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Das Phänomen Jüdische Kultur

In Rumänien schrumpfen die Gemeinden / Doch das Leben geht weiter

Claus STEPHANI

Die Zahl der Juden in Rumänien ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. „Unsere Gemeinde ist wie eine Kerze, die langsam erlischt...", hatte 1990 Oberrabbiner Dr. Moses Rosen in einem Interview gesagt. Von einst 850.000 (1940) gibt es heute in Rumänien noch 5.612 Einwohner jüdischen Glaubens. Mit den nichtjüdischen Ehepartnern beläuft sich ihre Zahl auf 8.711 (2006). Hinzu kämen dann noch knapp 10.000 Rumänen, wo ein Großelternteil jüdischer Herkunft ist. Einige dieser „Vierteljuden", wie sie in den Statistiken manchmal genannt werden, bekennen sich jedoch offen zu ihren jüdischen Wurzeln, andere – darunter auch solche mit jüdischen Nachnamen – versuchen, diesen Aspekt ihrer „ethnischen Deszendenz" zu vertuschen.

„Trotz dieser Entwicklung und der Tatsache, dass 65 Prozent unserer Mitglieder der sogenannten ‚dritten Altersstufe’ angehören, geht das jüdische Leben weiter, und diese Kerze, von der Rabbi Rosen einst sprach, wird so bald nicht verlöschen", sagte kürzlich Dr. Ing. José Blum, Kulturrat der Föderation Jüdischer Gemeinden Rumäniens (FCER). „Denn wir haben immer noch eine Vielfalt an kulturellen Aktivitäten, womit man sich europaweit sehen lassen kann. Das sind Theateraufführungen, Konzerte von Klesmerformationen und synagogalen Chören, Volkstanzabende und Lesungen des jiddischen Literaturkreises. Und das besonders in Bukarest, wo derzeit 3.802 unserer Gemeindemitglieder leben."

Landesweit gibt es heute noch 38 jüdische Gemeinden („comunitati"). Die bedeutendsten befinden sich in den einst traditionsreichen Zentren des östlichen Judentums – in Bukarest, Iasi (Jassy), Oradea (Grosswardein), Cluj-Napoca (Klausenburg), Timisoara (Temeschburg), Brasov (Kronstadt) und Arad. Außerdem bestehen noch 22 Gemeinschaften („obsti") in jenen größeren Ortschaften, wo wenigstens zehn gläubige jüdische Männer leben. Die Mindestzahl von zehn Männern, die ihre Bar Mizwa gefeiert haben müssen, ist nötig, um in der Synagoge einen Gottesdienst abzuhalten.

Der Präsident der Föderation Jüdischer Gemeinden, Dr. Aurel Vainer, ist auch Abgeordneter im Rumänischen Parlament. Sein Stellvertreter Dipl.-Ing. Paul Schwartz und Generalsekretär Albert Kupferberg sind unmittelbar für organisatorische und aktuelle Fragen des Gemeindelebens zuständig. Das heißt von der Bedrohung durch den neuen Antisemitismus, den die rechtsextreme, nationalistische Partei „Romania Mare" (Grossrumänien) und die faschistoide Bewegung ehemaliger Legionäre, „Noua Dreapta" (Die Neue Rechte) unverhohlen propagieren, bis zu den jährlichen Gedenkveranstaltungen der Holocaust-Opfer.

