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Zu einer internationalen Veranstaltungsreihe in Wien:
Das Bild des Juden in Kunst und Kultur
Maja WASSERMANN
Vom 25. bis zum 28. April fand in Wien, unter der
Schirmherrschaft des Botschafters von Rumänien, Prof. Dr. Dr.h.c. Andrei
Corbea-Hoisie, zum erstenmal eine internationale Veranstaltungsreihe mit dem
Titel „Judaica, eine rumänische Präsenz in Europa" statt. Die Teilnehmer –
Historiker, Literaturwissenschaftler, Judaica-Forscher, Musiker, Kunst-Freunde,
Schriftsteller und Journalisten – kamen aus Rumänien, Österreich, Deutschland,
der Schweiz und den USA.
Unter den prominenten Gästen befanden sich seitens des
rumänischen Außenministeriums Kulturrätin Dr. Irina Cajal-Marin, Botschaftsrätin
Mag. Ildikó Schaffhauser, Prof. Dr. Jacob Allerhand, vom Vorstand des
Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Wien, sowie
Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde und verschiedener Medien. Die
viertägigen Veranstaltungen – Vorträge, Podiumsgespräche,
Multimedia-Präsentationen und die Eröffnung einer Ausstellung mit Porträts –
sollten besonders den Beitrag rumänischer und jüdischer Künstler zur modernen
europäischen Kultur sichtbar machen.
Felix Nussbaum (1904-1944): Selbstbildnis mit Judenpaß, 1943.
Nach der Begrüßung des bei der Eröffnung besonders
zahlreichen Publikums durch die Leiterin des Kulturinstituts, Mag. Carmen
Bendovski wurde die Tagung von Prof. Dr. Dr.h.c. Corbea-Hoisie, der sich als
Literaturwissenschaftler und Bukowina-Forscher bereits eines internationalen
Rufs erfreut, eröffnet. Danach hielt Dr. Claus Stephani (München), Kurator der
Ausstellung „Jüdische Bildnisse – moderne Grafiken und Zeichnungen", eine
Einführung und präsentierte eine Suite von 26 ausgewählten Künstlern, von denen
32 repräsentative Arbeiten gezeigt wurden. Es handelte sich dabei um Werke von
Marc Chagall, Hermann Struck, Anatoli Kaplan, Victor Brauner, István Beregi und
Arnold Daghani bis zu den zeitgenössischen rumänisch-jüdischen Malerinnen Alma
Redlinger, Clarette Wachtel, Tia Peltz u.a.
Einleitend erinnerte der Redner daran, dass die Vernissage
der Ausstellung am Jom Haschoa stattfindet und gedachte der über 200 jüdischen
bildenden Künstler – Maler, Grafiker und Bildhauer – die von den Nazis ermordet
wurden, darunter viele, damals bereits international bekannte Namen wie Felix
Nussbaum, Otto Freundlich, Rudolf Levy, Bruno Schulz u.a. Danach ging Stephani
besonders auf den richtungsweisenden Beitrag jüdischer Künstler zur europäischen
Moderne ein. „Was wäre die Kunst des 20. Jahrhunderts ohne Max Liebermann, Marc
Chagall und Amedeo Modigliani?" lautete eine rhetorische Frage.
„Eine Frage – auf die es eine Antwort gibt", stellte dann
Stephani rückblickend fest. Denn ohne diese und andere große Namen wäre das
Kunstgeschehen der Moderne um vieles ärmer, wenn es überhaupt jene
beeindruckende Entwicklung erfahren hätte, die außerdem von zahlreichen
jüdischen Mäzenen und Galeristen, wie Herwarth Walden (Berlin), Daniel Henry
Kahnweiler und Berthe Weil (Paris), Alfred Stieglitz (New York) u.a. mitbestimmt
wurde.
Maximilian Herman Maxy (1895-1971): Porträt von Frau
Silbermann, 1934.
„Doch auf manche Fragen", so Stephani, „kann es heute keine
Antwort mehr geben, weil auch die Stimmen der Opfer verstummt sind und viele
ihrer Werke vernichtet wurden. So eine Frage aber könnte z.B. lauten: Wie hätten
sich jene vielen ungewöhnlichen Künstler, die im Massengrab der Schoa endeten,
weiter entwickelt, wären sie ihren Weg gegangen – ins Leben und nicht in den
Tod?"
Zum Unterschied von anderen osteuropäischen politischen und
kirchlichen Persönlichkeiten, von denen einige sich immer noch um eine
eindeutige Aussage zum größten Verbrechen aller Zeiten herumdrücken und es zu
ignorieren oder zu leugnen versuchen, hatte der ehemalige rumänische
Staatspräsident, Ion Iliescu, am 12. Oktober 2004, am Tag des Gedenkens an die
Schoa in Rumänien, eine beeindruckende Rede gehalten. Sein offenes Bekenntnis
schloß mit den lapidaren Worten: „Dieses Kapitel darf niemals vergessen oder
minimalisiert werden!"
