Die virtuelle Rekonstruktion nicht mehr vorhandener Synagogen
ermöglicht es dem Betrachter von heute, eine Vorstellung von davon zu gewinnen,
was einmal war und 1938 brutal zerstört wurde. Das moderne Informationszeitalter
gibt uns ein Mittel an die Hand, das uns gestattet, wenigstens Teile dieser
„Welt von Gestern" wieder sichtbar zu machen. Die auf diese Weise
rekonstruierten Synagogen lassen uns nicht nur staunend wiederentdecken, wie
diese Bauwerke einmal ausgesehen haben, sondern machen uns auch gleichzeitig
bewusst, wie viele davon einst integraler Bestandteil des städtischen Gefüges
waren.
In den vorangehenden Ausgaben (50,52, 60 und 68) wurden
Ergebnisse laufender Forschungsanstrengungen vorgestellt. Die in diesem
Zusammenhang präsentierten Rekonstruktionen basieren auf einem vollständigen,
detailgenauen 3D-Computermodell. Gezeigt wurde jeweils eine Auswahl der daraus
generierten Visualisierungen.
Die Rekonstruktion des 1889 errichteten Tempels in der
Schopenhauerstrasse wurde von Christoph Oberhofer im Rahmen einer
Diplomarbeit [3] bearbeitet. Das Ergebnis stellt nicht nur Visualisierungen
bereit, sondern auch bestimmte Teile der rekonstruierten Synagoge in der
Schopenhauerstrasse in Form dreidimensionaler Maßstabsmodelle. Letztere wurden
mittels Laserschnitt- und Rapid-Prototyping-Verfahren ausgeführt. Es handelt
sich hierbei um neuartige Verfahren im Rahmen des Architekturmodellbaues, welche
es ermöglichen, bereits erarbeitete digitale Datensätze mit hoher Präzision in
ein physisches Modell zu verwandeln.
Christoph Oberhofer wählte für die Umsetzung
charakteristische Gebäudefragmente aus. In der Modellbauwerkstätte der TU Delft
gelang es ihm nach entsprechender Konversion des Datenmaterials mit
Unterstützung von Dr. Martijn Stellingwerff bestimmte Gebäudeteile
maßstabsgerecht zu produzieren und danach zu assemblieren. Zunächst wurde ein
Modellfragment vom Toraschrein im Maßstab 1:20 erstellt.
Das Modell der Fassade (Maßstab: 1:50) basiert in weiterer
Folge ebenfalls auf der Vorstellung, dass sämtliche Bauelemente, welche aus
Plattenmaterialien erstellbar sind, mittels Laserschnitt produziert werden. Die
verbleibenden Bauelemente werden demnach mittels Rapid-Prototyping am sog.
„3D-Drucker" gefertigt. Dieses Verfahren gelangt übrigens auch in der Medizin
(z.B. Schädelknochen aus dem Computertomographen) und in der Molekularphysik für
die Verwirklichung von Anschauungsmodellen zur Anwendung.
In Österreich konnte anschließend mit Unterstützung der Firma
Bibus ein Bereich rund um den Toraschein vollständig ausgedruckt werden. Es
wurde nun das gesamte Fragment mittels Rapid-Prototyping gefertigt. Zum
Verfahren sei kurz erwähnt, dass mittels handelsüblicher Ink-Jet Patronen ein
spezieller Binder auf schichtweise aufgetragenes Pulver aufgebracht wird.
Dadurch ist die Darstellung in Vollfarben ebenso möglich wie eine Variation der
Materialeigenschaften (von starr bis gummi-elastisch).
Die hier vorgestellte Rekonstruktionsarbeit basiert im
wesentlichen auf einem Beitrag in der Allgemeinen Bauzeitung [2]. Es
handelt sich dabei um sog. „frisierte" Überarbeitungen einer Einreichplanung,
welche mittels Detailzeichnungen angereichert wurden (z.B. gusseiserne
Säulenkonstruktion). Darüber hinaus konnte auch auf aquarellierte Darstellungen
zurückgegriffen werden, wie sie bereits bei vergleichbaren Innenraumstudien der
Synagoge in der Berliner Oranienburger Strasse Anwendung fanden.
Wie auch bei den vielen anderen Synagogen fehlt der Zugang zu
Ausführungszeichnungen, da die Auflösung der jeweilig planenden Büros allzu
lange zurückliegt. Auch die Zahl der Publikationen über den Architekten Jakob
Modern, der für diesen Tempel verantwortlich zeichnete, ist eher bescheiden.
Auffallend ist jedenfalls die Ausführung der Fassade in
Sichtziegelmauerwerk. Pierre Genée weist auf die Ähnlichkeit mit der von Ludwig
von Förster und Theophil Hansen erbauten Gustav-Adolf-Kirche (Wien) hin [1].
Die Synagoge in Wien-Währing ist „(...) Beispiel eines
ungewöhnlich billig erstellten Gotteshauses." [2] Was seine Lage betrifft, so
war der Bau im Innenhof angesiedelt. Diese Situierung entspricht jener der
Tempelbauten in der Großen Schiffgasse und Schmalzhofgasse.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Absicht
besteht, bis zum Gedenkjahr 2008 weitere Modelle bzw. zusammenhängende
Modellfragmente mittels dieser Verfahren - basierend auf den bereits bestehenden
Computermodellen - anzufertigen, um so visuell „begreifbar" zu machen, was einst
vernichtet wurde.
Referenzen
[1] Genée, Pierre: Wiener Synagogen 1825-1938.
Wien: Löcker Verlag, 1987.
[2] Konnerth, Edmund: Der neue israelitische Tempel in
Währing. In: Allgemeine Bauzeitung (1892) S. 10 und Tafeln 32-34
[3] Oberhofer, Christoph: Computergestützte Rekonstruktion der Synagoge in
Wien-Währing [Diplomarbeit TU-Wien]. Wien: 2005.