Anläßlich seines 95. Geburtstags am 30. Mai ließen
langjährige Freunde das Werk und die Lebensstationen eines außergewöhnlichen
Menschen, des bekannten, in Czernowitz lebenden jiddischen Schriftstellers und
geborenen Österreichers Josef Burg, Revue passieren. Der Autor selbst kann
leider seine Wohnung in Czernowitz aus Krankheitsgründen nicht mehr verlassen,
ließ aber ausrichten, daß er „mitten unter den Besuchern" sei.
Schirm- und Hausherr der Veranstaltung vom 15. April 2007 im
Rumänischen Kulturinstitut war der rumänische Botschafter Professor Dr. Andrei
Corbea-Hoisie, der selbst Bücher über Czernowitz und seine mitteleuropäische
Kultur geschrieben hat. Er freute sich für seinen „Freund aus der Ferne" über
einen übervollen Saal. Gemeinsame Veranstalter waren die federführende Theodor
-Kramer-Gesellschaft, das Österreichischen Literaturarchiv in der
Österreichischen Nationalbibliothek und die Österreichische Gesellschaft für
Literatur.
Josef Burg an seinem Schreibtisch in der Landhausgasse (Nov.
2005)
Als ersten Programmpunkt stellte der deutsche Verleger Hans
Boldt die Buchreihe „Der Erzähler Josef Burg" vor, die rechtzeitig zum
Geburtstag des Autors eine interessante, von ihm sehr gewünschte Ergänzung
erfahren wird. Ende Mai erscheint „Über jiddische Dichter" - Geschichten, in
denen Josef Burg seine Begegnungen mit fünf jiddischen Dichtern festhielt und
sie so vor dem Vergessen bewahrt.
Dann führten Wendelin Schmidt-Dengler, Professor für Neuere
Deutsche Literatur an der Universität Wien und Leiter des Österreichischen
Literaturarchivs (ÖLA) an der Österreichischen Nationalbibliothek, das den
Vorlaß Josef Burgs beherbergt, und Konstantin Kaiser, Leiter der
Theodor-Kramer-Gesellschaft, Schriftsteller und Literaturwissenschafter, einen
lebhaften Dialog über Josef Burg. Warum findet sich der Vorlaß eines jiddisch
schreibenden Schriftstellers überhaupt im ÖLA und im Lexikon der
Österreichischen Exilliteratur, fragte Kaiser. Schmidt-Dengler argumentierte mit
der Verpflichtung des ÖLA, sich um die Schriftsteller aus dem ehemaligen Bereich
der Habsburgermonarchie zu kümmern, mit der Bedeutung der Regionen Bukowina und
Galizien für die österreichische Literatur, und der Rolle, die Wien für das Werk
Josef Burgs spielte. Er hatte an der Wiener Universität in den 1930er Jahren
Germanistik studiert. Und dann sei Wien, was die Konservierung des Vorlasses
betrifft, sicherer als Czernowitz. Kaiser ergänzte, daß das Konzept der
Nationalliteratur ohnehin nicht mehr so eng gesehen werde, Schriftsteller also
verschiedenen Literaturen angehören könnten. Josef Burg habe durchaus auch
Gemeinsamkeiten mit der ukrainischen Literatur, seine frühesten Erzählungen
stehen der ukrainischen Romantik nahe, oder der bukowinisch-rumänischen
Literatur. Nicht umsonst seien seine beiden ersten Bücher in Bukarest
erschienen. Schmidt-Dengler hob Burgs ästhetische Fähigkeiten hervor, die weit
über bloßes Geschichtenerzählen hinausgehen, einfache Geschichten, filigran
erzählt, die feinen Textstellen, die nie novellistisch hochgespielt werden...
und er schwärmte von Burgs Sprache. Ein Deutsch, das wir nicht mehr hören, die
Vokale kommen fein und elegant, ziseliert, wie unsere Väter und Großväter
gesprochen haben, eine andere Dimension des Sprechens. Dringlichstes Gebot sei
eine ordentliche Biographie. Und er empfahl den Besuchern, sich Burgs Bücher zu
besorgen als wichtige Bestandserweiterung der Bibliothek.
