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Rational und absolut:
Das Phänomen des
internationalen Terrorismus
Thomas PANKRATZ
In DAVID, Heft 67/ Dezember 2005 wurden die Möglichkeiten und
Grenzen der EU im Kampf gegen den internationalen Terrorismus dargestellt. 1
Im folgenden Beitrag wird nun das Phänomen des Internationalen Terrorismus
analysiert. Hierfür ist es zunächst notwendig, sich dem Begriff des Terrorismus
an sich anzunähern sowie Voraussetzungen und Dimensionen des Terrorismus zu
erörtern. Anschließend wird auf den „neuen", also den Terrorismus
internationaler Prägung eingegangen, der vor allem durch seine
extremistisch-fundamentalistisch-religiöse Motivation gekennzeichnet ist.
Zum Begriff Terrorismus
Sowohl in der Europäischen Sicherheitsstrategie (2003) als
auch im Haager-Programm (2005) wird der Begriff des „internationalen
Terrorismus" verwendet, ohne jedoch zu definieren, was dieses Phänomen
eigentlich kennzeichnet. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die österreichische
Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin aus dem Jahr 2001 sowie für den Endbericht
der Bundesheer-Reformkommission aus dem Jahr 2004. Es wird also vorausgesetzt,
dass es auf der einen Seite „den" internationalen Terrorismus gibt und auf der
anderen Seite, dass klar ist, wie sich dieses Phänomen charakterisiert.
Eine Annahme, die jedoch nicht zutreffend ist. Grundsätzlich
ist darauf zu verweisen, dass der Begriff des „Terrorismus" an sich wohl zu den
umstrittensten Begriffen sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft
zählt2 und nach wie vor kein einheitlicher
Begriff „Terrorismus" existiert. Es ist dies mit unterschiedliche
Bedrohungsperzeptionen und Erfahrungen sowie der an sich schlichten Tatsache,
dass mit diesem Begriff Politik gemacht wird, zurückzuführen. Die
Verwendung des Begriffs „Terrorismus" in Politik und Wissenschaft dient in
vielen Fällen dem Ziel, eine Organisation oder Individuen von vorneherein zu
stigmatisieren und diesen jegliche Legitimation, vor allem hinsichtlich der
politischen Ziele, abzusprechen. Gleiches gilt auch für den „internationalen
Terrorismus". Dies insbesondere dann, wenn er im Konnex mit „islamistisch"
verwendet wird. Eine neutrale Verwendung des Begriffs scheint daher nahezu
unmöglich.
Voraussetzungen, Elemente und Dimensionen des Terrorismus
Ansätze, um sich von einer exakten Definition des Begriffs
„Terrorismus" zu lösen, liegen in der Darstellung, welche Voraussetzungen und
Elemente gegeben sein müssen, um von „Terrorismus" zu sprechen sowie, darin
seine verschiedenen Dimensionen zu unterscheiden. Steinberg geht davon aus, dass
folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um von Terrorismus zu
sprechen:3 Erstens handelt es sich um ein
substaatliches Phänomen, das heißt Terrorismus als Phänomen von „unten" ist vom
Terror von „oben" (Staatsterror) zu unterscheiden. Zweitens verfolgen
Terroristen politische Ziele und versuchen durch ihre Taten, Botschaften zu
vermitteln. Waldmann hat dies als Akt der kommunikativen Gewalt bezeichnet:
„Terrorismus,…, ist primär eine Kommunikationsstrategie".4
Es wird Gewalt eingesetzt, um der eigenen Botschaft Gehör zu verschaffen und den
Gegner zu einer Reaktion zu zwingen. Einigung besteht darin, dass Terrorismus
eine besondere Form der Gewalt mit im weitesten Sinn politischer Zielsetzung
ist. 5 Etwas explizierter umreißt Waldmann
Terrorismus als „planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen
eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen allgemeine Unsicherheit
und Schrecken, daneben auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzielen".6
Bei der Darstellung der verschiedenen Formen des Terrorismus
ist es hilfreich, diesen hinsichtlich der in untenstehender Übersicht
wiedergegebenen Zielsetzungen und Motivationen (Dimensionen) zu unterscheiden.7
Nationaler (klassischer/ „konventioneller") und
internationaler Terrorismus
Ausgehend von den oben angeführten Überlegungen bezeichnet
Steinberg als Kennzeichen des konventionellen Terrorismus die Tatsache, dass
dessen Akteure terroristische Aktivitäten innerhalb eines Staates gegen dessen
