wurden Mitte 1939 von
der Wiener Zentralstelle bzw. dem Auswanderungsfonds erworben. Die folgenden
Monate sind quellenmäßig kaum dokumentiert. Im Windhager Fremdenbuch Nr. 5
lose eingelegte Blätter zeigen aber, dass das Lager Sandhof bereits Anfang
August 1939 bestanden hat. Während die später eingewiesenen Lagerinsassen
durchwegs aus Wien kamen, stammte der überwiegende Teil der in dieser frühen
Phase aufscheinenden 25 Personen aus Polen. 1
Seit Frühjahr bzw. Frühsommer 1940 nahmen in beiden
Lagern die Einweisungen jüdischer Männer und männlicher Jugendlicher zu.
Unter anderem erhielt der 1917 geborene Aron (Adolf) Menczer, der seit
September 1939 der Leiter der "Jugend-Alija" (JUAL) im ehemaligen Österreich
war, von der Zentralstelle Anfang Juni 1940 den Auftrag, 200 "freiwillige"
Jugendliche für einen Einsatz in diesen Lagern zu stellen. Von etwa 200, die
sich gemeldet hatten, wurden vom damaligen Leiter der Zentralstelle, Alois
Brunner, 120 ausgewählt und den beiden Lagern zugewiesen. Anfang Juni
kommandierte die Zentralstelle nochmals insgesamt 50 Jugendliche aus den
Vorbereitungskursen der JUAL in Wien nach Doppl bzw. Sandhof.
2 Am 27. September erhielt auch die IKG
Wien den Auftrag, für die beiden Lager je 20 Personen im Alter bis zu 40
Jahren zu benennen. Als sich die jüdischen Funktionäre wegen der inzwischen
berüchtigten Zustände in den Lagern weigerten, übernahm Alois Brunner
persönlich die Auswahl.3
Aron Menczer
Im Gegensatz zu den Konzentrationslagern waren die Lager Doppl und Sandhof nicht durch Zäune oder ähnliche Absperrungen von der
Umwelt abgeschlossen, die Insassen durften die Lager gelegentlich verlassen
und wie aus den Tagesrapporten hervorgeht auch einige Tage Urlaub
nehmen. Entlassungen erfolgten im Auftrag der Zentralstelle bzw. ihres
damaligen Leiters, Alois Brunner, in der ersten Zeit meist wegen der
bevorstehenden Ausreise der Betroffenen, vor allem mit illegalen Transporten
nach Palästina. Später wurden die Lagerinsassen meist zum Zweck ihrer
Deportation nach Wien zurückgeordert.
Gelegentlich fanden zumindest in Doppl Arztbesuche im
Lager statt, oder Lagerinsassen wurden in den Ortschaften der Umgebung
medizinisch behandelt; in schweren Fällen erfolgten Überweisungen an das
Spital der IKG in Wien. 4
Erwin Diamant, der sich in Doppl bei der schweren Arbeit einen Leisten- und
Hodenbruch zugezogen hatte, wurde vom SS-Lagerleiter Slawik mit der
Bemerkung entlassen, dass dieser "Schlappschwanz nach Wien abreisen" könne.5
Im Unterschied zum Sandhof wurde wie aus den Tagesrapporten hervorgeht -
kranken Lagerinsassen in Doppl manchmal einige Tage Bettruhe zugestanden.
Wie aus Zeugenaussagen im Verfahren gegen den ehemaligen SS-Lagerleiter
Weiszl hervorgeht, wurden von diesem kranke Lagerinsassen aber ebenfalls zur
Arbeit gezwungen.6
a) Doppl
Wie aus einer undatierten, aber höchstwahrscheinlich aus
dem Jahr 1941 stammenden Standesliste des "Umschulungslagers Pappefabrik
Doppl, Altenfelden, Linz" zu entnehmen ist, erfolgte der erste Zugang am 30.
April 1940 (Dr. Stefan Molnar) 7 ;
eine erste Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter folgte am 19. Mai 1940.8
Die Diensteinteilungspläne und Tagesrapporte des Lagers9
beginnen mit Anfang Juni 1940. Laut Tagesrapport trafen am 3. Juni 1940
sechsundzwanzig Juden im Alter zwischen 15 und 18 Jahren im Lager ein,
während zwei krankheitshalber entlassen wurden. Am 27. Juni wurden 11
Neuzugänge zur Verstärkung der Belegschaft vermerkt, weitere 11 am 8. Juli.10
Am 27. Juni 1940 begab sich Aron Menczer mit 25
JUAL-Mitgliedern freiwillig zum Arbeitseinsatz nach Doppl. Gemäß den Angaben
des ehemaligen JUAL-Mitglieds Esra Peri hatten die jüdischen Jugendlichen
und auch Aron Menczer anfangs tatsächlich geglaubt, es handle sich bei
Sandhof und Doppl um "Hachschara"-Lager. Die Jugendlichen, von denen einige
erst 14 Jahre alt waren, seien unter Leitung Menczers, aber ohne
SS-Aufsicht, sehr geordnet in Gruppen mit Gruppenleitern mit der Bahn von
Wien nach Doppl gefahren. Viele hätten sich damals durch die Meldung in ein
Arbeitslager auch einen Schutz vor der drohenden Deportation erhofft. 11
Bereits am 18. Juli 1940 kehrte Menczer auf Weisung der
Zentralstelle nach Wien zurück 12 ,
wo er sich wieder intensiv der Betreuung der dort verbliebenen JUAL-Kinder
zuwandte. Mitte Mai 1941 mussten im Auftrag der Zentralstelle das
Palästina-Amt und die JUAL aufgelöst werden, und Menczer wurde mit einer
Gruppe Jugendlicher abermals nach Doppl geschickt. Es gelang ihm, von dort
aus regen Kontakt zu den in Wien befindlichen Mitgliedern der zionistischen
Jugendbünde aufrecht zu erhalten.13
Unter diesen hatte es sich bereits herumgesprochen, dass die Lebens- und
Arbeitsbedingungen in Doppl und Sandhof sehr hart waren. Esra Peri, damals
ein Mitglied der JUAL, erinnerte sich später:
"Ende 1939 wurde Aron aufgefordert, ca. 200 Jugendliche
in Arbeitslager zu schicken. Auch wir bereiteten uns im Laufe des Jahres
1940 darauf vor, in ein Lager zu gehen. Die Gerüchte von den Bedingungen
dort waren nicht erfreulich. Ich wandte mich an Aron, und wir bekamen den
Rat von ihm, bessere Lager zu wählen. Sein Rat war, ins Arbeitsamt [für
Juden] zu gehen. (...) Wir wandten uns dorthin und konnten uns zwei Lager
wählen, Eisenerz oder Präbichl. Wir wählten Präbichl, und ich blieb dort
von Mai 1940 bis August 1940." 14
Die zionistisch organisierten Jugendlichen versuchten,
trotz der widrigen Rahmenbedingungen auch in Doppl ihre bündischen
Aktivitäten fortzusetzen und ähnlich wie in einem Kibbuz zusammenzuleben.
Sie lasen gemeinsam jüdische und zionistische Literatur, sangen hebräische
Lieder und feierten den "Oneg Schabbat" 15 .
Anfangs schliefen sie auf Stroh in einem Stall mit Betonboden. Der
Überlebende Erwin Diamant bezeichnete diese Schlafstellen als
"ausgesprochene Schweinestätten". Später bauten die Jugendlichen das
Bauernhaus um, das ihnen als Unterkunft dienen sollte, zimmerten Stockbetten
aus Holz und kochten gemeinsam. Nach der Ankunft Aron Menczers hielt dieser
die Gruppe noch stärker zusammen und die Moral ihrer Mitglieder aufrecht.16
Wie aus den Tagesrapporten hervorgeht, stand die
willkürliche Verhängung von Strafen durch die SS-Aufseher auf der
Tagesordnung. Am 26. Juni 1940 wurde ein Jude wegen Kameradschaftsdiebstahls
überführt und durch den Lagerführer streng bestraft, am 28. Juni 1940 der
jüdische Lagerkoch, David Manger 17
wegen Veruntreuung von Lebensmitteln vom Lagerleiter seines Amtes enthoben
und mit Sonntagsarbeit und zweiwöchigem Entzug des Prämiengeldes18
bestraft. Seine Funktion übernahm Kamillo Semo. Am 5. September 1940 wurden
Kurt Steiner wegen Diebstahls und Eduard Kohn wegen Diebstahlverdachts von
einem telephonisch herbeigerufenen Kriminalbeamten in Haft genommen und dem
Gericht überstellt.
Am 18. September konstatierte die Lagerleitung laut
Tagesrapport "Unfug im Kuhstall" 19 ,
einen Einbruch im Hühnerstall sowie "hygiene- und kulturwidrigen Verfall".
Weil die Schuldigen nicht zu eruieren waren, verhängte sie über sämtliche
Insassen bis zur Feststellung der Täter eine Sperre der Mittagsmahlzeit.
Zwei Tage später hielt der zu einer Inspektion im Lager befindliche
SS-Untersturmführer Alois Brunner einen Appell ab und forderte die
Schuldigen auf, sich zu melden. Als dies nicht geschah, verurteilte er das
gesamte Lager für vier Wochen zu Sonntagsstrafarbeit. Die Sperre der
Mittagsmahlzeit hob Wacheführer Weiszl auf.
Am 22. Oktober 1940 wurde vermerkt, dass fünf Juden, die
zur Zahnbehandlung nach Lembach gesandt worden waren, dort trotz strengstens
Verbots Einkäufe getätigt hatten. Weiszl verordnete hierauf für das ganze
Lager eine vierwöchige Postsperre. Zwei Tage später hielt sich Brunner
abermals im Lager auf und wandelte beim Morgenappell die Postsperre in eine
einmalige Sonntagsarbeit um. Den fünf Schuldigen wurden vier Wochen
Sonntagsarbeit und Postsperre auferlegt.
Weil die beiden Lagerinsassen Robert Eckler und Heinrich
Kluger aus dem Hühnerstall Eier gestohlen hatten, verlängerte Weiszl am 16.
Jänner 1941 die Arbeitszeit der gesamten Belegschaft für drei Tage bis 20
Uhr und verhängte 14 Tage Postsperre. Am 17. Jänner wurden Eckler und Kluger
der Zentralstelle überstellt. Drei weitere Lagerinsassen, die fünf Tage
Urlaub bekommen hatten, wurden beauftragt, die beiden Delinquenten an ihren
Bestimmungsort zu bringen. Am 24. Jänner 1941 wurden die Juden Burstyn und
Schaffer "wegen Renitenz und Arbeitsvernachlässigung" der Zentralstelle
überstellt, am 1. März Franz Turner und Franz Fortgang "wegen Faulheit" aus
dem Lager entlassen. Am 28. Februar 1941 wurden Julius Neufeld und Ernst
Schechter aus dem Lager entlassen, "da sie nach Polen umsiedeln werden", am
17. November Fritz Blonder, Josef Bernfeld und Walter Spitz "wegen
Umsiedlung ihrer Familie[n]".
Wie aus den Tagesrapporten zu entnehmen ist, wurden immer
wieder auch einzelne Personen mit "Gefängnis" offenbar innerhalb des
Lagers bestraft. Gelegentlich wurden auch Lagerinsassen zwischen den
beiden "Umschulungslagern" der SS verborgt: So entsandte diese am 9. Oktober
1940 Siegfried Schwarzbartl von Windhag zwecks Durchführung von
Anstreicherarbeiten nach Doppl.
Obwohl sie aufgrund fehlender Absperrungen und
vergleichsweise geringer SS-Präsenz wohl theoretisch möglich gewesen wären,
scheinen wirkliche Fluchtversuche aus dem Lager nicht vorgekommen zu sein.
Der Tagesrapport vom 9. Juni 1941 hielt zwar fest, dass sich zwei Juden ohne
Erlaubnis aus dem Lager entfernt hätten und nicht zurückgekehrt seien, doch
wurde die Angelegenheit in den folgenden Rapporten nicht mehr erwähnt;
offenbar hatten sich die beiden Abgängigen freiwillig wieder ins Lager
begeben.
Die Tagesrapporte und -journale geben auch Auskunft über
die jeweilige Zahl der im Lager beschäftigten Arbeiter: Am 3. Juni 1940
waren es 46 Mann, am 5. Juni 72, am 15. Juli 91. Am 16. Jänner 1941 war die
Zahl auf 62 Mann zurückgegangen, am 1. März auf 54. Bis 28. Mai 1941 hatte
sich der Lagerbestand offenbar durch nochmalige Neuzugänge wieder auf 72
erhöht. Ein deutlicher Einbruch war im September 1941 zu verzeichnen: Am 25.