Im zweiten Teil des ersten Abends fand dann, moderiert von
Mag. Peter Janku, Publizist und Redakteur von Radio Deutsche Welle, Bonn, die
Lancierung des zweisprachigen, deutsch-rumänischen Kunstbuches „Das Bild des
Juden in der modernen Malerei" statt, das Dr. Claus Stephani vor kurzem im
internationalen Hasefer Verlag, Bukarest, herausgebracht hat. Danach
präsentierte Prof. Alexandru Singer das umfangreiche Verlagsprogramm, das allein
im vergangenen Jahr 36 Neuerscheinungen in rumänischer, englischer, deutscher,
hebräischer und jiddischer Sprache umfasste. Stephanis großformatiger Bildband
(127 Seiten, 56 ganzseitige Abbildungen) war vorher auch auf der diesjährigen
Leipziger Buchmesse als „editorisches Novum" vorgestellt worden und hat
inzwischen, besonders in der israelischen Presse, eine Reihe lobender
Rezensionen erhalten.
Das Buch des Ethnologen, Kunsthistorikers und
Schriftstellers, „bringt zum erstenmal eine Übersicht zur Darstellung des
östlichen und deutschen Judentums in der modernen Malerei. Dabei beginnt
Stephani", wie während des Podiumsgesprächs hervorgehoben wurde, „bereits mit
dem 4. Jh., als die berühmten Fresken mit Bildnissen jüdischer Menschen in der
Synagoge von Dura Europos (244/245 u.Z.) entstanden sind. Der aus Rumänien
stammende Kunsthistoriker hat somit", wie Prof. Alexandru Singer feststellte,
„zum erstenmal eine Zeitspanne von siebzehn Jahrhunderten untersucht und
wichtige Kunstwerke dem breiten Leserpublikum verständlich gemacht". Peter Janku
würdigte anschließend das Kunstbuch „als ein editorisches Novum", wonach der
Autor darauf hinwies, dass die Erstfassung seiner Studie bereits im „David"
veröffentlicht worden war, was ihn zur Herausgabe dieser umfangreichen Arbeit
sehr ermutigt hat.
In den folgenden Tagen sprach Prof. Dr. Andrei Oisteanu von
der Universität Bukarest zum Thema „Der imaginäre Jude in der rumänischen und
mitteleuropäischen Kultur", wonach eine Lesung aus dem Band „Bild des Juden in
der rumänischen Kultur. Imagologie-Studie im mittel- und osteuropäischen
Kontext" folgte. Am Beispiel zahlreicher antisemitischer Karikaturen aus der
rumänischen und osteuropäischen Presse der letzten hundert Jahre zeigte Prof.
Oisteanu, wie das klischeehafte Zerrbild vom „hässlichen und habgierigen Juden"
propagiert und so „im dumpfen Denken der Massen" gefestigt wurde. Als Moderator
wirkte wieder, wie auch bei den Veranstaltungen danach, der Publizist Peter
Janku (Bonn).
Edward Serotta (New York und Wien), Leiter der Organisation "Centropa.
Center for Research and Documentation", eröffnete seinen Vortrag mit einem
Dokumentarfilm und einer Multimedia-Präsentation mit Berichten von
Holocaust-Überlebenden in Wort und Bild. Die 38 Forscher von „Centropa"
(Atlanta/USA, Budapest, Wien) haben in den letzten Jahren über 2000
Oral-History-Gespräche – hauptsächlich in Österreich, Ungarn, Rumänien und der
Ukraine – audiovisuell aufgezeichnet und etwa 50.000 alte Fotos archiviert.
Zum Abschluß der Tagung brachte Prof. Dr. Peter Schubert
(Stift Klosterneuburg) eine multimediale Bildfolge, die „Auf der Suche nach
Spuren. Zur Geschichte der Juden in Österreich" entstanden war. Die
anschließenden Diskussionen in rumänischer, englischer und deutscher Sprache
brachten wichtige Ergänzungen zur Vielfalt dieser Problematik; sie kamen von
Carmen Bendovski (Wien), Peter Janku (Bonn), Prof. Andrei Oisteanu (Bukarest),
Prof. Al. Singer (Bukarest) und Dr. Claus Stephani (München).
Die Judaica-Tage im Rumänischen Kulturinstitut, Wien, vermittelten nicht nur
„eine rumänische Präsenz in Europa", wie der Titel der Veranstaltungsreihe
angekündigt hatte, sondern sie brachten auch viele wertvolle informative
Einsichten in Kunst und Kultur eines Landes, in dem heute, was noch wenig
bekannt ist, neben der rumänischen Mehrheitsbevölkerung 18 gleichberechtigte
nationale Minderheiten leben und im Bukarester Parlament durch eigene
Abgeordnete vertreten sind. Zum vielfältigen und farbigen Kunstgeschehen des 20.
Jahrhunderts aber – und das wurde in den Vorträgen, Filmen und Podiumsgesprächen
immer wieder deutlich – leistete das rumänische Judentum einen
grenzenüberschreitenden und teils universalen Beitrag.
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