Staatsbürger entfalten. 8 Sie hatten oder
haben die gemeinsame politische Zielsetzung, die darin besteht, eine bestehende
nationale Ordnung in ihrem Sinn zu verändern oder abzulösen oder sich von einem
Staat abzuspalten. Aus diesem Grund werden diese Formen des Terrorismus auch der
Form des „nationalen Terrorismus" zugeordnet. Anzumerken in diesem Zusammenhang
ist, dass obwohl das Phänomen des internationalen Terrorismus primär im Fokus
der Öffentlichkeit steht, der traditionelle Terrorismus in all seinen Facetten,
nach wie vor die dominierende Variante ist.9
„…der internationale Terrorismus stellt nur die Spitze, die auf einem breiten
Sockel im nationalen Rahmen begangener terroristischer Anschläge beruht, dar".10
Als „internationaler Terrorismus" werden in der Forschung all
diejenigen terroristischen Aktionen bezeichnet, bei denen Täter und Opfer
Angehörige verschiedener Staaten sind. 11
Entweder wird hierbei grenzüberschreitend agiert oder die Ziele sind Ausländer
oder ausländische Einrichtungen. In der Regel versuchen Terroristen auf diese
Weise, die internationale Öffentlichkeit auf ihren jeweiligen Konflikt
hinzuweisen. Dies entweder, um ihre Erfolgschancen zu erhöhen oder, da sie auf
Grund des Verfolgungsdrucks des Gegners ins Ausland ausweichen müssen.
Dimensionen des Terrorismus
Schubert weist nach, dass obwohl bislang säkulare
terroristische Gruppierungen sowohl in deren Anzahl als auch hinsichtlich der
Anzahl der Anschläge eindeutig dominieren, religiöse Gruppierungen dennoch für
fast die Hälfte (ca. 44%) aller Todesopfer bei Attentaten verantwortlich sind.12
Religiöse terroristische Gruppierungen zeichnen sich demnach durch eine überaus
große „Tötungseffizienz" aus. Seit Mitte der 80er Jahre ist zudem zu beobachten,
dass die Anzahl dieser Gruppierungen zusehends im Steigen begriffen ist. 2004
waren bei rund der Hälfte aller terroristischen Gruppierungen, die Anschläge
verübte, religiöse Motive nachzuweisen.
Die gegenwärtige Form des internationalen Terrorismus ist vor
allem durch die religiöse Motivation mit Bezug auf den Islam gekennzeichnet, von
der somit auch die größte Bedrohung ausgeht. So zählt Schubert zu den zwanzig
Gruppierungen, die bei ihren Anschlägen die meisten Todesopfer zu verzeichnen
hatten, dreizehn Gruppierungen islamistischer Prägung.13
Islamistisch 14 -extremistische
Gruppen leiten ihre Ideologie vom Islam ab.15
Die Idee zur Ausweitung des „Heiligen Krieges" („Dschihad" in der Interpretation
der Islamisten) auf globale Ebene geht wesentlich auf Bin Laden und die Al-Qaida
zurück. Steinberg bezeichnet daher auch Al-Qaida als den „Prototypen eines
neuartigen Terrorismus".16 Es liegt ein
„weiter" Feindbegriff vor, der im Zweifelsfall all diejenigen umfasst, die nicht
auf der eigenen Seite stehen. Da die eigene Sicht als die einzig wahre und daher
als absolut gültig interpretiert wird, kommt es zu einer kategorischen Trennung
zwischen „gut" und „böse" bzw. „gläubig" und „nicht gläubig". Das zentrale
Feindbild für die Terroristen islamistischer Prägung ist „der Westen",
insbesondere die USA und Europa, deren Kultur und Wert- und Ordungsvorstellungen
als dekadent und dem Islam grundsätzlich feindlich gesinnt bezeichnet werden und
die es daher zu bekämpfen gilt.17
Islamistische Extremisten wollen ihre Ziele kompromisslos
durchsetzen, Verhandlungen kommen für sie nicht in Frage. Letztlich geht es für
sie um die Vernichtung ihrer Gegner und die Etablierung der eigenen
Werteordnung. Die Koexistenz verschiedener Wertesysteme wird abgelehnt. Osama
Bin Laden wird folgender Satz zugeschrieben:
„I do not want to come to the
negotiating table, I want to smash it".18
Zu den globalen Zielsetzungen zählen:
· Zurückdrängen des
westlichen Einflusses in den islamischen Ländern,
· Abzug der westlichen
Truppen aus islamischen Ländern,
· Beseitigung
prowestlicher islamischer Regierungen,
· Angriff auf die USA und
ihre Verbündeten (insbesondere solche, die sich aktiv im Irak, in Afghanistan
oder generell im „War on Terrorism" engagieren),
· Zerstörung Israels,
· Schaffung eines
islamischen Reiches (Kalifats) von Marokko bis Indonesien.
