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Jewish en vogue ?

Susanne Swantje FALK

Modewellen aller Art schwappen in kurzer Abfolge von Jahren immer wieder über uns hinweg, sei es aus den Bereichen Musik, Film und Fashion oder aber in Form ganzer Lebenswelten anderer Kulturen, die in der westlichen Hemisphäre zum schnelllebigen Trend erhoben werden.

In den letzten zehn Jahren durften wir beobachten, wie im Zuge einer immer enger vernetzten Welt Fernöstliches (man denke an ungezählte Sushi-Bars, Feng Shui oder Mangas), Asiatisches (z. B. in Form cineastischer Konkurrenzprodukte zum amerikanischen Markt aus Bollywood) oder auch Europäisches (Nahreisen an die Ostseeküste oder in die Toscana als Folge des 11. September 2001) die westliche Welt des Konsums quasi über Nacht erweiterten. Dass mit diesen Trends auch jeweils ein Stück der großen weiten Welt in unsere Kühlschränke und Wohnzimmer Einzug hielt, ist dabei durchaus als kulturelle Bereicherung zu verstehen.

Der Mensch stillt seine naive Neugierde damit, dass er das Fremde und im besten Fall Exotische bis zu einem gewissen Grad in sein Leben lässt, allerdings nur soweit, dass er sich in seiner eigenen kulturellen Identität nicht gestört fühlt. Imitation kann, sogar wenn sie schlecht gemacht ist, zu einem besseren Verständnis der jeweils anderen kulturellen Identität führen, auch wenn sie vorläufig im pervertierten Konsumrausch in der Dekorationsabteilung eines Möbelhauses endet. Nichts ist mehr fremd, was einmal imitiert wurde, was nicht mehr fremd ist, wirkt weniger bedrohlich. Dass dabei kein wirklicher kultureller Austausch stattfindet, ist von diesem Standpunkt aus betrachtet vorläufig zweitrangig.

Die genannten Überlegungen sind weder neu noch unbestritten, sie gewinnen jedoch an Aktualität durch einen neuen Trend, der sich seit knapp einem Jahr abzuzeichnen beginnt, nämlich die »Entdeckung« vermeintlicher und auch tatsächlicher jüdischer Kultur durch Prominente aus Film- und Musikbusiness, allen voran Madonnas Einsatz für die kabbalistische Sekte des Philip Berg. Mit nahezu unübersehbarem missionarischen Einsatz wirbt die Sängerin für die Lehren der Kabbala und setzt damit eine Welle in Gang, die derzeit halb Hollywood ergriffen hat. So nennt die deutsche Glamour im Juli 2004 u. a. Britney Spears, Barbara Streisand oder auch Elisabeth Taylor als Anhänger der kabbalistischen Lehre in der Auslegung des Laien und Gurus Philip Berg, der u. a. in Los Angeles und London Kabbalazentren betreibt.

Wie alle Gruppen greift auch diese auf identitätsstiftende Symbole zurück, so etwa auf ein zartes rotes Bändchen am Handgelenk, das Böses abwehren soll und zum unverzichtbaren Accessoire für alle Stars und Sternchen geworden ist, die ihrem Vorbild folgen wollen. Dabei ist die Überzeugungskraft eines Opinion Leaders wie Madonna gar nicht zu unterschätzen. Was sich die Stars von ihrer Zuwendung zu einer Lehre erhoffen, die zwar Anknüpfungen an die traditionelle jüdische Exegese aufweist, die jedoch in einer ganz eigenen Tradition steht, beginnend mit dem 12. Jahrhundert, und in ihrer Auslegung durch moderne Sektenführer ihren Bezug zur jüdischen Tradition nahezu vollständig verloren hat, bleibt ihr Geheimnis.

Bis sich eine Modewelle aus der Welt der Oberen Zehntausend in den Sphären der unteren Millionen durchsetzt, vergehen durchschnittlich ein bis zwei Jahre und selbst wenn die Ausläufer einer möglichen Welle der Kabbalistik, so sie denn nicht nur einen kleinen Kreis von Auserwählten betrifft, über die Massen hinwegläuft, muss man nicht zwangsläufig mit Zehntausenden neuen Anhängern der Kabbalasekten rechnen. Sich ein rotes Bändchen für 30 Dollar um die Hand zu binden, bedeutet noch nicht, seinen Verstand an der Tür eines Zentrums abzugeben, das von seinen Mitgliedern zehn Prozent ihres Gehalts für sich beansprucht. Allerdings wirft dieser Trend auch einige Fragen auf, etwa die, ob die Mode der Kabbalistik das Bild konventioneller jüdischer Glaubensgemeinschaften in der Öffentlichkeit beeinflusst und ob sich eine seriöse Ausübung der Kabbalistik von dieser Modeerscheinung überhaupt noch absetzen kann.