September etwa zählte die Belegschaft nur noch 44 Mann, am 17. Dezember 1941
waren nur mehr 25. 20
Bis zur Jahreswende 1941 / 42 waren im Lager
ausschließlich jüdische Männer beschäftigt. Lediglich in der Fabrik waren
nach Angaben von Zeitzeugen einige "arische" Männer tätig. Erwähnt wird
unter anderem ein von den jüdischen Arbeitern gefürchteter Vorarbeiter oder
"Partieführer" namens Nig(e)l. 21
Wie aus einem Brief Weiszls hervorgeht, dürfte es sich bei diesem um einen
Bauern aus der Umgebung gehandelt haben. Als die Fabrik und die
Liegenschaften an die Firma Manner verkauft wurden, befanden sich noch rund
25 jüdische Zwangsarbeiter im Lager, die von Manner übernommen wurden. Wie
Überlebende berichten, änderte sich an den Lebens- und Arbeitsbedingungen
nach der Übernahme des Lagers durch die Schokoladenfirma nur wenig. Bernhard
Müller wurde von dem von Manner eingesetzten Verwalter brutal verprügelt.
Unter der Leitung der Firma Manner reduzierte sich die
Zahl der jüdischen Arbeitskräfte immer mehr die meisten von ihnen wurden
deportiert. An ihre Stelle traten nichtjüdische Zwangsarbeiter: Zunächst
trafen nach Angaben von Überlebenden etwa Anfang September 1942 ukrainische
Frauen im Lager ein, die jedoch bereits nach wenigen Wochen zu Bauern der
Umgebung geschickt und durch polnische Männer ersetzt wurden. Diese Periode
ist quellenmäßig kaum dokumentiert und lässt sich fast nur durch
Zeitzeugenberichte erhellen. 22
Überlebende berichten, dass sich die anfängliche
Hoffnung, durch die Arbeit im Lager vor der Deportation geschützt zu sein,
als Irrglaube erwiesen habe. Ein gewisser, wenngleich ebenfalls nur
temporärer Schutz war offenbar gegeben, wenn die Eltern von jugendlichen
Lagerinsassen als Angestellte bei der IKG Wien tätig waren. Die etwa 20-25
meist sehr jungen jüdischen Arbeiter, die die Firma Manner übernommen hatte,
wurden schließlich alle zurück nach Wien und von dort nach Theresienstadt
geschickt. Nach 1942 gab es in Doppl keine jüdischen Arbeitskräfte mehr. 23
Auch Bernhard F. Mueller, der am 1. Mai 1941 mit einer
JUAL-Gruppe nach Doppl gekommen war, wurde im September 1942 nach Wien
zurück beordert. Kurz danach wurde er mit den anderen aus dem Lager
Entlassenen Aron Menczer, dem "Madriach" 24
Gustav "Tasso" Engelmann, Jacob Hacker, Josef Loewy, Ernest Wulkan und
Hermann(Zvi) Riegler nach Theresienstadt deportiert.25
Laut Hannah Weiner wurden die JUAL-Gruppen aus den
Arbeitslagern Doppl und Sandhof am 24. September und am 1. und 9. Oktober
1942 gemeinsam mit zahlreichen Angestellten der jüdischen Gemeinde Wien in
die Transporte nach Theresienstadt eingereiht. Aron Menczer traf am 14.
September in Wien ein; er wurde am 24. September nach Theresienstadt
deportiert und später in Auschwitz ermordet. 26
b) Sandhof
Verschiedene im Stadtarchiv von Waidhofen a. d. Ybbs
aufgefundene, das Lager Sandhof betreffende Quellen dokumentieren neben der
oben erwähnte Frühphase erst wieder den Zeitraum von April 1940 bis Mai
1942. Alle in dieser Periode in das Lager eingewiesenen 201 Juden kamen aus
Wien. 27
Rudolf Flussmann verbrachte drei Jahre auf dem Gut
Sandhof - ab 1940 als sogenannter "Partieführer". Gemäß seinen Angaben
wurden die Juden "von der jüdischen Personalstelle Wien" womit zweifellos
die IKG angesprochen war - nach Sandhof "verschickt":
"Zuerst hat es harmlos ausgesehen, und [es] hieß, die
Leute kommen auf zwei Monate hinaus. Dies war z.B. bei mir der Fall. Ich
selbst war zur Verschickung nach Polen eingeteilt im Lager Gänserndorf,
und zwar war dies im Oktober 1939. Ich habe mich dann freiwillig zur
Arbeit auf das Gut bei Waidhofen gemeldet (...)." 28
Laut Flussmann gingen durch das Lager während seines
Bestandes insgesamt 421 Juden; im Durchschnitt hätten sich jeweils ca. 70
75 Personen dort aufgehalten. 29
Die jeweilige Zahl der Lagerinsassen ist auch aus den Standeslisten zu
entnehmen. Gemäß den Berechnungen von Walter Zambal lassen sich für die 27
Monate, die im Waidhofner Stadtarchiv durch Quellen dokumentiert sind, die
Namen von 226 Lagerinsassen nachweisen.30
Diese waren zwischen 14 und 65 Jahre alt. Auffallend ist der hohe Anteil von
Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren (rund 33 %). Die Aufenthaltsdauer
schwankte zwischen wenigen Tagen und einem Zeitraum von über zwei Jahren,
sie lag durchschnittlich bei etwas über einem Jahr.
Für das Lager selbst konnte Zambal nur einen Todesfall
nachweisen: Der 16jährige Wilhelm Ratz starb am 26. Oktober 1940 und wurde
in der jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs beerdigt. Unter
welchen Umständen er zu Tode gekommen ist, bleibt ungeklärt. Gemäß Zambals
Recherchen wurden 122 der von ihm erfassten 170 Personen deportiert, wobei
45 der Deportierten den Krieg überlebten. 31
Ing. Siegfried Kolisch, damals Leiter des jüdischen
Kriegsopferverbandes, verbrachte mit einer Unterbrechung - neun Monate auf
dem Sandhof, und zwar von Mai 1941 bis April 1942. Auch er gab an, er sei
vom Leiter der Personalstelle (der IKG) bestimmt worden,
Ausbesserungsarbeiten am Gut vorzunehmen. Dort habe er aufgrund seiner
fachlichen Kompetenz eine bevorzugte Stellung genossen. 32
Nicht wenige jüdische Arbeitskräfte auf dem Sandhof
hatten bei ihrer Einweisung in das Lager bereits Schweres hinter sich. So
war der 1894 geborene Bernhard Zucker, der am 27. August 1941 als Tischler
auf den Sandhof geschickt wurde, vom Landesgericht Wien wegen eines
Verstoßes gegen das Blutschutzgesetz verurteilt worden und von Februar 1940
bis Februar 1941 inhaftiert gewesen. Zucker, der aus Wolhynien stammte, war
staatenlos und polizeilich nicht gemeldet, weshalb er nach seiner Entlassung
aus der Haft an das Ausländeramt des Polizeigefangenenhauses an der
Rossauerlände überstellt wurde. Am 20. Juni 1941 wurde er an die ungarische
Grenze gebracht. Nachdem die Zentralstelle bei der IKG einen Tischler für
Waidhofen angefordert hatte, wurde vom Technischen Amt Zucker vorgeschlagen
und sofort in die Zentralstelle und von dort auf den Sandhof gesandt. 33
In das Lager wurden auch fünf jüdische Männer
eingewiesen, die zuvor nach Nisko verschickt worden und nach Wien
zurückgekehrt waren. Sie wurden später ein zweites Mal deportiert. 34
Einige Insassen durften bis 1940 das Lager verlassen,
weil sich ihnen eine Auswanderungsmöglichkeit meist nach Palästina bot.
Dies galt auch für den 1923 im burgenländischen Deutschkreutz geborenen
Norbert Zaidman, der am 3. Juni 1940 mit anderen Mitgliedern der JUAL auf
den Sandhof gekommen war. Er wurde bereits am 29. Juli gemeinsam dem etwa
gleichaltrigen Leo Blum entlassen und schloss sich im September dem letzten
illegalen Transport aus dem Deutschen Reich nach Palästina an. Der
SS-Lagerleiter Anton Zita entließ die beiden Burschen mit dem Kommentar:
"Ihr zwei Saujuden, auf nach Palästina!" 35
Gemäß Zeugenaussagen konnten auch die jüdischen
Arbeitskräfte am Sandhof grundsätzlich um Urlaub ansuchen. Siegfried Kolisch
berichtete, es seien dafür eigene Formulare aus Waidhofen verwendet worden.
Auf diese sowie auf die Entlassungsscheine habe der SS-Lagerleiter Robert
Walcher aber manchmal den Vermerk "Polen" gesetzt. 36
Laut Rudolf Flussmann wurden Lagerinsassen, "die dem Walcher nicht zu
Gesicht standen, über seinen Antrag abberufen und einem Polentransport
zugeteilt". Vielfach hatte Walcher diese Personen bereits vorher schwer
misshandelt.37
Die Tätigkeit am Sandhof habe eine Zeitlang einen gewissen Schutz vor der
Deportation geboten; spätestens ab September 1942 sei dies nicht mehr der
Fall gewesen. Er und alle noch am Sandhof befindlichen Juden seien am Ende
nach Theresienstadt deportiert worden; die letzten zehn habe Walcher
persönlich dorthin begleitet. Die Betroffenen seien dann von Theresienstadt
in andere Lager verschickt worden.38
Flussmann wurde am 30. September 1942 aus dem Lager
entlassen, am 2. Oktober von Wien nach Theresienstadt deportiert 39
und von dort weiter nach Auschwitz und schließlich nach Oranienburg
verschickt. Er überlebte und wurde nach dem Krieg Verwalter des Gutes
Sandhof.40
Nach Angaben von Zeitzeugen soll er später Selbstmord begangen haben.41
Flussmanns Aussage, er sei mit den letzten jüdischen
Lagerinsassen deportiert worden, steht in Widerspruch zur Aussage des 1922
geborenen und heute in Kanada lebenden Benno Strummer. Strummer hatte im
niederösterreichischen Schwadorf eine "Hachschara" absolviert und war dann
für acht Monate zu Steinbrucharbeiten in der Steiermark zwangsverpflichtet
worden. Nach seiner Rückkehr wies ihn die Zentralstelle dem Lager Doppl zu,
von wo aus er mit den letzten jüdischen Arbeitskräften im September 1942
zurück nach Wien gebracht wurde, um nach Theresienstadt deportiert zu
werden. Strummer berichtete, der SS-Lagerleiter Walcher habe ihn wegen
seiner Vorerfahrungen in der Landwirtschaft auf den Sandhof geholt, wo er
wegen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit vergleichsweise gut behandelt
worden sei. Nach Aussage Strummers wurde er erst 1943 mit einigen anderen
jüdischen Arbeitern vom Sandhof nach Wien zurückgebracht, von dort nach
Theresienstadt und dann weiter nach Auschwitz deportiert. 42
Der Widerspruch zwischen den Aussagen Flussmanns und Strummers lässt sich
nicht aufklären, zumal diese Periode quellenmäßig nicht dokumentiert ist.
Die Zwangsarbeit in Doppl und Sandhof
Wenngleich Doppl und Sandhof die euphemistische
Bezeichnung "Umschulungslager" trugen, handelte es sich de facto um
Zwangsarbeitslager, in denen die jüdischen Arbeiter in einem Zustand
absoluter Rechtsunsicherheit lebten und gleichsam vogelfrei waren. Für die
dort beschäftigten Juden galt nicht das sonst verbindliche Arbeitsrecht, und
sie mussten Tätigkeiten verrichten, die nichts mit ihren eigentlichen
Qualifikationen und ihren ursprünglichen Berufen zu tun hatten. Die Lager
standen unter SS-Aufsicht, und von Freiwilligkeit der Arbeitsleistung konnte
selbst wenn sich einzelne Personen auf eigene Initiative für die Lager
gemeldet hatten - keine Rede sein.