So sind Attentate auch Machtdemonstrationen, mit denen sich
die islamistischen Extremisten an zwei Zielgruppen richten. Einerseits soll
Sympathisanten die Verletzlichkeit des Westens vor Augen geführt und aufgezeigt
werden, dass Widerstand möglich ist, wodurch ein Mobilisierungs-, aber auch ein
Rekrutierungseffekt angestrebt wird. Andererseits sollen damit Botschaften an
die Feinde übermittelt werden. Zum einen wird prowestlichen Machthabern
signalisiert, dass eine Bekehrung zum Islam und Abkehr von westlichen Gedanken
und Wertvorstellungen notwendig ist. 19
Zum anderen soll durch Attentate auf westliche Staaten, deren Staatsbürger oder
Einrichtungen die Bevölkerung der betreffenden Staaten demoralisiert sowie Druck
auf politische Entscheidungsträger ausgeübt werden, um damit eine Minimierung
des Einflusses westlicher Länder in der islamischen Welt zu erreichen.20
Während der traditionelle Terrorismus immer Teil einer
politischen Strategie zur Erreichung eines begrenzten Zieles war und ist, will
der islamistisch-extremistische Terrorismus die internationale Ordnung
verändern. Jeder Anschlag ist Teil eines globalen Kampfes und soll daher auch
global wahrgenommen werden. Um weltweite Wahrnehmung zu erreichen, müssen
Anschläge „mediengerecht" sein. Symbolische Ziele oder die so genannte Kritische
Infrastruktur wie das World Trade Center, das Pentagon oder das U-Bahnnetz in
London eignen sich für die Zwecke des „neuen Terrorismus" hervorragend, da sie
weltweit bekannt sind. Mit dem Ziel des Anschlages wird auch die Identität eines
Volkes getroffen. Dies ruft selbst bei nicht direkt betroffenen Personen
Betroffenheit hervor. Herfried Münkler hat den internationalen Terrorismus
zutreffend als „die offensive Form der strategischen Asymmetrisierung von
Gewaltanwendung" bezeichnet. 21
Je katastrophaler die Auswirkungen sind, desto höher ist die mediale
Aufmerksamkeit. Tabubrüche sind eine weitere Methode, um weltweit Aufmerksamkeit
zu erregen. Videos von der Enthauptung von Geiseln (wie z.B. im Irak) oder die
Geiselnahme von Kindern (Beslan 2004) werden über das Internet verbreitet bzw.
den Medien zugespielt und rufen starke Emotionen hervor. Sympathisanten
bewundern die Kompromisslosigkeit der Terroristen, „Feinde" schockiert die
Brutalität der Tat. Weil sie Teil des Alltags waren, riefen die Anschläge
besondere Betroffenheit hervor. Auch wenn sich die Aufregung nach einiger Zeit
legt und das Medieninteresse schwindet, bleibt ein Rest von Angst bestehen.
Genau das wollen die Täter erreichen, nämlich permanent diffuse Angst und
Verunsicherung erzeugen.
Schneckener bezeichnet den internationalen Terrorismus als
ein "multinationales Unternehmen" 22 ,
was sich einerseits in der Struktur der terroristischen Gruppierungen und
andererseits an der weltweiten Rekrutierung von Personal zeigt. Während
terroristische Gruppierungen in den sechziger bis achtziger Jahren vor allem
durch ihre hierarchische Struktur, ihre zum Teil große Abhängigkeit von
staatlichen „Sponsoren" sowie ihre kleine Mitgliederzahl sowie durch relativ
einfach geplante Anschläge gekennzeichnet waren, so sind Kennzeichen heutiger
Gruppierungen hoch komplexe, vernetzte und spezialisierte Netzwerke mit flachen
Hierarchien sowie die Suche nach weitgehender Unabhängigkeit von staatlicher
Unterstützung. Hierzu gehört vor allem die nichtstaatliche Finanzierung und
Logistik. „Moderne" Gruppierungen bestehen in der Regel aus mehreren Ebenen:
Einer Führungsebene, die für die Gesamtplanung zuständig ist, einer Planungs-
und Unterstützungsebene, welche die Details der Attentate plant und für die
Logistik (Finanzen, Ausweise, Kampfmittel) sorgt sowie aus einer ausführenden
Ebene, den Attentätern. Daneben gibt es auch Rekrutierungsverantwortliche, die
für den „Nachwuchs" an Terroristen sorgen sowie zumeist auch Ebenen, die für
Propaganda und Medienarbeit zuständig sind.