Noch ist es zu früh, um die Folgen dieser Modewelle, so sie sich denn zu einer solchen ausweiten wird, abwägen zu können. Beachtenswert ist sie allemal. Wir haben es hier jedoch keineswegs mit einem völlig neuartigen Phänomen zu tun: Moden kommen und gehen, auch in der Glaubenswelt. War noch vor wenigen Jahren Richard Gere als, übrigens immer noch, gläubiger Buddhist Trendsetter in diesem Bereich und entfesselte der Film »Sieben Jahre in Tibet« eine Massenfaszination für die Welt des Buddhismus, was nebenbei auch zum immensen Erfolg der Bücher des Dalai Lama beigetragen hat, so kann nach Madonna und der Kabbalistik einem anderen Prominenten diese Rolle zufallen und damit auch einer anderen Glaubensrichtung. Parallel dazu entwickeln sich Erscheinungen wie etwa die der christlichen Schmusebarden »Söhne Mannheims«, die sich durch penetranten, aber harmlosen Missionarswillen ihres Bandleaders Xavier Naidoo bemühen, Zeichen für die Völkerverständigung im Sinne traditioneller christlicher Werte zu setzen. Gemeinsam wären Richard Gere und Xavier Naidoo damit der überzeugte Einsatz für eine anerkannte Glaubensgemeinschaft, was sie von Madonnas Hinwendung zu einer Kabbalasekte unterscheidet.

Popstars wie Madonna setzen im Showbusiness Akzente, die sich in ihrer Imitation in der realen Welt zum Trend entwickeln können. Damit stellt sich die provokante Frage, ob etwa mediale Größen wie Madonna einen Beitrag zum Kampf gegen Antisemitismus leisten können, allein aus dem Grund, da sie als Identifikationsfiguren Millionen von Menschen beeinflussen. Dass sich die Fans mit Hilfe von Konsumartikeln, wie etwa dem im Preisniveau so manchen Mittelklasseweinen vergleichbarem Kabbalawasser, ein Stück jüdischer Identität in ihre Wohnzimmer holen und in ihr Alltagsleben integrieren, ist wohl kaum zu erwarten, doch viel schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob dies überhaupt wünschenswert wäre.

Wenn wir von der Prämisse ausgehen, dass jede Imitation zu positiven Effekten führen kann, dann müssten wir dies bejahen. Wirft man aber einen genaueren Blick auf das, was dort imitiert wird, fällt die Antwort nicht mehr ganz so leicht. Um es überspitzt auszudrücken: Kann man es gut heißen, dass, nur weil Madonna ein Faible für Kabbalistik entwickelt hat, Antisemitismus und Antijudaismus gerade »out« sind? Ganz abgesehen davon zeigt uns die Realität in Europa, dass Antisemitismus offenbar keineswegs »aus der Mode gekommen« ist. Dass Parteien wie die rechtsextreme NPD im letzten Jahr in den Sachsener Landtag einziehen konnten, liegt zum großen Teil an der mangelnden Bereitschaft der Bürger, antisemitische Parteiinhalte als solche wahrzunehmen, sie zu verurteilen und in letzter Konsequenz der NPD ihre Stimme zu verweigern. Die Gedenkfeiern zum Jahrestag des Bombardements auf Dresden vor 60 Jahren, bei der die Dresdner Bevölkerung in Lichterketten die Worte "Diese Stadt hat Nazis satt" formte, waren dagegen ein gutes Zeichen, ebenso die Wahlabsage an die NPD in Schleswig-Holstein im Februar dieses Jahres.

Die Antisemitismusdiskussion mit einer Frage nach Trends in der Welt des Showbiz zu verbinden, scheint beinahe frivol und auch unangebracht zu sein. Auf den zweiten Blick aber muss man sich die Frage gefallen lassen, ob sich aus derartigen Trends, wenn sie nun schon einmal unsere Konsumwelt überfluten, nicht auch positive Aspekte ableiten lassen. Wenn Hollywood oder die Popwelt in der Lage sind, religiöse Modewellen, wie im Falle des Buddhismus, auszulösen, wäre es immerhin denkbar, dass diese auch für das Judentum eine positive Wirkung entfalten könnten. Bedenklich ist dabei allerdings, dass es dazu eine Madonna braucht, die zwar über künstlerische Qualitäten verfügen mag, deren Urteilsvermögen bei ihrer Identitätsfindung aber sehr wohl angezweifelt werden darf. Nichts desto trotz wird es hier wahrscheinlich ein Trend in unseren Alltag schaffen, den zu ignorieren uns schwer fallen, den wertfrei zu kommentieren uns aber nahezu unmöglich sein wird.

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