Für die sonstigen jüdischen Zwangsarbeiter außerhalb der
Konzentrationslager galt im Allgemeinen, dass sie nach Mindesttarifen
entlohnt wurden, die oft noch wegen angeblich schlechter Arbeitsleistung
gesenkt wurden, dass sie fast nie Sonderleistungen wie Feiertags- und
Urlaubsgeld oder Familienzuschläge und auch für qualifizierte Arbeiten nur
Hilfsarbeiterlöhne erhielten. 43
Soweit aus Zeitzeugenberichten und den vorhandenen Quellen zu entnehmen ist,
wurden die jüdischen Arbeitskräfte in Doppl und Sandhof nicht einmal nach
diesem Minimalschema entlohnt. Vielmehr musste die IKG Wien regelmäßig
Zuschüsse für die Erhaltung der Lagerinsassen überweisen. So schickte sie
etwa für den Monat September "über Auftrag der Zentralstelle" 1.845 RM an
die Verwaltung des Lagers Doppl und 2.275 RM an jene des Lagers Sandhof, und
zwar für Taschengeld, Verpflegung, Bekleidung, Transportspesen,
Sanitätswesen, Unterkunft etc.44
a) Sandhof
Die ersten jüdischen Arbeitskräfte hatten das Lager
Sandhof für den weiteren Betrieb zu adaptieren. So wurde eines der zum
Gehöft gehörigen Gebäude von Grund auf neu gebaut und eine 400 Meter lange
Wasserleitung verlegt. 45
Gemäß den Angaben Rudolf Flussmanns dauerte die
Arbeitszeit von 7 19 Uhr (bzw. 18 Uhr im Winter), unterbrochen von einer
Stunde Mittagspause. Der SS-Lagerleiter Alfred Slawik habe jedoch darüber
hinaus eine abendliche Beschäftigung für die Lagerinsassen eingeführt,
"indem er nach der Arbeit und auch am Sonntag Exerzieren
und Sport beorderte. Er verlangte auch von den alten Lagerinsassen, dass sie
auf den Schobersberg hinauf und zurück laufen, was nach 12stündiger
Arbeitszeit und der schlechten Verpflegung eine besondere Zumutung war und
nicht mehr der menschlichen Behandlung entsprach. Es kam soweit, dass sich
schon die beim Aufbau beschäftigten Professionisten der Waidhofer Baufirma
Schrey und die Bauern der umliegenden Gehöfte darüber beschwerten. Ich habe
diesbezüglich beim Lagerverwalter Ebenberger interveniert, und [es] dürfte
diese Beschwerde weitergegeben worden sein. Eines Tages erschien eine
Kommission mit Hauptsturmführer Gutwasser und Sekretär Eichberger. Sonach
wurde diese Mehrbeschäftigung eingestellt. (...) Nachdem ich als
Partieführer des Lagers mehr zu den Leuten als zum Beschuldigten gehalten
habe, wollte mich Slawik in das Lager Doppl bei Neufelden, Oberösterreich,
abschieben lassen, doch kam er selber bald als Lagerleiter dorthin, und ich
verblieb am Sandhof." 46
Nach Angaben des ehemaligen Lagerinsassen Siegfried
Kolisch hatte Flussmann von Walcher die Arbeitseinteilung entgegengenommen
und die Lagerinsassen instruiert. Flussmann habe zwar keine
landwirtschaftliche Ausbildung besessen, sich aber viele Kenntnisse
angeeignet. Laut Kolisch musste jeweils ein bestimmtes Tagespensum erledigt
werden, wobei die Arbeiten unabhängig vom Wetter und vom Gesundheitszustand
der Arbeitskräfte durchgeführt wurden. Kolisch selbst wurde zu Bauarbeiten
herangezogen und war damit als einer der wenigen Lagerinsassen in seinem
eigentlichen Beruf tätig.
Kolisch gab an, der SS-Lagerleiter Robert Walcher habe
sich zwar selbst an den anfallenden Arbeiten beteiligt, doch Insassen
geschlagen, wenn er mit deren Arbeitsleistung nicht zufrieden gewesen sei.
Misshandlungen seien auf der Tagesordnung gestanden, und auch Kranke hätten
die zum Teil sehr schweren Arbeiten verrichten müssen. 47
Rudolf Flussmann schilderte nach dem Krieg die Situation im Lager
folgendermaßen:
"Anfangs war es [das Lager] nur als Umschulungslager
benannt worden, und später wurde es ein Straflager, wenn einer sich nach
dem Sinne der Personalstelle 48
etwas zu Schulden kommen ließ. Als ich ins Lager zu den Arbeiten kam, war
es schon ein Straflager (...) Ich hatte den Eindruck, dass man von diesen
(den Lagerinsassen) zu viel verlangte. Es hat sich ein Professionist
leicht getan, aber ein Ungelernter sehr schwer. (...) Der Angeklagte hat
sich oft geäußert, dass wir Juden zu keiner Arbeit fähig sind, obwohl
jeder von uns sein Bestes an Kraft und Intelligenz gab. Wir mussten um 3
Uhr Früh aufstehen und mussten gleich mit den schweren Landarbeiten
beginnen. Es waren Leute dabei, die nie einen Rechen gesehen haben oder
überhaupt ein landwirtschaftliches Werkzeug. In seiner primitiven Art
meinte er [Walcher], solche Leute seien nicht wert zu leben, sie hätten
kein Lebensrecht.49
Nach der Arbeit hätten sie anfangs exerzieren müssen; von
dieser Praxis sei jedoch abgegangen worden, nachdem Bauern der Umgebung
protestiert hatten.
Gelegentlich wurden einzelne jüdische Arbeitskräfte auch
außerhalb des Lagers beschäftigt: So war Jaques Schafranek, ein Sattler und
Tischler, im Sommer 1941 für einige Tage im Sägewerk Schnötzinger
beschäftigt, um Holz für eine am Sandhof zu errichtende Hütte zu schneiden.
Er kehrte jeden Abend zum Schlafen ins Lager zurück. 50
Grundsätzlich und auch am Sandhof waren die jüdischen
Arbeitskräfte auf die eigens für Juden bestimmten Lebensmittelkarten
angewiesen, die wesentlich kleinere Rationen vorsahen, als sie der übrigen
Bevölkerung zustanden, und sie erhielten offenbar auch keine Zulagen. Die
Lebensmittelkarten für den Sandhof wurden von der Gemeinde Windhag an den
SS-Lagerleiter ausgefolgt. Die Rationen waren jedoch ungenügend, da die
jüdischen Arbeiter nicht einmal das, was ihnen aufgrund der Karten
zugestanden wäre, tatsächlich erhielten. Wie der ehemalige jüdische
"Partieführer" Flussmann nach dem Krieg angab, wurden Lebensmittel von der
SS-Lagerverwaltung für eigene Zwecke abgezweigt. 51
Walcher bezog die Lebensmittel beim örtlichen Kaufmann.
Deponiert wurden sie im Wirtschaftsgebäude des Lagers, wo dem jüdischen Koch 52
jeden Montag die entsprechende Menge, meist von Walchers Frau, übergeben
wurde. Laut Flussmann behielt diese bestimmte Nahrungsmittel - etwa Grieß
und Haferflocken für sich und ihre Kinder zurück. Wie Flussmann und
verschiedene andere Zeugen angaben, hätten die Lagerinsassen ohne die
Zuwendungen der umliegenden Bauern Hunger leiden müssen.
Gelegentlich wurden auch im Lager Sandhof wegen
Verfehlungen von Insassen Kollektivstrafen verhängt, zu denen neben der
Streichung der Mittagspause Essensentzug gehörte. 53
b) Doppl
Das Spektrum der von den jüdischen Zwangsarbeitern in
Doppl zu verrichtenden Arbeiten umfasste gemäß den erhaltenen
Diensteinteilungsplänen vorrangig Forstarbeiten, landwirtschaftliche
Arbeiten, Bauarbeiten und Tätigkeiten beim Straßenbau. Bäume mussten
gefällt, zu Tal gebracht und mit Lastwägen oder Pferdefuhrwerken zur Fabrik
transportiert werden. Die Arbeitskräfte wurden auch immer wieder für
Erntearbeiten und sonstige landwirtschaftliche Hilfsarbeiten an die Bauern
der Umgebung verborgt.
Als weitere Tätigkeiten wurden in den Tagesrapporten
Pflastern des Hofes, Sandgewinnung aus dem Fluss, Förderung von Steinen aus
dem Steinbruch bei Doppl, Schneeschaufeln, Erdarbeiten, das Stopfen von
Strohsäcken, Kohleschaufeln und Pappeladen angeführt. 54
In der Fabrik wurde das Holz zu Scheiten geschnitten und händisch geschält,
sodann weiter zerkleinert und mit Wasser zu einem Brei verrührt. Aus der so
entstandenen Masse wurden die Kartons gefertigt.
Die Fabrik wurde mit Braunkohle betrieben, die auf
Donauschleppern geliefert wurde. Doppl lag etwa eineinhalb Stunden Fußmarsch
von der Donau entfernt. 55
Der Überlebende Hermann Riegler gab dazu nach dem Krieg zu Protokoll:
"In diesem Schleppdampfer befanden sich 650 t Kohle,
die wir mit Karren ausladen mussten. Der Kapitän des Schiffes behauptete,
dass dies in 4 Tagen unmöglich zu entladen wäre, worauf ihm [der
SS-Lagerleiter] W. [Weiszl] eine Wette um ein Fass Bier antrug, dass dies
unter seinem Kommando doch geschehen werde. Nach alter Methode, die
Peitsche und Stiefel gebrauchend, gewann W. auch tatsächlich die Wette.
Wir hatten jedoch davon nur blutige Hände, Striemen und blaue Flecken." 56
Die jeweilige Arbeitseinteilung lässt sich aufgrund der
erhaltenen Überlieferungen aus dem Lager rekonstruieren. Am Montag, dem 24.
Juni 1940, betrug der Lagerstand insgesamt 66 Mann. Um 4.45 Uhr war
Tagwache, um 5.45 Uhr wurde im Rahmen des Appells die Arbeitseinteilung
bekannt gegeben. 25 der 66 Lagerinsassen befanden sich zu diesem Zeitpunkt
im Außendienst in Rohrbach; zwei wurden an diesem Tag in der Küche
eingesetzt, drei im Stalldienst, einer als Schäfer, zwei im Stubendienst,
vier bei Feldarbeiten, acht bei Straßenarbeiten, zehn zur Steingewinnung,
vier zu Haus- und Hofarbeiten, einer zu Aufräumungsarbeiten. Ein
Lagerinsasse befand sich auf Urlaub, einer war "marod", vier sollten
"diverse Arbeiten" verrichten. An diesem Tag standen die Steingewinnung für
den Straßen- und Brückenbau, Planierungsarbeiten an der Brücke,
Straßenarbeiten, das Jäten von Unkraut sowie Haus- und Hofarbeiten im
Mittelpunkt der Tätigkeiten. Arbeitsschluss war um 18 Uhr, um 18.15 fand der
Abendappell statt. 57
Anhand der erhaltenen Lagerprotokolle lässt sich auch
nachvollziehen, mit welchen Arbeiten die einzelnen Insassen zu verschiedenen
Zeiten beschäftigt gewesen sind. Ernst Wulkan etwa musste im Laufe des
November 1940 Holz schneiden und hacken, Pappe laden und mit dem Lastauto
transportieren sowie Hilfsarbeiten bei "arischen Handwerkern" und
Forstarbeiten verrichten. Insgesamt hatte er in diesem Monat drei von 30
Tagen dienstfrei. 58
Am 3. Juni 1940 wurden 25 Juden zwischen 15 und 18 Jahren
zum Straßenbau in die Gemeinde Rohrbach delegiert, am 11. August 1941
neuerlich 12 Mann. Die Verköstigung, Verpflegung und alle sonstigen
Mehrkosten hatte die Gemeinde zu bestreiten. Diese Arbeitskräfte wurden
teilweise direkt von einem SS-Mann beaufsichtigt, teilweise lediglich vom
SS-Lagerführer kontrolliert, was auch für sonstige Außenarbeiten galt. 59
Gemäß den Berichten von Überlebenden waren die Betroffenen in den Sommern
1940 und 1941 jeweils etwa vier Wochen in Rohrbach im Einsatz und wohnten
auch dort. Sie kamen dabei auch in Kontakt mit anderen Zwangsarbeitern,
nämlich französischen Kriegsgefangenen.60
In Anbetracht der schweren Arbeit war die Ernährung der
Lagerinsassen in Doppl unzureichend. In den im Lager geführten
Aufzeichnungen wurde jeweils auch der tägliche Speiseplan vermerkt: Am 4.
