Die
Eröffnung einer neuen Synagoge ist ein schöner Tag für Wien und für
Österreich. Es zeigt, dass jüdisches Leben in unserem Land eine Zukunft hat!
Lange Zeit war das Judentum für Österreich eine
Schatzkammer des Geistes und der Kultur. Wir alle wissen, wie sehr das
goldene Zeitalter, das unser Land in den wenigen Jahrzehnten zwischen der
vollen Gleichberechtigung der Juden 1867 und dem 1. Weltkrieg erlebt hat,
kulturell und geistig zu einer Blüte geführt hat. Die Kultur des "Fin de
siecle" in Österreich war zu einem Gutteil von jüdischen Intellektuellen,
Künstlern und Mäzenaten geprägt. Die unsäglichen Ideologien des
20. Jahrhunderts haben diesem Bestandteil der österreichischen Identität ein
jähes und tragisches Ende gesetzt.
Für mich ist es immer wieder erschütternd, wenn ich durch
Wiens Bezirke gehe und plötzlich an einem Wohnblock oder an einem
öffentlichen Gebäude auf eine Tafel stoße, die daran erinnert, dass an
diesem Platz einst eine jüdische Synagoge oder ein jüdisches Bethaus
gestanden hat.
Beginnend mit dem Novemberpogrom im Jahr 1938 erfolgte
die Auslöschung dieser Kultur, ja noch mehr: Tod und Verderben ist über die
jüdische Gemeinde Wiens gekommen und hat das jüdische Leben vernichtet.
Die heutige Feier steht dazu in Parantese und ist deshalb
ein freudiges Ereignis. Unter dem Dach der Israelitischen Kultusgemeinde
Wien wird eine weitere Synagoge eröffnet. Der Tempel in der Robertgasse ist
Ausdruck der Vielfalt und Lebendigkeit des jüdischen Glaubens.
Ich möchte daran erinnern, dass in der Zwischenkriegszeit
auch in Wien ein "Verein für fortschrittliches Judentum" in Wien bestanden
hat. In dessen Nachfolge steht die liberale Jüdische Gemeinde Or Chadasch,
die vor bald 14 Jahren ins Leben gerufen wurde.
Als Vertreter der Bundesregierung darf ich Ihnen von
Herzen wünschen, dass die neue Synagoge in der Robertgasse ein Ort der
Andacht und des spirituellen Studiums wird, dass er zur Vielfalt des
Österreichischen Judentums einen Beitrag leistet und eine Brücke im
interreligiösen Dialog schlagen kann.