Vor allem die transzendental religiöse Motivation hat
Auswirkungen auf das Zerstörungspotential. Die meisten religiös motivierten
Gruppierungen sind bereit, deutlich höhere Opferzahlen in Kauf zu nehmen als
herkömmliche, klassische Terroristen, die, da sie zumeist konkrete politische
Ziele verfolgen, darauf achten müssen, nicht zu viele tatsächliche oder
potentielle Sympathisanten 23
durch exzessive Gewaltanwendung abzuschrecken. Wenn jedoch die Taten im Namen
Gottes ausgeführt werden und, wie Extremisten argumentieren, nur vor diesem zu
rechtfertigen sind, wird die Art der Gewaltanwendung nihilistisch, das heißt,
sie folgt keinem begrenzten auf einen exklusiven Opferkreis beschränktem Kalkül
mehr. In ihrem kompromisslosen Kreuzzug gegen „Christen und Juden" gibt es für
die Terroristen keine unschuldigen Opfer, die Anschläge richten sich vor allem
gegen zivile Ziele („soft targets"). „Wir unterscheiden nicht zwischen
Menschen in Militäruniform und Zivilisten.", so Osama bin Laden in einem
Interview mit dem US-Sender ABC.24
Somit hat auch die These von Brian Jenkins, dass Terroristen „want to have a
lot of people watching not a lot of people dead" für diese Art des
Terrorismus nicht länger Gültigkeit. „Al-Qaida specifically aims to have a
lot of people watching as well as a lot of people dead".25
Bislang wurden und werden die meisten Attentate mit
konventionellen Waffen unterschiedlichster Art ausgeübt. Doch kann als sicher
gelten, dass sich fundamentalistische und terrorbereite Gruppierungen für
nichtkonventionelle (atomare, radiologisch, biologische, chemische) Waffen
interessieren. So wird auch in der Europäischen Sicherheitsstrategie der Gedanke
als erschreckend bezeichnet, dass terroristische Gruppierungen in den Besitz von
Massenvernichtungswaffen gelangen könnten, und diese somit ein
Vernichtungspotential hätten, das bisher nur von Staaten und Armeen vorstellbar
war. 26
Niemand kann zurzeit das Ausmaß zukünftiger Bedrohungen mit solchen
unkonventionellen Mitteln einschätzen. Der Schweizer Terrorismusexperte Doron
Zimmermann argumentiert, dass Terroristen, da von ihnen erwartet wird, immer
größere Opferzahlen zu erzielen und Massenvernichtungswaffen einzusetzen,
gewissermaßen unter Zugzwang kommen würden, dies auch tatsächlich zu tun, um
ihre „Glaubwürdigkeit" beizubehalten.27
Nichtkonventionelle Waffen wären für Terroristen vor allem
wegen ihrer zu erwartenden hohen Opferzahlen sowie des schwierigen Nachweises,
von wem der Angriff gestartet wurde, besonders interessant. Der Fall, dass
terroristische Gruppierungen in den Besitz von Nuklearwaffen kommen, wird
zurzeit als eher gering eingeschätzt. Befürchtet werden hingegen vor allem
Anschläge mit Sprengstoffen, denen radiologische Substanzen beigemengt sind (so
genannte „schmutzige Bomben") sowie mit biologischen oder chemischen Substanzen.
Der unmittelbare Schaden durch solche Anschläge würde durch indirekte
Folgewirkungen noch verstärkt. Auch muss in Betracht gezogen werden, dass selbst
die Androhung des Einsatzes solcher Waffen bereits zu einer massiven
Verunsicherung der Bevölkerung und in der Folge zur Auslösung einer Massenpanik
führen könnte. Auch Cyberterrorismus (eine Bedrohung über das Internet) wird in
Expertenkreisen seit Jahren als mögliches Anschlagsszenario diskutiert.