September 1941 gab es beispielsweise zum Frühstück ein Marmeladebrot,
mittags eine Mehlsuppe, zwei Stück Brot und Kartoffel mit Salzgurken, abends
eine Gulyassuppe mit Brot. 61
Gelegentlich, so berichten Überlebende, erhielten sie verbotenerweise in
der Bäckerei von Altenfelden Brot ohne Marken.62
Das Personal
Als der damals 39jährige Rudolf Flussmann 63
am 26. November 1939 als "Hilfsarbeiter" im "Umschulungslager" der SS Gut
Sandhof eintraf, war dort ein SS-Unterscharführer Charam oder Charans64
Lagerführer und Anton Ebenberger Verwalter. Robert Walcher kam erst im
Februar 1941 auf das Gut. Laut Flussmann musste Ebenberger bereits zwei
Monate später nach Unstimmigkeiten mit Walcher und der Wiener Zentralstelle
(SS-Untersturmführer Brunner sowie SS-Hauptsturmführer Gutwasser aus dem
RSHA) das Lager verlassen.65
Von März 1940 bis Jänner 1941 (mit einer kurzen
Unterbrechung von 28. Oktober bis 12. November 1940) war Anton Zita zunächst
als SS-Sturmmann, dann als SS-Rottenführer und als SS-Unterscharführer" am
Sandhof eingesetzt. Die Standeslisten wurden von ihm als "Lagerführer"
unterschrieben. 66
Anton Zita, geboren 1909 in Göllersdorf, war vor dem
Krieg Tischlergehilfe in Wien gewesen. Als langjähriges illegales NSDAP- und
SS-Mitglied hatte er sich im Frühjahr 1938 bei der "Betreuungsstelle" Wien
um "irgend eine öffentliche Anstellung" beworben und war der Zentralstelle
zugewiesen worden. Im Herbst 1939 hatte Zita zu der nach Nisko am San
delegierten SS-Mannschaft gehört.
Nach seinem Einsatz am Sandhof fungierte Zita als
SS-Aufseher in den Wiener Sammellagern. Ab Februar 1943 gehörte er zu dem
von Alois Brunner geleiteten Sonderkommando, das für die Beraubung und
Deportation der Juden Salonikis verantwortlich war, im Sommer 1944
beteiligte er sich an den Deportationen aus Frankreich. 67
Zita wurde als Lagerleiter offenbar im April 1940 von
Alfred Slawik abgelöst, der bis August 1940 am Sandhof blieb. Am 20. Oktober
1913 in Wien geboren und von Beruf ursprünglich Selcher, war Slawik bereits
während der Verbotszeit illegales SS-Mitglied gewesen. Anfang Februar 1939
war er als SS-Sturmmann in die Zentralstelle eingetreten und dort zunächst
beim Wach-, später beim Telephondienst eingesetzt und schließlich auch nach
Nisko gesandt worden. Vom Sandhof wurde er als Lageraufseher nach Doppl
abgeordnet. 68
Eine ehemalige Sekretärin der Wiener Zentralstelle,
Gertrude Plattensteiner, gab nach dem Krieg zu Protokoll, Slawik habe gemäß
den Berichten anderer SS-Leute in Nisko aus Heimweh geweint.
"Der Beschuldigte war das, was man in Wien ein Seicherl
nennt, ein typischer Liebediener, der im Stande war, einen Kollegen zu
vertratschen und nachher aus Reue sich zu entschuldigen." 69
Flussmann verwies auf Gerüchte, wonach Slawik strafweise
aus Doppl abgezogen worden sei, nachdem er sich dort Verschiedenes habe zu
Schulden kommen lassen. 70
Slawiks eigene Version lautete, er sei "von dort strafweise abgelöst
[worden], weil man meine Lagerleitung als Sanatoriumsbetrieb bezeichnet
hatte".71
Aussagen von Überlebenden unterstreichen den Zynismus dieser Aussage. So
berichtete etwa Erwin Diamant, Slawik habe die jugendlichen Arbeitskräfte
sofort nach deren Ankunft in Doppl wegen ihrer angeblichen "unerhörten
Schlappheit" strafexerzieren lassen.72
Slawik gehörte wie Zita zeitweilig zu den SS-Aufsehern in
den jüdischen Sammellagern in Wien und fungierte als "Ausheber" der zur
Deportation bestimmten Juden. Er galt als "Brüller" und verhielt sich den
Opfern gegenüber vielfach sadistisch. Bei späteren Einsätzen war er
gemeinsam mit anderen "Eichmann-Männern" an den Deportationen aus der
Slowakei sowie aus Saloniki und Athen beteiligt. 1944 gehörte er zu dem aus
langjährigen Mitgliedern des Eichmann-Referats im RSHA und der
Zentralstellen für jüdische Auswanderung in Wien und Prag zusammengestellten
und in Ungarn eingesetzten "Sonderkommando". Slawik wurde im April 1942 zum
SS-Scharführer, im November 1943 zum Oberscharführer befördert. 73
Gegen Kriegsende zog sich Slawik gemeinsam mit Adolf
Eichmann und einem Teil von dessen Mitarbeitern in die Gegend von Altaussee
zurück und floh dann weiter in die Gegend von Braunau am Inn, wo er sich bei
einem Bauern als Knecht verdingte. 74
1946 wurde Slawik verhaftet und dann kurzzeitig im Anhaltelager Glasenbach
interniert, von wo ihn der CIC im März 1947 an das Landesgericht für
Strafsachen Wien überstellte. Im Zuge des gegen ihn angestrengten
Gerichtsverfahrens wurde Slawik mit Urteil vom 20. September 1949 schuldig
gesprochen, vor 1938 illegal der NSDAP und der SS angehört zu haben, nach
dem Anschluss an der Aushebung von Juden mitgewirkt und verschiedene
Personen empfindlich misshandelt zu haben, wobei auf die Häufigkeit und
Rohheit dieser Übergriffe als erschwerende Faktoren hingewiesen wurde.
Slawik wurde zu fünf Jahren schweren Kerkers und Vermögensverfall
verurteilt. In dem Verfahren standen Slawiks Vergehen im Lager Hof in
Bayern, in Theresienstadt und in Budapest sowie seine Rolle bei den
Judenaushebungen in Wien im Vordergrund; seine Tätigkeit im Lager Sandhof
spielte kaum eine Rolle und wurde auch im Urteil nicht erwähnt.
Die Verwahrungs- und Untersuchungshaft von September 1946
bis September 1949 wurde in die Haftzeit eingerechnet. Vom Vorwurf der
missbräuchlichen Bereicherung wurde Slawik freigesprochen. 75
Nachdem Slawik ein dreiviertel Jahr in der Strafanstalt Stein verbracht
hatten, setzten ihn die Behörden im Mai 1950 auf freien Fuß: Die Strafe galt
als verbüßt.76
Ab Frühjahr 1941 unterstand das Lager Sandhof dem SS-Mann
Robert Walcher. Walcher war am 8. Mai 1907 in Tanzenberg, Bezirk St. Veit a.
d. Glan / Kärnten, geboren, in Kärnten aufgewachsen und dort bis 1938 als
Fleischhauer tätig gewesen. 1939 hatte er das Geschäft wegen seines Rheumas
aufgegeben und zunächst im Schlachthaus Wien gearbeitet. Nach eigenen
Angaben war er Mitte Juli der Wiener Zentralstelle zugeteilt und dort
zunächst als Torwache verwendet worden. Walcher wurde wie Zita und Slawik im
Herbst 1939 nach Nisko entsandt.
Von November 1940 bis Anfang 1941 war Walcher im Lager
Doppl eingesetzt, wo er zum Lagerführer ausgebildet werden sollte. Nach
einem kurzen Aufenthalt in Wien kam er im Februar oder März 1941 zunächst
im Rang eines SS-Unterscharführers, dann eines SS-Oberscharführers als
Aufseher auf den "Sandhof". Das Lager beschrieb er später als
"landwirtschaftlichen Großbetrieb". 77
Laut Flussmann hatte Walcher immer die SS-Uniform
getragen. Er sei von seiner Position sehr eingenommen und ein jähzorniger
und fanatischer Mensch gewesen, der rücksichtslos und unerbittlich
vorgegangen sei. Walcher habe im Laufe seiner Dienstzeit am Sandhof zweimal
das Lager verlassen, um im Sammellager Sered a. d. Waag (Slowakei) an der
Deportation der slowakischen Juden mitzuwirken. Er, Flussmann, habe von
Walcher den Auftrag erhalten, während dessen Abwesenheit aufzupassen, "dass
im Lager nichts vorfalle". Auch sei Walcher mehrfach nach Wien gefahren, um
sich dort an der Zusammenstellung der Deportationstransporte zu beteiligen. 78
Walcher war von März 1941 bis zum Einmarsch der Roten
Armee im Jahr 1945 am Sandhof tätig gewesen. Nach Kriegsende wurde er
verhaftet. Anfang November 1945 wurde er aus der Untersuchungshaft beim
Bezirksgericht Waidhofen an das Wiener Landesgericht für Strafsachen
überstellt. Walchers Frau Johanna wohnte nach dem Krieg weiterhin bei einem
Bauern in der Umgebung des ehemaligen Lagers. 79
Walcher wurde mit Urteil vom 3. Dezember 1946 schuldig
gesprochen, zahlreiche Personen empfindlich misshandelt zu haben - und zwar
als Kommandant und Verwalter des Judenlagers Sandhof-Windhag zwischen April
1941 und Herbst 1943, als stellvertretender Wachführer des Lagers Doppl bei
Linz 1941 sowie in den jüdischen Sammellagern in Wien. Das Gericht sah es
ferner als erwiesen an, dass er in der Zeit von 1940 bis 1945 in der
Absicht, sich unverhältnismäßige Vermögensvorteile zuzuwenden, jüdisches
Vermögen an sich gebracht, der SS angehört und sich bereits in der
Verbotszeit als illegaler Nationalsozialist betätigt hatte. 80
Walcher wurde wegen Quälerei und Misshandlung, wegen
missbräuchlicher Bereicherung gemäß § 6 Kriegsverbrechergesetz (KVG) und
Hochverrats zu zehn Jahren schweren Kerkers sowie Vermögensverfall
verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es:
"Das Lager [Sandhof] führte den Titel
Umschulungslager, angeblich für landwirtschaftliche Umschulung von
Juden, welche auswandern wollten. In Wirklichkeit wurden die Juden während
der Gewaltherrschaft durch Drangsalierungen zur Auswanderung gezwungen
bzw. gewaltsam aus der Heimat verschleppt und in Polen etc. angesiedelt u.
dort der Vernichtung zugeführt. Bevor es dazu kam, wurden sie in Lagern,
wie es die Lager Sandhof, Doppl und andere waren, zur Sklavenarbeit
angehalten. (...) Wer die schwere Arbeit leisten konnte, hatte es hiebei
besser. Wer sich aber ungeschickt zu der ungewohnten Arbeit anstellte, war
den unberechenbaren Zornausbrüchen des Angeklagten wehrlos und rechtlos
ausgeliefert. Es wurde auch niemals auf den Gesundheitszustand der
Arbeitenden Rücksicht genommen. Hiedurch haben auch mehrere Insassen (...)
an ihrer Gesundheit Schaden erlitten. Wer dem Angeklagten für die
geforderten Arbeiten nicht taugte, wurde ausgeschieden und der zuständigen
Stelle zur Verfügung gestellt. In mehreren Fällen wurde auch auf den
Entlassungsdokumenten vom Angeklagten der Vermerk Polen mit Blaustift
eigenhändig beigesetzt. Die Lagerinsassen lebten und arbeiteten im Lager
daher in ständiger Angst vor dem Angeklagten." 81
Im Zuge des Beweisverfahrens wurden einzelne Übergriffe
Walchers detailliert geschildert. So waren mehrere Lagerinsassen an einem
als "schwarzer Freitag" in die Geschichte des Lagers eingegangenen Tag bei
der Heuernte von Walcher derart mit Rechen verprügelt worden, dass dabei ein
Dutzend Rechen zu Bruch gegangen waren. Einen anderen jüdischen Arbeiter
hatte er aufs gröbste misshandelt, weil dieser die ihm vorgeschriebene
Arbeit das Planieren der Lagerstraße mit einer 600 kg schweren Walze
nicht zu Walchers Zufriedenheit verrichten konnte. Zwei junge Lagerinsassen,
die sich geweigert hatten, wilde Ochsen einzuspannen, hatte Walcher mit
Schlägen und Essensentzug bestraft. Bereits in Doppl hatte er wiederholt
Insassen misshandelt, Essensentzug und Sonntagsarbeit verordnet und
gegenüber dem jüdischen Arbeiter Walter Neuhaus zynisch geäußert, dass es im
Lager Doppl im Vergleich zu Polen, wo er sogar auf Juden habe schießen
dürfen, "fad" zugehe.