Der renommierte Dramatiker und Drehbuchautor Felix Mitterer,
Freund und Unterstützer Josef Burgs, las die dramatische Geschichte „Der Zaddik",
in der der alte Waldhüter Asriel in den Bergen der Karpaten „zwei betrunkene,
völlig schwarzgekleidete Kerle, auf deren Ärmeln silbern gestickte Totenköpfe
mit gekreuzten Knochen glänzten", mit der Axt erschlägt, bevor sie ihn umbringen
können.
Felix Mitterer, Heinz Janisch, Hans Boldt, Helene Belndorfer,
Andrei Corbea-Hoisie, Konstantin Kaiser
In einer Zeitreise „von Czernowitz über Bukarest nach Wien
und zurück" zeichnete Helene Belndorfer, Initiatorin der Veranstaltung und
langjähriger Burg-Fan, Lebensstationen Josef Burgs mit Bildern nach. Er selbst
hatte seine staatsbürgerliche Odyssee bei einem Gespräch einmal so
zusammengefaßt. „Ich bin von der Geburt aus Österreicher, sechs bis sieben Jahre
bis 1919. Dann war ich für 20 Jahre Rumäne, bin in die rumänische Schule
gegangen. Dann bin ich ein Sowjetbürger geworden, für ein halbes Jahrhundert
abgeschlossen für andere. Jetzt, nach der Wendung, bin ich Bürger der Ukraine."
Wichtige Bildbeiträge kamen zusätzlich von Helmut Kusdat, fundiertem
Bukowina-Kenner und langjährigem Burg-Freund, dem ÖLA und Burgs Vorlaßbetreuer
Werner Rotter, von Hans Boldt, Erhard Busek, der ihn als Vizekanzler als erster
nach Österreich eingeladen hatte, und der Tochter der Bukowiner Autorin Margit
Bartfeld-Feller. Sie wurden ergänzt von Interviews mit dem Autor, vor allem aus
dem Ö1 Menschenbild „Josef Burg – Sterne altern nicht", das Autor und
Ö1-Redakteur Heinz Janisch 2005 mit Josef Burg aufgenommen hat.
Heinz Janisch erzählte von seiner Begegnung mit Josef Burg in
dessen Wohnung in der ehemaligen Czernowitzer Landhausgasse, fasziniert von der
Lebendigkeit des alten Herrn. „Dichter oder Maler?" hatte der Kellner Josef Burg
im Café Central in der Taborstraße gefragt, wo er sich mit jiddischen
Schriftstellern, wie dem Arzt Mejlech Chmelnizki oder dem Juristen Mendel
Neugröschel oder Ber Horowitz aus Galizien, dem Sänger der Karpaten, getroffen
hatte. Am Ende des Interviews mußte ihm Heinz Janisch versprechen, zu seinem
hundersten Geburtstag nach Czernowitz zurückzukehren.
Die bei der Matinee, die mit einem Bukowinischen Buffet
beendet wurde gesammelten und von einer Organisation Erhard Buseks zur Verfügung
gestellten Spenden gingen umgehend an den Autor, der das Geld ganz dringend für
seine medizinische Betreuung braucht.
• Josef Burg, „Sterne altern nicht. Ausgewählte Erzählungen".
Aus dem Jiddischen von Armin Eidherr. € 15,10/100 Seiten. Hans Boldt, Winsen
2004.
• Josef Burg, „Auf dem Czeremosz". Erzählungen. Aus dem
Jiddischen von Armin Eidherr. € 10,20/50 Seiten. Hans Boldt, Winsen, 2005.
• Josef Burg, „Gift." Erzählungen. Aus dem Jiddischen von
Armin Eidherr. € 8,80/32 Seiten. Hans Boldt, Winsen 2005.
• Josef Burg, „Dämmerung". Erzählungen. Aus dem Jiddischen
von Beate Petras. € 10,20/48 Seiten. Hans Boldt, Winsen, 2006.
• Josef Burg, „Mein Czernowitz." Erzählungen.
ORF Interview mit Margit Hainzl und Emil Wimmer, zwei
Geschichten aus dem Jiddischen von Armin Eidherr. € 10,50/39 Seiten. Hans Boldt,
Winsen 2006.
• Josef Burg, „Begegnungen – Eine Karpatenreise." Erzählungen. Aus dem
Jiddischen von Beate Petras. 55 Seiten. Hans Boldt, Winsen 2006.