Zusammenfassung
Es ist durchaus berechtigt, vom „neuen" Terrorismus zu
sprechen. Dieser weist Charakteristika des „traditionellen" Terrorismus auf, ist
mit diesem jedoch nur bedingt vergleichbar. Dies insbesondere auf Grund der
Zielsetzung und des Mitteleinsatzes. Die Zielsetzungen sind global, werden
kompromisslos verfolgt und sind nicht verhandelbar. Diese Zielsetzungen folgen
zumeist einer fundamentalistisch-religiösen Motivation mit einem abstrakten
Provokationskalkül. Ausgehend von der These, dass der internationale Terrorismus
darauf abzielt, möglichst hohe Opferzahlen zu erzielen und medienwirksam zu
agieren, kann der mögliche Einsatz von Massenvernichtungswaffen durchaus als
rational bezeichnet werden.
Lange Zeit hat der Westen die Gefahr, die vom neuen
Terrorismus internationaler Prägung ausging, unterschätzt und die eigenen
Fähigkeiten überschätzt, indem versucht wurde, diesen auf klassische Weise, d.h.
vor allem mit nationalstaatlichen Rezepten, zu bewältigen. Auch stand lange Zeit
die Reaktion auf berechenbares Verhalten im Vordergrund und nicht die präventive
Aktion gegenüber unberechenbarem und ungewohntem bzw. nicht denkbaren
Verhaltens. Und genau hier waren bzw. sind die Terroristen ihren Verfolgern
einen Sprung voraus, nämlich dass sie das Undenkbare denken, und dies auch tun.
Nur weil es bislang nicht gelang, die Perspektive religiös
motivierter Terroristen zu verstehen, hat es der Westen nicht mit wahnsinnigen
Psychopathen, sondern mit rational denkenden, intelligenten und zu allem
entschlossenen Gegnern zu tun. Diese Rationalität gründet sich auf ein durchaus
logisches, wenn auch indirektes und kompliziertes Zweck-Mittel-Denken. Die
Wirkung wird an ein breites Publikum über die mediale Informationsplattform
transportiert werden. Aufgrund technischer innovativer Revolutionen kann ein
noch breiterer Grad der Massenkommunikation auch für den Terroristenzweck
erreicht werden.
Eine erfolgreiche Bekämpfung des internationalen Terrorismus
kann nur in einem umfassenden Sinne erfolgen. Repressive Maßnahmen, so notwendig
sie auch sein mögen, alleine reichen nicht mehr aus. Diese müssen sich auf
proaktive und präventive Maßnahmen unterschiedlichster Art abstützen. Hierzu
zählen insbesondere Maßnahmen zur Förderung von Demokratisierung und
Partizipationsmöglichkeiten genauso wie Maßnahmen, die einer weiteren
Radikalisierung und Sympathisierung mit fundamentalistisch-extremistischen
Strömungen entgegenwirken.
Vor allem aber gilt es, die Gefährlichkeit des
internationalen Terrorismus bewusst zu erkennen ohne jedoch diffuse Ängste
entstehen zu lassen. Rationale und kontrollierte Furcht ist immer noch besser
als Angst, die zu Kontrollverlust über das eigene Denken und Handeln führt und
letztlich zur Passivität verurteilt.
1 Pankratz Thomas, Die Bekämpfung des internationalen
Terrorismus als eine der zentralen Herausforderungen für die Europäische Union,
in: David Nr. 67/ Dezember 2005; S. 37-40.
2 Siehe hierzu unter anderem Daase Christopher (2001),
Terrorismus – Begriffe, Theorien und Gegenstrategien. Ergebnisse und Probleme
sozialwissenschaftlicher Forschung, in: Die Friedenswarte Nr. 2001/ 1; S. 55-
79.
3 Steinbach Guido (2005), Der nahe und der ferne Feind. Die
Netzwerke des islamischen Terrorismus, München; S. 14-15.
4 Waldmann Peter (2005), Terrorismus. Provokation der Macht,
Hamburg; S. 14.
5 Braumandl Wolfgang/ Dengg Anton (2006), Terrorismus.
Geißel des 21. Jahrhunderts, Wien; S. 1.
6 Waldmann Peter (2005), Terrorismus. Provokation der Macht,
Hamburg; S. 12. Die Suche nach einer klaren Definition wird noch komplexer, wird
das Phänomen des Terrorismus von Guerillakrieg, Kleinkrieg udgl. abzugrenzen
versucht. Siehe hierzu Vetschera Heinz (2002), Die militärische Dimension des
Terrorismus. Terrorismus als sicherheitspolitische Herausforderung, in:
Österreichische Militärische Zeitschrift Nr. 2/ 2002; S. 1- 19.