Im Zusammenhang mit dem Tatbestand der missbräuchlichen
Bereicherung stellte das Gericht Folgendes fest:
"Die Bereicherungsfälle sind solcher Art, wie sie
gegenüber damals wehrlosen Juden in Evakuierungs- und sonstigen Fällen
häufig an der Tagesordnung waren. Dazu gehört auch die Zuweisung von
Möbeln aus der evakuierten Wohnung Bauer (Wallriessgasse) bzw. aus dem
Evakuierungslager [sic!] Witke. 82
Hiebei war auch dem Walcher bekannt, dass es sich bei diesen Evakuierungen
und bei den Zuweisungen hiebei weggenommener Möbel nicht um gesetzliche,
sondern um reine Gewaltmaßnahmen handle. Hiezu gehört ferner die Zuweisung
etlicher Zuchthasen des Alexander Klarfeld an den Hasenstall Walchers nach
dem Sandhofe und der Missbrauch der Arbeitskraft der Juden, ohne
gesetzliche Dienstverpflichtung zu Möbeltransporten und zum Aufräumen der
Wohnung Walchers im Sandhof und die missbräuchliche Verwendung solcher
Lebensmittel, welche für die Lagerinsassen zugewiesen wurden, wie zum
Beispiel von Öl, wovon die Juden niemals etwas erhielten. Es ist nicht
förmlich erwiesen, aber es besteht weiters der dringende Verdacht, dass
sich der Angeklagte auch gelegentlich von Transportbegleitungen, bei
seinem Aufenthalt in der CSR und dergl. auf naziübliche Weise an Judengut
bereichert hat."83
Wie in einem Artikel im "Ybbstaler Wochenblatt"
festgestellt wurde, hatte sich der "Judenpeiniger" vor Gericht "vollkommen
verstockt, gefühlskalt und reuelos" gezeigt. 84
Mehrere Ansuchen von Walchers Gattin um vorzeitige Begnadigung wurden
zunächst abgewiesen. Aufgrund eines Gnadenaktes des Bundespräsidenten galt
Walchers Strafe, die er in der Strafanstalt Stein an der Donau absaß, dann
aber doch schon am 3. Juli 1951, also fast vier Jahre vor dem ursprünglich
festgesetzten Strafende, als verbüsst. Nach Genehmigung der
Stadtkommandantur Krems (Walcher war ab 3. Juli als Verwahrungshäftling der
Sowjetischen Besatzungsmacht angehalten worden) wurde er am 29. Oktober 1951
auf freien Fuß gesetzt.85
Nach Angaben Flussmanns hatte sich das SS-Personal am
Sandhof auf jeweils einen Aufseher beschränkt. Der gefürchtetste sei Walcher
gewesen, der mit seiner Frau im Lager gelebt und nach dem Weggang
Ebenbergers auch die Verwaltung übernommen habe. Walchers Frau habe zwar in
der Wirtschaft mitgeholfen, sich aber manchmal "recht unanständig" gegenüber
den Lagerinsassen benommen, besonders bei der Lebensmittelzuteilung. Walcher
und seine Frau hätten getrennt von den jüdischen Insassen gewirtschaftet.
Neben dem SS-Personal habe noch eine (nichtjüdische) Magd (Marie Scharner)
im Lager gearbeitet. 86
Auch andere Zeugenaussagen vermitteln den Eindruck, dass
zumindest während der Dienstzeit Walchers keine anderen SS-Männer
längerfristig im Lager stationiert gewesen sind. Das Lager in Windhag wurde
mehrmals vom Leiter der Wiener Zentralstelle, Alois Brunner (Brunner I),
inspiziert, der sich mit Walchers Tätigkeit sehr zufrieden zeigte. 87
In den Windhager Quellen scheinen allerdings punktuell
noch einige andere Namen von SS-Männern auf, die höchstwahrscheinlich alle
aus der Wiener Zentralstelle kamen 88 :
[Friederich] Kucera (30. und 31. Mai 1941 als "Lagerführer" am Sandhof);
Rudolf Heischmann (am 25. September 1941 nach Wien abgereist); der
SS-Wachmann Karl Swoboda (ab 26. Juni 1943 am Sandhof, am 23. Juli 1943 nach
Prag abgereist) sowie der SS-Angestellte und Wachmann Franz Spatzer (scheint
anderswo als Spazier auf; am 25. Juli 1943 genannt).89
Flussmann verwies in seiner Aussage auf eine vom Befehlshaber der
Sicherheitspolizei und des SD, Zentralamt für die Regelung der Judenfrage in
Böhmen und Mähren in Prag, ausgestellte und von SS-Untersturmführer Ernst
Girzick unterzeichnete Vollmacht vom 16. August 1943 (also bereits nach
Auflösung der Wiener Zentralstelle), wonach SS-Oberscharführer Robert
Walcher und der SS-Sturmmann Franz Spazier (oder Spatzer) Postsendungen für
das Lager Sandhof beim Postamt Waidhofen a. d. Ybbs hatten beheben dürfen.90
Wie erwähnt, waren Slawik und Walcher auch in Doppl
eingesetzt worden. Die zentrale Figur seitens der SS war dort jedoch Josef
Weiszl. Weiszl war am 3. März 1912 in Felsöderna, Rumänien, geboren worden
und als Kind mit seinen Eltern nach Wien gekommen. Vor dem Anschluss war er
immer wieder arbeitslos gewesen. Nach eigenen Angaben hatte ihm sein beim SD
in Wien tätiger Schwager, Willhelm Höttl, danach den Eintritt in die SS bzw.
in den SD erleichtert. Gemäß einem Schreiben des SD-Führers des
SS-Oberabschnitts Donau vom 28. November 1938 war Weiszl zunächst zu einer
sechsmonatigen Probedienstzeit von sechs Monaten hauptamtlich in den SD
einberufen und der Zentralstelle zugeteilt worden, wo er bis Mitte 1939 im
Innendienst tätig war. Dann war er zur Zentralstelle nach Prag kommandiert
worden. Nach eigenen Angaben war er in beiden Zentralstellen zunächst mit
der Überprüfung der Auswanderungspapiere der Juden befasst und wurde nach
einer Erkrankung Anfang 1940 Mitte des Jahres als Lagerführer in das
"Judenlager" Doppl versetzt, wo er bis Ende 1941 auch mit der Führung der
Buchhaltung in der dazugehörigen Pappfabrik betraut war. 91
Wie er seiner Frau stolz berichtete, wurde gleich nach seiner Ankunft in
Doppl "das Essen für die Juden (...) entsprechend gekürzt".92
Seiner Frau vertraute Weiszl an, dass er abgesehen von der Buchhaltung und
der Aufsicht über das "Judenlager" - keinerlei Verantwortung für den Betrieb
in Doppl übernehmen wolle:
"Ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen, mache hier
irgend einen Schnitzer und lasse mir dann den Hosenboden aufreißen dafür." 93
Diese Einstellung hinderte Weiszl nicht daran, seine
Position zu seinem persönlichen Vorteil zu nutzen. Wiederholt ließ er seiner
Frau und anderen Verwandten größere Mengen von Lebensmitteln (Kartoffel,
Geflügel, Äpfel etc.) zukommen, wobei zum Teil jüdische Lagerinsassen die
Pakete zum nächstgelegenen Bahnhof transportierten mussten. 94
Offenbar wusste sich Weiszl auch mit den Bauern der Umgebung gut zu stellen,
denn er wurde auch von diesen mit Lebensmitteln versorgt. Seiner Frau
schrieb er:
"Also ich kann Dir nur sagen, ich habe mir die Leute
hier schon eingebraten, damit wir zu Weihnachten etwas Anständiges zu
futtern haben werden." 95
Unter Anspielung auf eine Verwandte, die offenbar wie er
mit jüdischen Zwangsarbeitern zu tun hatte, schrieb Weiszl an seine Frau:
"Wie geht es Resi mit den Juden? Also, schön langsam
werden wir in der Familie alle Judengeneräle! Bei mir hört es sich ja noch
ganz schön an: Judenkaiser von Doppl! Aber bei der Resi? Habsburger
Judenkaiserin? 96
(...) Hoffentlich ist sie von der Angelegenheit schon erlöst! Ich kann es
ihr leicht nachfühlen, was das heißt, immer nur mit Juden arbeiten zu
müssen."97
Weiszl war unter den Insassen des Lagers wegen seiner
Brutalität gefürchtet:
"Der unter dem Namen Bluthund bei uns im Lager
bekannte Weiszl trieb uns niemals anders als mit der Hundepeitsche zur
Arbeit an, ja selbst die Fieberkranken wurden von ihm mit der Peitsche aus
den Betten geholt (...). Die Pakete, welche wir zu Weihnachten von zu
Hause erhielten, wurden von Weiszl geöffnet, die guten Sachen wie Schnaps
etc. von ihm entwendet, und nur die belanglosen Dinge wurden uns
ausgefolgt",
gab Adolf Volk, der von Oktober 1940 bis Anfang Februar
1941 in Doppl gewesen war, nach dem Krieg zu Protokoll. 98
Nach Aussage des Überlebenden Erich Jelinek hatte Weiszl das den
Arbeitskräften gebührende Fleisch nur zum geringsten Teil an diese
ausgefolgt.99
Hermann Riegler gab an:
"Wir hatte vor W. auch andere Lagerführer, doch keiner
kam ihm an Fanatismus und Brutalität gleich." 100
Nach Angaben des Zeugen Walter Neuhaus hatte Weiszl
anlässlich der Lagerinspektionen durch Alois Brunner immer besonders
gewütet. 101
Ende 1941 wurde Weiszl zurück nach Wien beordert, um sich
im Zuge der Deportationen bis August 1942 an der "Aushebung" von Juden und
deren Überstellung in die Sammellager zu beteiligen. Nach Einschätzung von
Walter Schwarz, der als jüdischer Kurier bei der Zentralstelle beschäftigt
gewesen war, war Weiszl auch hier "der gefürchtetste von allen SS-Leuten"
gewesen.
"Er ging stets mit einem Rohrstab zu den Aushebungen,
mit welchem er die Leute schwer misshandelte." 102
Im August 1942 wurde Weiszl nach Berlin versetzt,
anschließend von März bis Ende Juni 1943 wieder nach Prag, von wo aus er
auch Kurierfahrten nach Theresienstadt durchführte. Weiszl, der bereits in
Doppl ausreichend Erfahrungen gesammelt hatte, hatte offenbar auch im
"Protektorat Böhmen und Mähren" mit einem ähnlichen Lager zu tun. Wie aus
einem Brief an seine Frau vom10. Mai 1943 hervorgeht, plante er für den
nächsten Tag eine Fahrt auf das etwa 100 Kilometer von Prag entfernte Gut
Linden (Lipá):
"Wir haben dort einen Transport mit Juden zum abholen.
Ich weiß noch nicht, wie lange wir dort bleiben, aber ich glaube, 2 3
Tage wird es sich schon ziehen. Dort ist nämlich auch so ein
Umschulungslager, wie in Doppl war, nur mit den [sic!] Unterschied, dass
dort heute noch ungefähr 300 Juden sind. (...)" 103
Von Prag wurde Weiszl Anfang Juli 1943 nach Paris
kommandiert, wo er sich ebenfalls an den Judenrazzien beteiligte. Bis März
1944 war er Mitglied der SS-Mannschaft des Durchgangslagers Drancy bei
Paris. Bevor er im November des Jahres nach Prag zurückkehrte, war er einer
Dienststelle in Lyon zugeteilt. Im März 1941 war er zum SS-Unterscharführer,
im Frühjahr 1943 zum SS-Oberscharführer befördert worden.
Bis gegen Kriegsende blieb Weiszl in Prag und flüchtete
dann in Richtung Wien, wo er im August 1945 verhaftet wurde. 104
Von Ende August 1945 bis Anfang März 1947 befand er sich in
Untersuchungshaft und wurde dann an die französische Militärbehörde
überstellt. Mit Urteil des Militärgerichtshofs Paris vom 8. Februar 1949
wurde er wegen Anstiftung und Beihilfe zum Mord und zur Freiheitsberaubung
zu lebenslanger Haft verurteilt. 1952 wurde die Strafe in 20jährige Haft
umgewandelt; doch Weiszl konnte bereits im Dezember 1955 nach Österreich
zurückkehren. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7.
