Chanukka scheint im Verhältnis zu den vergangenen Hohen
Feiertagen ein einfaches, unkompliziertes Fest zu sein. Alles, was wir zu
tun haben, ist jeden Tag eine Kerze anzuzünden, sich an das Wunder des Öles
zu erinnern und gute Speisen zu essen. Wir bekommen sogar
Chanukka-Geschenke! Aber wenn wir etwas tiefer schauen, erkennen wir,
dass auch Chanukka seine Fragen und Geheimnisse hat.
Der Name Chanukka kommt aus dem Hebräischen und bedeutet
"Einweihung". Die ersten drei Buchstaben ergeben das hebräische Wort
chanu, was soviel wie "sie rasteten" bedeutet, und der Ziffernwert der
verbleibenden Buchstaben summiert sich zu 25 = 25.Kislev. Zur Erinnerung an
das Chanukkawunder ist es unser Brauch, dass Mitglieder jedes jüdischen
Haushaltes eine Reihe von Lichtern an einem achtarmigen Chanukkaleuchter
(neun einschließlich schamasch) anzünden. Am ersten Abend wird die
erste Kerze entzündet; am zweiten Abend wird eine weitere Kerze dazu
genommen. Die Helferkerze entzündet die neue Kerze, dann die nächste, so
lange bis alle Kerzen brennen. Die Kerzen werden von rechts nach links
platziert und von links nach rechts angezündet. So wird das Gleichgewicht
zwischen beiden Seiten des Leuchters hergestellt, und damit wird zum
Ausdruck gebracht, dass Gttes Präsenz überall ist.
Im Talmud finden wir ein berühmtes Streitgespräch
zwischen Hillel und Shammai. Hillel sagte, dass wir mit einer Kerze beginnen
und jeden Tag eine neue hinzufügen sollen. Shammai lehrte aber, dass man am
ersten Abend alle acht Kerzen anzünden soll, sieben am zweiten Tag, und so
fort, bis man am Ende nur noch eine Kerze übrig hat. Wie schon des öfteren,
wenn es zu einer Auseinandersetzung zwischen Shammai und Hillel kam, war es
Hillel, der den Streit gewonnen hat. Er meinte, dass man eine Mitzwa
aufbauen und nichts davon wegnehmen sollte, deshalb soll es auf einen
Höhepunkt zugehen - bis zum achten Tag, wenn alle Kerzen in der Nacht
strahlen. So sehen wir, dass auch hinter unserem einfachsten Brauch oft
tiefe Gedanken stecken.
Nun müssen wir die Frage stellen: Warum acht Nächte? Die
Antwort scheint sich anzubieten. In einer bekannten Geschichte sagt uns der
Talmud, dass es, als die Makkabäer den Tempel befreit hatten, nur soviel Öl
gab, um das Tempellicht für einen Tag brennen zu lassen. Aber auf wundersame
Weise brannte es acht Tage. Die Geschichte allerdings findet sich erst viele
hunderte Jahre nach dem Geschehen. Im Buch der Makkabäer, welches viel
früher geschrieben wurde, wird das Wunder nicht erwähnt. Stattdessen wird
uns erzählt, dass es den Makkabäern, weil sie in den vergangenen Monaten
gegen die Griechen gekämpft hatten, nicht möglich war, das vorangegangene
Sukkotfest zu feiern. Ein achttägiges Fest der Wiedereinweihung des Tempels
wurde statt Sukkot gefeiert. So wurde Chanukka zu einem Fest, das acht Tage
dauert.
Die Botschaft der Geschichte über das Wunder des Öles ist
die, dass Gtt etwas Reines ermöglicht, ganz gleich wie klein und
unscheinbar es erscheinen mag, und Licht weit über das natürliche Potential
hinaus gibt. So war es möglich, dass die kleine Gruppe der Makkabäer in der
Auseinandersetzung um die wahre Religion das griechische Imperium bekämpft
hat, und die kleine Gruppe von jüdischen Menschen, die Gttes Lehren bewahrt
haben, weiter existiert, während andere Kulturen schon lange zugrunde
gegangen sind.
Die jahreszeitlichen Bezüge dieses Festes sind weniger
bekannt als die geschichtlichen, aber in mancher Hinsicht anregender. Lange
vor den Makkabäern gab es zu dieser Jahreszeit ein etabliertes Winterfest,
dessen Motive verschiedene waren. Eines war mit dem allmählichen Zuwachs von
Tageslicht nach den ständig dunkler werdenden Tagen des Spätherbstes
verbunden. Eine Reihe von Legenden verknüpft Chanukka mit der
Wintersonnenwende, die während der Festtage stattfindet. Ein anderes Motiv
hat mit Anzünden eines Feuers zu tun, das als alter jüdischer Brauch zur
Einweihung des Tempelaltares bekannt war; einen Hinweis dafür findet man in
2 Maccabäer 1:18-22. Ein drittes Motiv war ein feierlicher Akt, der uns an
Sukkot erinnert und der Laubbündel, Früchte und Palmwedel miteinschloss
(Hinweis in 2 Macc.10:5-8). Ein mögliches viertes Motiv war eine Art Zelten,
auch wieder in Verbindung mit Sukkot (ein Hinweis dafür findet sich bei 2
Macc.1:18). Ob jetzt Chanukka seine Quellen von geschichtlichem,
jahreszeitlichem, oder - was wahrscheinlich ist - aus einer Verbindung der
beiden nimmt, eines ist klar: dass der Gedanke des Lichts die zentrale Idee
ist. Deshalb ist die Mitzwa, die mit diesem Fest verbunden ist, jeden Abend
die Kerzen anzuzünden. Diese zentrale Befolgung gab dem Feiertag seinen
zusätzlichen Namen Hag ha-Orot (Das Fest der Lichter).
Es wurde auch gesagt, dass Chanukka an Judiths Wunder
erinnert. Judith war eine wunderschöne Witwe, die beschlossen hat, den Plan
der Griechen, ihr Dorf zu zerstören, zu durchkreuzen. Sie schlich sich in
das Zelt des höchsten Militäroffiziers, um ihn zu verführen. Während des
Abendessens versetzte sie sein Getränk mit einem Betäubungsmittel, und als
er einschlief, tötete sie ihn, indem sie ihm den Kopf abschnitt und in einem
Sack verbarg. Als sie draußen von einem der Soldaten aufgehalten wurde,
öffnete sie den Sack und fand saftige, rote Trauben - ein Wunder war
geschehen! Als die Griechen herausfanden, dass ihr Anführer tot war, flohen
sie. In Tunesien wurde diese Geschichte die Grundlage für das Fest der
Mädchen, wo die Frauen des Hauses Honigkuchen backen und an alle ledigen
Mädchen in ihrem Dorf verteilen, während alle Verlobte ihren Partnern
Geschenke schicken und ihrerseits die Verlobung mit einem Fest feiern.