7 Siehe hierzu beispielsweise: Waldmann Peter (2005),
Terrorismus. Provokation der Macht, Hamburg; S. 99-149.
8Steinbach Guido (2005), Der nahe und der ferne Feind. Die
Netzwerke des islamischen Terrorismus, München; S. 22-23.
9 Schröfl Josef/ Schubert Samuel (2005), The asymmetric
power of terrorism, Wien (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 16/
2005); S. 51.
10 Waldmann Peter (2005), Terrorismus. Provokation der
Macht, Hamburg; S. 26.
11 Steinberg weist darauf hin, dass der nationale
Terrorismus ab 1968 eine „Internationalisierung" erfahren hat, als Aktivisten
der PFLP eine Maschine der israelischen Fluglilie El Al entführten.
12 Verhältnis sekulärer versus religiöser terroristischer
Gruppierungen im Zeitraum 1965 bis 2005: 82%:18%. Verhältnis der Anschläge
(Stand 2004): 81%:19%. Schröfl Josef/ Schubert Samuel (2005), The asymmetric
power of terrorism, Wien (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 16/
2005); S. 54.
13 Schröfl Josef/ Schubert Samuel (2005), The asymmetric
power of terrorism, Wien (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 16/
2005); S. 59.
14 Unter „Islamismus" versteht man die politische Richtung
des islamischen Fundamentalismus, in dem es um die Errichtung eines islamischen
Systems geht. Anzumerken ist, dass dieser in verschiedensten Spielarten
auftritt, d.h. es nicht nur „den" Islamismus gibt. Wentker Sibylle (2005),
Fundamentalismus und Islamismus. Definition und Eingrenzung, in: Feichtiger
Walter/ Wentker Sibylle (Hg.) (2005), Islam, Islamismus und islamischer
Extremismus, Wien (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie Nr. 15/ 2005);
S. 29- 44; S. 34
15 Einen guten Überblick zu dieser Thematik gibt Feichtiger
Walter/ Wentker Sibylle (Hg.) (2005), Islam, Islamismus und islamischer
Extremismus, Wien (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie Nr. 15/ 2005).
16 Steinbach Guido (2005), Der nahe und der ferne Feind. Die
Netzwerke des islamischen Terrorismus, München; S. 27.
17 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es hier nur
um Wertvorstellungen geht, denn westliche Technologien werden nicht abgelehnt
sofern sie den eigenen Zwecken dienen („selektiver Antimodernismus").
18 Joonas Sipilä / Mikkola Erko (ed.), Terrorism and
Couter-Terrorism. Impact on defence and other security Systems (Departement of
Strategic and Defence Studies Series 2/ No 25), Helsinki 2004; S. 10.
19 Steinberg bezeichnet dies als den „nahen Feind". Für
Steinberg führte das Scheitern am „nahen Feind" -tatsächlich konnten sich
bislang islamistisch-extremistische Gruppierungen in keinem Land des Nahen
Ostens mit ihren Zielsetzungen durchsetzen - zum Kampf gegen den „fernen Feind",
d.h. gegen die USA und Europa. Hinter der globalen Auseinandersetzung zwischen
den islamischen Terroristen und dem Westen stünden aber nach wie vor eine
Vielzahl lokaler Konflikte.
20 Als Beispiel kann der Anschlag in Madrid 2004 genannt
werden. Nach dem Anschlag zog die neu gewählte sozialistische Regierung Spaniens
ihr Truppenkontingent aus dem Irak ab.
21 Münkler Herfried, Die neuen Kriege, Reinbeck 2002, S. 54.
22 Schneckener Ulrich (2004), Transnationale Terroristen als
Profiteure fragiler Staatlichkeit, Berlin (SWP-Studie S 18).
23 Münkler bezeichnet dies als „zu interessierende Dritte".
24 Zitiert nach: Braumandl Wolfgang/ Dengg Anton (2006),
Terrorismus. Geißel des 21. Jahrhunderts, Wien; S. 3.
25 Wilkinson Paul (2005), International terrorism: The
changing threat and the EU’ s response, Paris (Chaillot Paper No. 84); S. 15.
26 ESS, Paragraph 4.
27 Zimmermann Doron (2003), The transformation of terrorism. The "New
Terrorism", Impact Scalability and the Dynamic of Reciprocial Threat Perception,
Zürich (Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung Nr. 67).
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