Mai 1956 wurde er außer Verfolgung gesetzt. Der ehemalige SS-Lagerleiter
Weiszl wurde als "Spätheimkehrer" sogar von der Heimkehrerfürsorge erfasst.105
In den Tagesrapporten des Lagers Doppl scheinen noch
verschiedene andere Namen von SS-Männern auf, die offenbar temporär im Lager
stationiert gewesen sind: ein SS-Hauptscharführer Neubert und
SS-Untersturmführer Karl Bergel, Anton Buder und Friederich Kucera (alle im
Juni 1940) sowie ein "Lagerleiter" Kindermann. Immer wieder stoßen wir auch
auf einen als "Verwalter" bezeichneten "Parteigenossen" Eichberger (auch
Aichberger). 106
Gemäß den Angaben von Josef Weiszl in seinem Verfahren war Kindermann der
Leiter der Pappefabrik gewesen und hatte mit dem Lager eigentlich nichts zu
tun gehabt; Kindermanns Frau habe die Buchhaltung für die Fabrik geführt.
Nach Kindermann habe Neubert die technische Leitung der Fabrik und er,
Weiszl, die Buchhaltung übernommen.107
Karl Bergel hatte Mitte 1940 offenbar Berichte über das
Lager zu erstellen, die von SS-Hauptsturmführer Gutwasser telephonisch
eingemahnt wurden. Für 3. Juni wurde vermerkt, dass SS-Sturm Alfred Slawik
das Lager von SS-Rottenführer Anton Buder übernommen habe. Buder sollte bis
zu seiner Abkommandierung durch SS-Hauptsturmführer Gutwasser als Lagerwache
bzw. zur Bewachung der beim Straßenbau in Rohrbach eingesetzten Juden
bleiben. Am 10. Juni traf SS-Mann Kucera mit einem Begleitschreiben aus
Wien, das die Abkommandierung Buders zum Gegenstand hatte, im Lager ein. Am
nächsten Tag wurde Kucera vom Lagerführer im Auftrag der Zentralstelle und
Gutwassers nach Rohrbach kommandiert. 108
Für den 31. Juli 1940 wurde festgehalten, dass der
SS-Mann Alfred Slawik drei Ohnmachtsanfälle erlitten habe. Anscheinend
wurde er in der Folge durch den meist als "Wacheführer" titulierten Josef
Weiszl abgelöst, denn die Tagesrapporte sind ab Mitte August 1940 nicht
mehr von Slawik, sondern von Weiszl gezeichnet. Im Juli findet sich
teilweise die Unterschrift von Friederich Kucera, Ende November und im
Dezember 1940 auch die Robert Walchers. Dieser war am 24. September 1940
zur Verstärkung der Lagerführung in Doppl eingetroffen; am 25. Jänner 1941
wurde "Lagerführer" Walcher nach Wien abberufen. 109
In mehreren Briefen an seine Frau erwähnte Weiszl Neubert
und sprach im Zusammenhang mit diesem von einer äußerst gespannten
Situation. Er und Neubert würden keine Silbe mehr, als für das Geschäft
unbedingt notwendig, miteinander sprechen. Das genaue dienstliche Verhältnis
zwischen den beiden SS-Männern bleibt unklar. Gemäß Weiszls Berichten hatte
sich Neubert bei Inspektionen auch mit Brunner und einem gewissen Rüger
angelegt. Mehrfach war von einem bevorstehenden Abgang Neuberts die Rede,
der sich jedoch immer wieder verzögert zu haben scheint. 110
Nach Beginn der Kaufverhandlungen mit der Firma Manner wurde zwischen der
Zentralstelle und der Schokoladenfirma offenbar vereinbart, dass Neubert von
Manner übernommen werden sollte, weil niemand anderer zur Führung des
Betriebes zur Verfügung stand.111
Möglicherweise handelte es sich bei Neubert um den von
mehreren Überlebenden erwähnten "Sachsen", der ebenfalls der SS angehört,
verglichen mit dem sadistischen Weiszl aber "anständiger" gewesen sei und
als Verwalter der Fabrik fungiert habe. 112
In den Tagesrapporten wurden auch Inspektionen des Lagers
durch SS-Männer aus der Wiener Zentralstelle und dem RSHA in Berlin
festgehalten: Am 25. Juni 1940 wurden Gut und Lager von SS-Hauptsturmführer
Gutwasser im Beisein von SS-Hauptscharführer Neubert sowie Parteigenosse
Eichberger kontrolliert, wobei betreffend Buchführung und Lager kein Grund
zur Beanstandung gefunden wurde. Am 15. Juli fand eine Inspektion durch
SS-Standartenführer Adolf Eichmann, Gutwasser, Untersturmführer Brunner und
Bergel statt. Am 16. August kontrollierten Eichberger, Gutwasser und
Obersturmführer Karl Grewenig 113
das Lager, am 20. September Grewenig und Brunner. Am 2. Oktober 1940 fand
eine längere Inspektion durch Grewenig, Brunner und Scharführer Ferdinand
Daurach statt. Am 15. Oktober hielt Brunner den Frühappell. Weitere
Inspektionen durch Brunner und Grewenig gab es am 31. Oktober und am 20.
November 1940. Am 28. Mai 1941 traf der nunmehrige Obersturmführer Brunner
mit einer Kommission zur Inspektion im Lager ein; Ende September 1941 hielt
sich Brunner abermals mit einer Kommission in Doppl auf.114
Warum im Zusammenhang mit Doppl immer wieder Richard
Gutwasser und Karl Bergel auftauchen, lässt sich nicht eindeutig erklären.
Gutwasser war im Eichmann-Referat IV B 4 im RSHA in Berlin für die Besitz-
und Eigentumsverwaltung der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland"
der Mitte 1939 im Auftrag des RSHA gegründeten Zwangsvereinigung aller im
"Altreich" lebenden (also auch der nichtmosaischen) Juden - zuständig.
115 Obersturmführer Karl Bergel wurde
später stellvertretender Lagerkommandant des jüdischen Ghettos in
Theresienstadt. Gemäß den Aussagen der ortsansässigen Margarete Pühringer
war der aus Berlin stammende Bergel nach Weiszl Lagerleiter gewesen und
hatte mit seinen drei Kindern am nahegelegenen Leitenbauerngut ein ganzes
Stockwerk gemietet. Dem Leitenbauern habe er öfters Juden zur Arbeit in der
Landwirtschaft zur Verfügung gestellt. Wie Weiszl dürfte auch er öfter eine
Peitsche verwendet haben.116
Die Befassung Gutwassers mit dem Lager Doppl und die
Besuche des inzwischen im RSHA in Berlin tätigen Adolf Eichmann scheinen
jedenfalls zu beweisen, dass sich nicht nur die Wiener Zentralstelle,
sondern auch deren vorgesetzte Stelle, das Referat IV D 4 (bzw. IV B 4) im
RSHA intensiv für die Zustände in den beiden Lagern interessiert hat.
Zum Verhältnis der ortsansässigen Bevölkerung zu den
jüdischen Lagerinsassen liegen kaum Quellen vor. Einen diesbezüglichen
Eindruck vermitteln lediglich Berichte von Zeitzeugen. In verschiedenen
Aussagen im Verfahren gegen Robert Walcher wurden die von der Lagerleitung
eigentlich verbotenen Lebensmittelzuwendungen der ortsansässigen Bauern und
Beschwerden von Bauern über die Misshandlung von Insassen des Lagers Sandhof
erwähnt.
Im Hinblick auf das Lager Doppl entsteht demgegenüber der
Eindruck, dass die SS gute Kontakte zur einheimischen Bevölkerung
unterhalten hat. Er scheint auch durch die Tatsache bestätigt, dass nach dem
Krieg flüchtige SS-Männer, die zuvor in Doppl bzw. der Wiener Zentralstelle
Dienst getan hatten, bei Einheimischen in der Umgebung des Lagers
Unterschlupf suchten.
Als Georg M. Hafner und Esther Schapira vor einigen
Jahren für eine TV-Dokumentation über Alois Brunner in der Umgebung von
Doppl recherchierten, berichtete ihnen der Sohn der verstorbenen Gastwirtin
und Fleischhauersgattin Stephanie Wöss in Lembach, Eichmann und Brunner
seien häufige und "gute Gäste" im Wirtshaus Wöss (heute "Lembacher Tenne")
gewesen, und Eichmann habe die Gegend bereits in seiner Junggesellenzeit
immer wieder aufgesucht. Brunner habe sich bei seinen Besuchen in Doppl
manchmal in Begleitung seiner damaligen Verlobten Anni befunden und im
Wirtshaus genächtigt. Dort hätten auch gesellige Abende der SS
stattgefunden, an denen zuweilen auch Eichmann mit "Mitzi" (Maria
Mösenbacher) teilgenommen habe.
Nach dem Krieg hielt sich Alois Brunner mit seiner
nunmehrigen Ehefrau Anni nochmals in Doppl auf. 117
Die schwangere Anni Brunner schlüpfte nach der Besetzung Wiens durch die
Russen im April 1945 im Gasthaus Wöss in Lembach unter.118
"Am 1. April 1945 kam mein Mann nach Wien, und wir
fuhren mit meiner Mutter und meinem Mann nach Linz, von wo mein Mann nach
Prag gefahren ist und meine Mutter und ich nach kurzer Zeit ins
Mühlviertel gefahren sind, wo wir bis zum August 1945 in Lembach blieben",
gab sie im Mai 1946 bei der Polizeidirektion Wien zu
Protokoll. 119
Auch Adolf Eichmann und der ehemalige Lagerkommandant von
Sobibor und Treblinka, Franz Stangl, sollen sich in dieser Zeit in der
Gegend von Doppl aufgehalten haben. 120
Ebenso zog es den flüchtigen Josef Weiszl wieder hierher:
"Dort wollte ich verschiedene bekannte Bauern aufsuchen
und bei ihnen bleiben, bis ich nach Wien retour konnte. Das war in der
Zeit, als die Russen Österreich besetzten",
berichtete Weiszl bei einem Verhör im September 1945. 121
Hafner / Schapira vermuten, dass Weiszl wohl mit der Dankbarkeit der Bauern
gerechnet hat, denen er während des Krieges billige jüdische Arbeitskräfte
vermittelt hatte.122
Der wirtschaftliche Aspekt
Im Hinblick auf die zentrale Frage nach der
wirtschaftlichen Rentabilität der beiden Lager sind die Quellen besonders
spärlich. Diesbezügliche Aufzeichnungen der SS sind nach gegenwärtigem
Forschungsstand nicht erhalten. 123
Robert Walcher behauptete im Zuge seines Verfahrens im
Hinblick auf den Sandhof, die Erträgnisse der Landwirtschaft seien an den
Staat abgeführt worden eine Behauptung, die sich aufgrund der Quellenlage
nicht überprüfen lässt. 124
Betreffend das Lager Doppl finden sich einige wenige
Hinweise in den Briefen des u.a. auch für die Buchhaltung in der Altenfelder
Holzstoff- und Pappenfabrik zuständigen SS-Lagerleiters Josef Weiszl an
dessen Frau. Ende September 1941 erwähnte er eine Buchkontrolle und die
Überprüfung der Unterlagen betreffend Bürger-, Lohn- und Umsatzsteuer 125
durch einen Revisor des Steueramts. Er berichtete, die Buchhaltung und die
Steuerführung für das Geschäftsjahr 1941 seien in dem Bericht des Revisors
als "musterhaft" gelobt worden.126
Wie Weiszl seiner Frau des weiteren mitteilte, hatte
Alois Brunner den SS-Mann Neubert beauftragt, genau zu kalkulieren, "was uns
[die SS] die Pappe wirklich kostet". Nachdem Neubert eine völlig falsche
Berechnung vorgelegt hatte, musste Weiszl alles nochmals durchrechnen, und
zwar unter Berücksichtigung der Löhne, Krankenkassenbeiträge 127 ,
Steuern, Umlagen und Spesen, des Holz- und Kohleverbrauchs, der Abnützung
der Maschinen, sowie von Zu- und Abfuhrspesen, Porto, Telephon,
Kanzleispesen, Reparaturen an den Maschinen etc.. Diese neue Kalkulation
ergab, dass der SS, die seit dem 1. Jänner 1941 288 Tonnen erzeugt und
verkauft hatte, 162 RM an Produktionskosten pro Tonne erwachsen waren und
sie einen Verdienst von 16 RM pro Tonne - umgerechnet 800 RM Reinverdienst
pro Monat erwirtschaftet hatte, was auch mit dem tatsächlichen Kassenstand
übereinstimmte (Das Bankguthaben betrug zu diesem Zeitpunkt lediglich 1000
RM.). Weiszl berichtete seiner Frau, "die Herren" von Manner, mit denen er
das gesamte Gelände besichtigt hatte, seien angesichts des von der SS
geforderten Kaufpreises von 150.000 RM "schon ein bisschen misstrauisch"
geworden.128
Wenngleich es aufgrund der spärlichen Quellenlage den
Anschein hat, als hätten die beiden Lager wirtschaftlich nur bescheidene
Erträgnisse geliefert, so haben sie zweifellos zumindest den Zweck erfüllt,
der SS bzw. dem Personal der Zentralstelle in Kriegszeiten zusätzliche
Nahrungsmittelrationen zu sichern was im vorliegenden Beitrag ja bereits
am Beispiel von Josef Weiszl illustriert wurde. Betreffend den Sandhof
berichtete der Zeuge Flussmann, Lebensmittel aus dem Lager seien für
Kameradschaftsabende der SS nach Wien gebracht worden, und auch sonst habe
die SS von Zeit zu Zeit Lebensmittel abgeholt. Dabei handelte es sich
offenbar zumindest teilweise um Produkte, die den jüdischen Arbeitern
aufgrund der Lebensmittelkarten zugeteilt, aber nicht ausgefolgt worden
waren (etwa Grieß, Öl, Sacharin etc.). 129
Die Entschädigungsproblematik
Die während des Krieges in Doppl und Sandhof eingesetzten
jüdischen Zwangsarbeiter werden erst in jüngster Zeit für ihren
unfreiwilligen Aufenthalt in diesen Lagern entschädigt, und zwar im Rahmen
des am 24. Oktober 2000 in Kraft getretenen Versöhnungsfondsgesetzes. 130
Aufgrund eines Komiteebeschlusses vom 20. Jänner 2003 wurden Doppl und
Sandhof erst kürzlich in eine Liste von als "KZ-ähnlich" eingestuften Lagern
aufgenommen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen seien, so das Argument,
jenen in den sogenannten "Arbeitserziehungslagern" (z.B. Oberlanzendorf,
Innsbruck-Reichenau etc.) vergleichbar gewesen. Die Lager hätten unter
SS-Aufsicht gestanden, und der Aufenthalt dort sei oft eine Vorstufe zum
Konzentrationslager gewesen. Die in den beiden Lagern verrichtete
Zwangsarbeit wird aufgrund der Neuregelung als "Sklavenarbeit" klassifiziert
und damit in der Höchstkategorie nämlich mit einer Pauschalsumme von 7.630
Euro (105.000 ATS) - entschädigt.131
Ausgenommen von der Regelung sind allerdings all jene ehemaligen
Lagerinsassen, die später in ein anderen Konzentrationslager deportiert
worden sind. Sie erhalten aufgrund eines Übereinkommens mit der BRD für ihre
gesamte Lagerzeit eine pauschale Zuwendung durch die deutsche Stiftung
"Erinnerung, Verantwortung und Zukunft".132
1 Zambal, Umschulungslager, S. 37. Im Waidhofner
Stadtarchiv befinden sich zwei Konvolute betreffend das Lager Sandhof: Ein
nur wenige Blätter umfassendes, das die Zeit vom 12.8. bis 21.9.1939
betrifft; und ein wesentlich umfangreicheres, das den Zeitraum von April
1940 bis Mai 1942 dokumentiert. Es handelt sich um Mitteilungen des Lagers
an die Gemeinde Windhag betr. Lagerstände, um Lebensmittelkarten,
Verzeichnisse wehrpflichtiger Juden, Wehrstammblätter, An- und Abmeldungen
sowie Personaldaten. Der dazwischenliegende Zeitraum ist aktenmäßig nicht
dokumentiert (S. 25). Der Vermerk, dass die frühen Lagerinsassen aus Polen
stammten, bezieht sich vermutlich auf deren Geburtsorte bzw. deren frühere
Staatsbürgerschaft. Möglicherweise stand die Einweisung dieser
Personengruppe in Zusammenhang mit dem bevorstehenden Kriegsbeginn.