Obwohl sich im letzten Jahr die Zahl der jüdischen Gemeinden von 41 (2005) auf 38 und die der Gemeinschaften von 28 (2005) auf 22 verringert hat, kennzeichnet eine beeindruckende Zuversicht das rumänische Judentum. „Die Zahl der jüdischen Einwohner nimmt zwar ab, doch die Zahl der jüdischen Kulturveranstaltungen nimmt zu", sagt José Blum. „Das Interesse am Judentum, an jüdischer Kunst und Kultur hat besonders in den letzten Jahren stark zugenommen." Es ist „ein Phänomen", das sich dadurch erklären lässt, dass am jüdischen Kulturleben immer mehr Nichtjuden aktiv beteiligt sind. So gibt es z.B. am Jüdischen Staatstheater in Bukarest unter den insgesamt 38 Schauspielern und Tänzern nur fünf jüdische Künstler; diese sind allerdings auch jenseits der Landesgrenzen bekannt: Leonie Waldmann Eliad, Maia Morgenstern, Rudy Rosenfeld, Roxana Guttmann und Theodor Danetti. Nach Kriegsende und Neugründung des Jüdischen Staatstheaters in Bukarest gab es hier in den 1950er Jahren keinen nichtjüdischen Schauspieler. Heute sind die Schauspieler mehrheitlich Rumänen. „Für mich aber sind alle, wenn sie auf unserer Bühne stehen, ‚Juden’, denn sie wirken überzeugend für die jüdische Kulturpflege", meint Theaterdirektor Harry Eliad.

Auch in den drei Klesmerformationen – in Bukarest, Cluj-Napoca und Oradea – spielen rumänische und ungarische Instrumentalisten. Und in den bekannten Synagogalen Chören, von denen es insgesamt zwölf gibt – so in Bukarest, Timisoara, Oradea, Cluj-Napoca, Iasi, Galati, Brasov, Sighet, Braila, Botosani, Bacau und Arad –singen auch Rumänen mit. Einzig der kleine elitäre Jiddische Literaturkreis, den der Dichter Sigmund Tauberg leitet, ist „nur jüdisch", „weil es da um die Pflege der Mameloschen geht". Er wurde vor einigen Jahren auf Initiative der in Bukarest erscheinenden Zeitung „Realitatea evreiasca" gegründet.

Außer den musikalisch-künstlerischen Veranstaltungen, die sich auch an ein breites rumänisches Publikum wenden, sind dann die Talmud-Tora-Schulungen, die Rabbi Abraham Ehrenfeld und Kantor Josif Adler leiten, ausschließlich für die jüdische Jugend bestimmt. „Auch wenn unsere Jugendlichen dann nach Israel, in die Heimat, die ihre Vorfahren einst verlassen mussten, zurückkehren, ist es doch sehr wichtig, dass sie vorher ein gutes geistiges Rüstzeug bekommen", meint Jose Blum.

Doch Wissen über das rumänische Judentum vermitteln auch das renommierte Forschungszentrum für Jüdische Geschichte, die Dokumentarabteilungen des Jüdischen Museums und des Holocaust-Museums in Bukarest, sowie die Institute für judaische und hebräische Studien an den Universitäten Bukarest, Iasi, Cluj-Napoca, Craiova und Arad. „Denn Wissen", so José Blum, „war Jahrhunderte hindurch immer eine Waffe des Judentums – damals die einzige."

Die Rückkehr zur Tradition und die Besinnung auf Überlieferung und Werte des Judentums haben dieses beeindruckende Phänomen eingeleitet, nämlich dass trotz Rückgang der Gemeindemitglieder das jüdische Kulturleben einen Aufschwung erlebt, den es zur Zeit der kommunistischen Diktatur so nicht gegeben hat. Damals, d.h. bis zum Jahr 1990, war man bemüht, wenigstens äußere Formen des jüdischen religiösen Lebens zu bewahren, heute hingegen versuchen jene, die sich ihrer jüdischen Wurzeln wieder bewußt sind, das innere Wesen und den tieferen Sinn des Judentums zu begreifen. Denn, wie Rabbi Rosen 1990 sagte, als er mit der Herausgabe von Dokumentarbänden zur rumänisch-jüdischen Geschichte begann, „der Puls des Judentums schlägt immer dort, wo gelernt wird, und nur durch Wissen kann auch das Verständnis zwischen Juden und Nichtjuden verbessert werden".

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