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Aspekte jüdischen (Über-)Lebens im Salzburg des 20. Jahrhunderts

Peter GUTSCHNER

Im so genannten "Gedankenjahr" 2005 muss ein Beitrag, der das Leben von Juden in Salzburg zu beschreiben versucht, beinahe zwangsläufig die bittere Seite dieses Kapitels ins Auge fassen. Die Ermordung von Millionen Juden während der Shoa ist zum furchtbaren Bestandteil der österreichischen Geschichte geworden. Und diese beginnt nicht erst 1945 oder gar 1955. Das Gedächtnis einer offenen Gesellschaft muss alle Aspekte und alle Zeiträume umfassen.

Nach der Vertreibung der Juden aus Salzburg im Jahr 1498 konnten sich erst nach dem Staatsgrundgesetz von 1867 wieder Juden in Salzburg niederlassen. 1892 wurde in Aigen ein Friedhof errichtet und 1901 konnte in der Lasserstraße die Synagoge eingeweiht werden. Schließlich wurde die Israelitische Kultusgemeinde 1911 selbstständig. Doch die Hoffnung vieler Juden, in der bürgerlichen Gesellschaft Aufnahme zu finden, blieb vergeblich. Denn bereits seit den 1890er-Jahren markierten die so genannten "Arierparagraphen" verschiedenster Vereine den breiten Durchbruch antisemitischen Denkens. Die jüdische Gemeinde war demnach weitgehend auf sich selbst zurückgeworfen und bildete eine Insel im Gefüge der Salzburger Gesellschaft. Im Zuge des Ersten Weltkriegs verschärften ostjüdische Flüchtlinge, welche in Barackensiedlungen in Niederalm und Grödig untergebracht wurden, die Feindseligkeiten der Bevölkerung noch mehr. Wie in ganz Österreich auch, brach in Salzburg nach dem Ersten Weltkrieg der Antisemitismus offen auf und bereitete den Boden für all jene Gräueltaten, die später während des Nationalsozialismus stattfinden sollten. Die Zeitschrift des Antisemitenbundes, der "Eiserne Besen", verlangte ein "Ausmisten" des "Ungeziefers". So galten auch die 1920 gegründeten Festspiele in weiten Teilen der Bevölkerung als "verjudete Einrichtung". Die Sprache, so scheint es, ging den Taten voraus.

Das religiöse Leben der Juden in Salzburg war in dieser kleinen Gemeinde nur schwer zu führen. Kompromisse standen an der Tagesordnung. Wenn auch ständig versucht wurde, sich anzupassen, blieben Juden dennoch weitgehend unter sich. Es gab kaum Taufen oder Übertritte oder gar Mischehen. Selbst im Kaffeehaus, wie etwa im "Bazar", saßen Juden und Nicht-Juden in getrennten Ecken. Das alltägliche Leben verlief problematisch. Die wenigen Kinder der in Salzburg ansässigen Juden waren in den Schulen Anfeindungen ausgesetzt. Die Ausgrenzung bezog sich auf Tanzkurse ebenso wie auf das Aufenthaltsverbot in Berghütten des Alpenvereins. Es war im täglichen Leben ein schwieriges Lavieren, das besonders für junge Menschen zunehmend unerträglich wurde. Deshalb entstand unter der Jugend eine große Aufnahmebereitschaft für zionistische Ideen. Die ohnehin kleine Gemeinde in Salzburg schrumpfte von 285 Personen im Jahr 1910 auf 239 im Jahr 1934. Bedeutende jüdische Persönlichkeiten waren der Glasfabrikant Ignaz Glaser, Stefan Zweig und Max Reinhardt.

Im Zuge der nationalsozialistischen Herrschaft taten sich die Salzburger besonders eifrig hinsichtlich der Vertreibung und Arisierung hervor.
Heute bedeutende Hotels, Schlösser und Gourmettempel wie etwa Hotel Fuschl oder Schloss Prielau in Zell am See sind Zeugen einer düsteren Geschichte der Arisierung ebenso wie Schloss Leopoldskron in der Stadt Salzburg. Während am Residenzplatz am 30. April 1938 1200 Bücher verbrannt wurden, besuchten wenige Monate später 40.000 Menschen in Salzburg die Ausstellung über "entartete Kunst". Ältere Mitglieder der jüdischen Gemeinde sahen die nationalsozialistischen Umtriebe als vorübergehend an. Doch die Reichspogromnacht vom 9.11.1938 bereitete dem ein schreckliches Ende. In Salzburg verhaftete die SS allein 70 jüdische Männer und deportierte sie nach Dachau. Alle Salzburger Juden mussten nach Wien übersiedeln und am 12.11.1938 wurde der "Mustergau"Salzburg für "judenrein" erklärt. Einzelnen gelang es in der Umgebung zu überleben, wie der Malerin Raffaela Irma Toledo, die am Schlenken mit Hilfe von Bauern Zuflucht fand. Die nationalsozialistische Herrschaft hatte die kleine jüdische Gemeinde zerstört.

Nach 1945 fanden nur wenige Vertriebene nach Salzburg zurück. Juden, die eher zufällig nach Salzburg gekommen waren und anderswo keine Perspektive sahen, bildeten nun die neue jüdische Gemeinde und bemühten sich um eine Belebung der Kultusgemeinde. 1968 wurde die Synagoge wieder eingeweiht, doch am Beginn des 21. Jahrhunderts umfasst die jüdische Gemeinde nur mehr rund 80 Personen. Max Reinhardt und Stefan Zweig, um nur zwei Prominente zu nennen, lebten und wirkten in der Zwischenkriegszeit in Salzburg. Wie alle anderen Juden wurden auch sie vertrieben. Dennoch sind nach 1945 wieder welche gekommen, so etwa der Zukunftsforscher Robert Jungk, der hier vielfältige Spuren hinterlassen hat. Vladimir Vertlib, der prononcierte Literat, übersiedelte1993 zum Entsetzen seiner Wiener Freunde in die "Provinzstadt" Salzburg. Mehr um ein Zeichen zu setzen als aus Überzeugung, trat er in die Kultusgemeinde ein.

Mit der Etablierung des "Zentrums für Jüdische Kulturgeschichte" im Jahr 2004 wurde in Salzburg ein wesentlicher Schritt dazu gemacht, dem Gedächtnis und der Erinnerung an das Schicksal der Juden in aller Welt einen Platz auf Dauer einzuräumen. Denn das ist und bleibt eine der wichtigsten Aufgaben einer offenen und demokratischen Gesellschaft: das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen zu ermöglichen, Spannungen abzubauen sowie die vielfältigen Aspekte des nicht immer einfachen Zusammenlebens zu verstehen und zu verarbeiten.

Literatur:
Helga Embacher (Hg.), Juden in Salzburg. History, Cultures, Fates, Salzburg 2002.

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