2 Gruner, Zwangsarbeit, S. 179; Zeugenaussage Erwin
Diamant, Yad Vashem Archives (YVA), Jerusalem, 05 77. - Diamant, geboren
1924, kam Anfang Juni 1940 selbst nach Doppl. Er berichtet, in der
Zentralstelle habe sie der SS-Mann Alfred Slawik brüllend empfangen.
3 Gruner, Zwangsarbeit, S. 179.
4 Siehe etwa Tagesrapporte des Lagers Doppl, CAHJP, A /
W, 427, 3 und 427, 4.
5 Zeugenaussage Erwin Diamant, YVA, 05 77.
6 Tagesrapporte des Lagers Doppl, CAHJP, A / W, 427, 3
und 427, 4; - Weiszl gab in seiner Vernehmung an, die ärztliche Betreuung
habe dem Zivilarzt aus Lembach oblegen, der einmal wöchentlich bzw. in
dringenden Fällen ins Lager gekommen sei. Ein jüdischer Medizinstudent habe
die Lagerinsasen medizinisch betreut; Aussage des Beschuldigten im Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 a Vr 658 / 46, 31.3.1946, Ord.
Nr. 9, Bl. 113 b.
7 Laut Aussagen von Zeitzeugen handelte es sich um einen
Arzt.
8 Standesliste des Umschulungslagers Pappefabrik Doppl,
Altenfelden, Linz, ohne Datum, CAHJP, A / W, 427, 1.
9 CAHJP, A / W, 427, 2; 427, 3; 427, 4 und 427, 5.
10 Tagesrapporte vom 3. und 27. 6 sowie vom 8.7.1940,
CAHJP, A / W, 427, 3.
11 Channah Weiner, Aron Menczer, die "Jugend-Alijah" und
die zionistischen Bewegungen in Wien während der NS-Herrschaft, in:
Israelitische Kultusgemeinde Wien (Hrsg.), Trotz allem ... Aron Menczer.
1917-1943, Wien Köln Weimar 1993, S. 18; Interview Gabriele Anderl mit
Esra Peri.
12 Umschulungslager Doppl, Doppl bei Altenfelden,
Oberdonau, Entlassungsschein für Adolf Israel Menczer, 17.7.1940, gez. i. V.
Wacheführer SS-Mann Friederich Kucera, YVA, 0 30 62.
13 Weiner, Aron Menczer, S. 18 und 24 f..
14 Erinnerungsbericht von Esra Peri, in: Channah Weiner,
Aron Menczer, die "Jugend-Alijah" und die zionistischen Bewegungen in Wien
während der NS-Herrschaft, in: Israelitische Kultusgemeinde Wien (Hrsg.),
Trotz allem ... Aron Menczer. 1917-1943, Wien Köln Weimar 1993, S. 52.
15 = Vorabend des Schabbat.
16 Erinnerungsbericht von Ernest Wulkan, in:
Israelitische Kultusgemeinde Wien (Hrsg.), Trotz allem ... Aron Menczer.
1917-1943, Wien Köln Weimar 1993, S. 67; Interview Gabriele Anderl mit
Bernhard F. Mueller, Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999;
Zeugenaussage Erwin Diamant, YVA, 05 77. - Müller und Wulkan leben heute
in den USA, Riegler in Israel.
17 In den Tagesrapporten wurden jeweils nur die
Nachnamen von jüdischen Lagerinsassen genannt ("der Jude XY"). Im
vorliegenden Text wurde versucht, aus den vorhandenen Unterlagen die
Vornamen zu ergänzen, außer wenn es mehrere Personen mit demselben
Familiennamen gab. Auch bei den SS-Männern wurden im vorliegenden Text,
soweit feststellbar, die Vornamen hinzugefügt.
18 Was mit diesem "Prämiengeld" gemeint war, geht aus
dem Kontext nicht hervor.
19 Wie Überlebende berichten, hatte ein Lagerinsasse
zum Scherz zwei Kühen die Schwänze zusammengebunden; Interview Gabriele
Anderl mit Bernhard F. Mueller, Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan,
Wien 1999.
20 Tagesrapporte und Tagesjournale des Lagers Doppl,
CAHJP, A / W, 427, 2; 427, 3 und 427, 4.
21 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
22 Der die Firmengeschichte während der NS-Zeit
betreffende Bericht einer von der Firma Manner beauftragten
Historikerkommission wurde von der Firma nicht veröffentlicht. Mehrfache
Bemühungen der Verfasserin, zumindest Informationen über das Lager Doppl
zu erhalten, blieben ergebnislos.
23 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
24 "Madriach" = Führer eines zionistischen
Jugendbundes.
25 Erinnerungsbericht von Bernhard F. Mueller, in:
Israelitische Kultusgemeinde Wien (Hrsg.), Trotz allem ... Aron Menczer.
1917-1943, Wien Köln Weimar 1993, S. 65 f..
26 Weiner, Aron Menczer, S. 28 ff..
27 Zambal, Umschulungslager, S. 39. Zambal hat die
Namen, die in den von ihm im Stadtarchiv von Waidhofen a. d. Ybbs
ausfindig gemachten Dokumenten aufscheinen, mit der Opferdatei des DÖW
(Projekt: Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer)
abgeglichen und auf dieser Grundlage eine wegen der quellenmäßigen
Lücken unvollständige Namensliste der Lagerinsassen mit den Geburts- und
Todesdaten sowie teilweise auch den Daten der Ankunft im Lager bzw. des
Abgangs sowie den Deportationszielen erstellt (Zambal, S. 40 ff.).
28 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Hauptverhandlung,
3.12.1946, Bl. 169.
29 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Bl. 29.
30 Zambal, Umschulungslager, S. 25 und 37 ff.
31 S. 48 ff..
32 Zeugenaussage Ing. Siegfried Kolisch im Verfahren
gegen Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45,
Hauptverhandlung, 3.12.1946, Bl. 163 ff..
33 Protokoll, (in der IKG) aufgenommen mit Bernhard
Zucker , 27.8.1941, IKG Wien / Archiv der Anlaufstelle, nicht bezeichneter
Ordner. Gemäß der Opferdatei des DÖW hat Zucker in Wien als U-Boot den
Krieg überlebt, Zambal, Umschulungslager, S. 48.
34 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 31. -
Laut Flussmann kamen diese Personen vor Walchers Zeit in das Lager.
35 Interview Gabriele Anderl mit Norbert Zaidman. - Es
handelte sich bei diesem illegalen Transport um den großen "Storfer-Transport"
mit den Schiffen "Milos", "Pacific" und "Atlantic". Norbert Zaidman lebt
heute in Israel.
36 Zeugenaussage Ing. Siegfried Kolisch im Verfahren
gegen Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45,
Hauptverhandlung, 3.12.1946, Bl. 164.
37 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Bl. 30.
38 Ebenda, Bl. 31.
39 Zambal, Umschulungslager, S. 43.
40 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Strafsache gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 31.
41 Zambal, Umschulungslager, S. 25.
42 Telephongespräch Gabriele Anderl mit Benno Strummer,
der heute in Kanada lebt.
43 Zu den Arbeits- und Lohnbedingungen der jüdischen
Zwangsarbeiter siehe allgemein Gruner, Zwangsarbeit.
44 IKG Wien, gez. Dr. Benjamin Murmelstein und Dr.
Josef Löwenherz, Beschluss, 7.10.1941, IKG Wien / Archiv der Anlaufstelle,
unbezeichneter Ordner. - Die Zahlungen liefen unter dem Titel
"Kostenersatz".
45 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Strafsache gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 32.
46 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg 7 d Vr 435 / 47, 7.4.1948.
47 Zeugenaussage Ing. Siegfried Kolisch im Verfahren
gegen Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45,
Hauptverhandlung, 3.12.1946, Bl. 163 f..
48 Vermutlich bezieht sich dies auf die Personalstelle
der IKG; es könnte aber auch die Zentralstelle angesprochen sein. Die
Rolle der IKG im Zusammenhang mit den Lagereinweisungen wurde in den hier
verwendeten Gerichtsverfahren nicht direkt thematisiert.
49 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Hauptverhandlung,
3.12.1946, Bl. 169 ff.
50 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Bl. 30.
51 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg 7 d Vr 435 / 47, 7.4.1948.
52 Der Koch, Otto Weiner, war in seinem ursprünglichen
Beruf Bäcker gewesen. Laut Standeslisten und Opferdatei des DÖW war Otto
Weiner, geboren am 14.5.1908, am 2.3.1940 auf den Sandhof gekommen.
53 Siehe u.a. Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 29.
54 Diensteinteilungspläne, Tagesrapporte und
Tagesjournale des Lagers Doppl, CAHJP, A / W, 427, 2; 427, 3; 427, 4 und
427, 5.
55 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
56 Zeugenaussage Hermann Riegler im Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, 10.9.1945, Ord. Nr.
16, Bl. 105.
57 Tagesrapport des Lagers Doppl vom 24.6.1940, CAHJP,
A / W, 427 / 3.
58 Diensteinteilungspläne des Lagers Doppl, CAHJP, A /
W, 427, 2.
