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Die Gräberfelder von Judendorf bei Villach

Dieter NEUMANN

Zu den geschichtlich und archäologisch besonders interessanten Örtlichkeiten Kärntens zählt Judendorf bei Villach. Das kleine Bauerndorf, das seit 1331 urkundlich nachweisbar ist, hat sich in jüngster Zeit zu einem Wohngebiet im Südwesten des Stadtzentrums gewandelt, in dem nur mehr wenig vom ehemals ländlichen Charakter erkennbar ist.


Der Name Judendorf und die Lage an einer Altstraße nach dem Süden machen es wahrscheinlich, dass der Ursprung des Dorfes eine hochmittelalterliche Niederlassung von Juden gewesen ist. Die Siedlungskontinuität in diesem Raum geht nach dem Zeugnis der archäologischen Funde noch viel weiter zurück; so ist aus Judendorf selbst ein kleines hallstattzeitliches Gräberfeld bekannt. Gräberfelder aus dem Früh- und Hochmittelalter, die zum Teil bis in den Ortskern reichen, sind schon im 19. Jahrhundert festgestellt worden.


Notgrabung am "Judenbichl"

Mehr als hundert Bestattungen wurden 1968 geborgen, als wegen des Abbaus von Sand am "Judenbichl" eine umfangreiche Notgrabung durchgeführt wurde. Diese erfolgte am Hang einer Schotterterrasse, der unmittelbar westlich des Dorfes ansteigt. Ein Teil der hier festgestellten Bestattungen stammt aus dem Frühmittelalter und hat vielfältigen charakteristischen Schmuck wie Schläfenringe, Mondsichelohrgehänge und Perlenketten enthalten.


Viele Reste von Gold- und Seidenstoffen

In anderen, offensichtlich jüngeren, doch wegen der Beigabenarmut schwer datierbaren Gräbern konnten dagegen unerwartet viele Reste von Gold- und Seidenstoffen festgestellt werden. Diese Gewebe aus Frauengräbern stammen von kleinen Hauben aus Goldstoff, von Haarnetzen und Schleiern. In einigen Fällen sind die Hauben überdies mit vergoldeten Silbermedaillons verziert gewesen. Ein kleiner Silberpfennig (Friesacher Pfennig, nach 1125) und einige Schlüssel aus Eisen bieten neben den textilkundlichen Befunden Anhaltspunkte für die Datierung. Diese hochmittelalterlichen Reihengräber dürften demnach aus dem 12./13. Jahrhundert stammen.


Reste jüdischer Grabsteine

Nicht eindeutig ist bisher die Frage entschieden, ob es sich bei diesen jüngeren Bestattungen um jüdische Gräber handelt. H. Dolenz, der die Ausgrabung geleitet und die Fundpublikation besorgt hat, hielt dies für unwahrscheinlich, besonders weil die Beisetzung von Toten in aufwendiger Kleidung mit dem jüdischen Bestattungsritus kaum vereinbar scheint. Allerdings sind christliche Bestattungen aus dem fortgeschrittenen Hochmittelalter hier nicht weniger schwer zu erklären, da es in Judendorf nie eine Kirche, wie sie für einen Friedhof des 12. Jahrhunderts unbedingt notwendig ist, gegeben hat. Wohl aber gibt es in Judendorf Reste jüdischer Grabsteine des 13./14. Jahrhunderts, die durchwegs im Bruchsteinmauerwerk alter Häuser aufgefunden wurden.

Frau Esther starb 1265

Nur ein Stück, heute im Villacher Museum aufgestellt, enthält ein lesbares Datum, das es ermöglicht, diesen Grabstein einer Frau Esther in das Jahr 1265 zu datieren. Hinzu kommt, dass die heute als Judenbichl bezeichnete Anhöhe im großen Villacher Burgamtsurbar von 1580 mehrfach ausdrücklich unter der Bezeichnung "Judenfreithof" vorkommt.

Von einem niederländischen Campinggast im Jahre 1976 in einer Bachrunse am Hang knapp oberhalb von Pogöriach bei Villach gefunden: Zum Schleifstein umgearbeiteter mittelalterlicher Judengrabstein (für Elchanan, Sohn des Nachman); Sandstein, scheibenförmig rund, mittig quadratisches Loch für Achse, Vorderseite geglättet, fünfzeiliger Rest der Grabinschrift (Entstehungszeit
14. Jahrhundert).


Seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar

Die seit dem 13. Jahrhundert nachweisbaren Villacher Juden waren in der Stadt selbst ansässig, wo es im Kaiser-Heinrich-Viertel in der heutigen Freihausgasse auch eine Judenschule (Synagoge) gab. Die spärlich erhaltenen Nachrichten ermöglichen es kaum, eine Geschichte dieser Judengemeinde zu verfolgen, die im 15. Jahrhundert schon wirtschaftlich bedeutungslos geworden sein dürfte und zu bestehen aufhörte.


Seltenes Zeugnis mittelalterlicher Zivilisation

Ob und in welcher Form Judendorf in Villachs städtischer Frühzeit mit Juden im Zusammenhang stand, ist nach dem gegenwärtigen Wissensstand nicht sicher zu klären. Die Gräberfelder unterschiedlicher Zeitstellung sind aber von großem wissenschaftlichen Interessen, wobei die Textilien aus den 1968 geborgenen Gräbern als seltenes Zeugnis mittelalterlicher Zivilisation gelten können, das Wohlstand und Prachtentfaltung einer frühen städtischen Bevölkerung erahnen lässt.
Der Text ist 1988 im Ausstellungskatalog "Hemma von Gurk" erschienen.
 

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