59 Tagesrapporte des Lagers Doppl, 3.6.1940 und
11.8.1941, CAHJP, A / W, 427, 3 und 427, 4.
60 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
61 Speisepläne des Lages Doppl, CAHJP, A / W, 427, 6.
62 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
63 Flussmann war laut Standesliste am 4.8.1900 geboren
(Zambal, Umschulungslager, S. 43).
64 Schwer leserliche handschriftliche Einfügung im Akt.
65 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher, vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 29.
66 Zambal, Umschulungslager, S. 29.
67 Safrian, Eichmann, S. 50, 52, 78, 177, 233 f. und
263.
68 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg 7 d Vr 435 / 47, 7.4.1948;
Zeugenaussage Ernst Girzick im Verfahren gegen Alfred Slawik, 27.3.1948.
69 Zeugeneinvernahme Getrude Plattensteiner im
Verfahren gegen Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg 7 d Vr 435 / 47,
28.3.1947.
70 Zeugenaussage Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg 7 d Vr 435 / 47, 7.4.1948.
71 Verfahren gegen Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg
7 d Vr 435 / 47.
72 Zeugenaussage Erwin Diamant, YVA, 05 77.
73 Verfahren gegen Alfred Slawik vor dem LG St Wien, Vg
7 d Vr 435 / 47.
74 Safrian, Eichmann, S. 321 f..
75 Verfahren gegen Alfred Josef Slawik vor dem LG St
Wien, Vg 1 d Vr 435 / 47.
76 Safrian, Eichmann, S. 328 f..
77 Aussage des Beschuldigten im Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Hauptverhandlung,
3.12.1946, Bl. 154 ff..
78 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 31.
79 Ebenda, Bl. 34.
80 Urteil im Verfahren gegen Robert Walcher vor dem LG
St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, 3.12.1946, Bl. 191 ff.. Mehrere Zeugen
hatten berichtet, dass Walcher gelegentlich in leutseliger Stimmung von
seinen Aktivitäten als illegaler Nationalsozialist erzählt habe, u.a.
davon, dass er, als Rauchfangkehrer verkleidet, am Dach des Wiener
Rathauses eine Hakenkreuzflagge gehisst habe und in der Verbotszeit aus
politischen Gründen inhaftiert gewesen sei.
81 Urteil im Verfahren gegen Robert Walcher vor dem LG
St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, 3.12.1946, Bl. 193 f..
82 Bernhard Witke fungierte als Schätzmeister für die
VUGESTA (Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Geheimen
Staatspolizei), die in erster Linie für die Verwertung von beschlagnahmtem
jüdischem Umzugsgut zuständig war. Später verwerte Witke im Rahmen der
Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse die Mobilien deportierter Juden.
Siehe zu diesem Themenkomplex den Projektbericht von Gabriele Anderl /
Edith Blaschitz / Sabine Loitfellner, "Arisierung" von Mobilien, hrsg. von
der Historikerkommission der Republik Österreich, Wien 2003.
83 Urteil im Verfahren gegen Robert Walcher vor dem LG
St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, 3.12.1946, Bl. 198.
84 "Zehn Jahre für einen Judenpeiniger", in: Ybbstaler
Wochenblatt, Organ der demokratischen Einigung, 13.12.1946.
85 Verfahren gegen Robert Walcher vor dem LG St Wien,
Vg 2 d Vr 1029 / 45, Bl. 305 ff..
86 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Ord. Nr. 10, Bl. 29 f..
87 "Zehn Jahre für einen Judenpeiniger", Ybbstaler
Wochenblatt. Organ der demokratischen Einigung, 13.12.1946.
88 Es muss sich dabei um weniger bekannte Mitglieder
der Zentralstelle gehandelt haben. Dazu ist anzumerken, dass aufgrund der
momentanen Quellenlage keine Mitarbeiterlisten der Zentralstelle und auch
keine Aufstellungen über die jeweiligen Zahlen der dort beschäftigten
SS-Männer erhalten sind.
89 Zambal, Umschulungslager, S. 32.
90 Zeugenaussage Rudolf Flussmann vor dem
Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs, 4.10.1945, Verfahren gegen Robert
Flussmann, Vg 2 d Vr 1029 / 45, Bl. 31.
91 Niederschrift über die Vernehmung des Angezeigten
Josef Weiszl bei der Polizeidirektion Wien, Abt. I, 18.10.1946, Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 55, Bl.
237 ff..
92 Undatierter Brief von Josef Weiszl an seine Frau
Pauline, ohne Ortsangabe (aber zweifellos in Doppl geschrieben), Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 56, Bl.
263 f..
93 Undatierter Brief von Josef Weiszl an seine Frau
Pauline, ohne Ortsangabe (aber zweifellos in Doppl geschrieben), Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 56, Bl.
275.
94 Undatierter Brief von Josef Weiszl an seine Frau
Pauline, ohne Ortsangabe (aber zweifellos in Doppl geschrieben), Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 56, Bl.
267 f..
95 Ebenda.
96 Hier bezog sich Weiszl möglicherweise auf die
Wäscherei AG Habsburg in Wien, in der auch seine Frau beschäftigt gewesen
war.
97 Undatierter Brief von Josef Weiszl an seine Frau
Pauline, ohne Ortsangabe (aber zweifellos in Doppl geschrieben), Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 56, Bl.
271.
98 Angaben von Adolf Volk, 5.9.1945, Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658, Ord. Nr. 7, Bl. 89.
99 Zeugenaussage Erich Jelinek, 2.4.1946, Verfahren
gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658, Ord. Nr. 37, Bl.
173.
100 Zeugenaussage Hermann Riegler im Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658, 10.9.1945, Ord. Nr. 16, Bl.
105.
101 Zeugenaussage Walter Neuhaus im Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658, 5.4.1946, Ord. Nr. 35, Bl.
169.
102 Zeugenaussage Walter Schwarz im Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658, 7.9.1945, Ord. Nr. 8, Bl.
95.
103 Brief von Josef Weiszl an seine Frau Pauline, Prag,
10.5.1943, Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658
/ 46, Ord. Nr. 56, Bl. 259.
104 Vernehmung des Beschuldigten Josef Weiszl vor dem
LG St Wien, 5.2.1946, Niederschrift über die Vernehmung des Angezeigten
Josef Weiszl bei der Polizeidirektion Wien, Abt. I, 18.10.1946;
Niederschrift über die Vernehmung des Angezeigten Josef Weiszl, 8.9.1945,
Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord.
Nr. 8, Bl. 61 f., Ord. Nr. 9, 111 ff. und Ord. Nr. 56, 237 ff..
105 Note an die Pensionsversicherung der Angestellten,
29.6.1971, in: Antrags- und Verfügungsbogen; Vernehmung des Beschuldigten
im Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46,
31.3.1946, Ord. Nr. 9, Bl. 111a.
106 Tagesrapporte und Tagesjournale des Lagers Doppl,
CAHJP, A / W 427, 3; 427, 4, 427, 5 und 427, 6.
107 Vernehmung des Beschuldigten im Verfahren gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, 31.3.1946, Ord. Nr.
9, Bl. 113 c.
108 Tagesrapporte des Lagers Doppl vom 3., 6. und
10.6.1940, gez. Alfred Slawik, CAHJP, A / W, 427, 3.
109 Tagesrapporte und Tagesjournale des Lagers Doppl,
CAHJP, A / W 427, 3; 427, 4, 427, 5 und 427, 6.
110 Briefe von Josef Weiszl an seine Frau Pauline,
Doppl, 29.8.1941, sowie undatierter Brief ohne Ortsangabe (aber zweifellos
in Doppl geschrieben), Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg
7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 56, Bl. 263 f. und 283 f..
111 Brief von Josef Weiszl an seine Frau Pauline, Doppl,
23.9.1941, Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658
/ 46, Ord. Nr. 56, Bl. 287.
112 Interview Gabriele Anderl mit Bernhard F. Mueller,
Hermann (Zvi) Riegler und Ern(e)st Wulkan, Wien 1999.
113 Karl Grewenig, auch Grewenik geschrieben, taucht
häufig als Mitarbeiter der Wiener Zentralstelle in den Akten und
gelegentlich auch in Zeugenaussagen auf. Seine Identität und genaue
Funktion konnten aber in den bisherigen Recherchen nicht näher geklärt
werden.
114 Tagesrapporte und Tagesjournale des Lagers Doppl,
CAHJP, A / W, 427, 3; 427, 4 und 427, 5.
115 Yaacov Lozowick, Hitlers Bürokraten. Eichmann,
seine willigen Vollstrecker und die Banalität des Bösen, Zürich 2000, S.
122 und 124.
116 Befragung von Margarete Pühringer, zitiert bei
Kneidinger, Altenfelden, S. 40.
117 Zur Fluchtgeschichte von Alois Brunner siehe Hafner
/ Schapira, besonders S. 178 ff. sowie Safrian, Eichmann, S. 324 f. und
333 ff..
118 Hafner / Schapira, Akte Alois Brunner, S. 65 ff.
und S. 178 f..
119 Niederschrift mit Anni (Anna) Brunner bei der
Polizeidirektion Wien, 14.5.1946, Verfahren gegen Anna Brunner vor dem LG
St Wien, Vg 11 a Vr 5505 / 46, Bl. 57. In einer Niederschrift bei der
Polizeidirektion Wien am 23.5.1946 hatte Anna Brunner angegeben, sie habe
"in den kritischen Apriltagen 1945" von ihrer Dienststelle (der Gestapo
Wien) einen Marschbefehl nach Linz erhalten. Sie habe sich auf der
dortigen Dienstelle gemeldet, die aber für sie keine Verwendung gehabt
habe (ebenda, Bl. 59 f.).
120 Hafner / Schapira, Akte Alois Brunner, S. 65 ff.
und S. 178 f.
121 Verhör mit Josef Weiszl, 3.9.1945, Strafsache gegen
Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658 / 46, Ord. Nr. 8, Bl. 71.
122 Hafner / Schapira, Akte Alois Brunner, S. 179 f..
123 Dem Gerichtsakt zum Verfahren gegen Robert Walcher
liegen einige Schriftstücke bei, die Aufschluss über verschiedene bei der
Sparkasse der Stadt Waidhofen an der Ybbs eingerichtete Konten im
Zusammenhang mit dem Lager Sandhof geben. Diese trugen Bezeichnungen wie
"Gut Sandhof", "Umschulungslager Gut Sandhof" bzw. "Gut Sandhof,
Auswanderungsfonds", stammten allerdings alle erst aus der Zeit ab 1943,
also einem Zeitraum, als sich keine jüdischen Arbeitskräfte mehr auf dem
Sandhof befanden. Bei den feststellbaren Transaktionen ging es meist um
Beträge in der Höhe von maximal einigen tausend RM (Verfahren gegen Robert
Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45).
124 Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung,
Verfahren gegen Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45,
Bl.157.
125 Inwieweit diese Steuern nur die wenigen "arischen"
Arbeitskräfte im Lager betrafen, geht aus dem Text nicht hervor.
126 Brief von Josef Weiszl an seine Frau Pauline, Doppl
23.9.1941, Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658
/ 46, Ord. Nr. 56, Bl. 287 f.. - Eine Ausfertigung des Berichts wurde laut
Weiszl dem Hauptamt in Berlin (unklar bleibt, ob sich dies auf die
Steuerbehörden oder das RSHA bezieht), die andere dem Steueramt in
Rohrbach vorgelegt.
127 Es bleibt unklar, ob die angesprochenen Löhne und
Krankenkassenbeiträge nur für das "arische" Personal oder auch für die
jüdischen Zwangsarbeiter und die SS-Mannschaft bezahlt wurden.
128 Brief von Josef Weiszl an seine Frau Pauline, Doppl,
13.9.1941, Verfahren gegen Josef Weiszl vor dem LG St Wien, Vg 7 c Vr 658
/ 46, Ord. Nr. 56, Bl. 285 f..
129 Zeugenaussagen Rudolf Flussmann im Verfahren gegen
Robert Walcher vor dem LG St Wien, Vg 2 d Vr 1029 / 45.
130 Versöhnungsfondsgesetz, BGBl 74 / 2000; Änderung:
BGBl 12 / 2001. - Die beiden Lager werden ausdrücklich in Punkt 3
(Lagerliste) des Abschlussberichts zum Versöhnungsfondsgesetz erwähnt.
131 Vor dem Komiteebeschluss war als Entschädigung für
die Zeit in diesen Lagern nur rund ein Drittel der nunmehr gültigen Summe
vorgesehen gewesen.
132 Auskunft des Versöhnungsfonds der Republik Österreich.
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