Die Wiener HAKOAH (das hebräische Wort für „Kraft"), ist ein
jüdischer Sportverein, der zu seiner Blütezeit ca. 4000 Mitglieder hatte und
damit die größte allgemeine Sportorganisation der Welt war. Heute zählt der
Verein etwa 400 Mitglieder, es gibt diverse Sektionen wie zum Beispiel
Basketball, Karate, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Touristik einen Schiklub und
die Wandersektion.

Arpad Blödy, mehrfacher österreichischer Meister über Mittel- und
Langstrecken (aus dem Buch Hoppauf Hakoah - Seite 60)
Politik, Körperbewusstsein und Turnvereine
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Deutschland eine
nationale Bewegung, die sich gegen Frankreich richtete, zugleich verlangte die
Industrialisierung und Verstädterung nach körperlichem Ausgleich. Diesen
Bedürfnissen kam Friedrich Ludwig Jahn („Turnvater Jahn"), 1778 in Lanz geboren,
entgegen. Er bereitete die junge Generation der Deutschen für den Freiheitskampf
gegen die Napoleonische Fremdherrschaft vor. Das Turnen wurde mit
nationalstaatlicher Erziehung verknüpft, die Ziele der Turnvereine unterschieden
sich dahingehend nicht wesentlich von den Burschenschaften dieser Zeit.
Ausserhalb nationaler Bewegungen erwachte Körperbewusstsein in den
unterschiedlichen sozialen und politischen Gruppierungen: bürgerliche
Individualität und Selbstbewusstsein waren gefragt. Hinzu kamen die neue
Hygienepolitik und der Bedarf nach Naturerlebnis. Diese Rahmenbedingungen waren
die Voraussetzung für das Entstehen von Turnvereinen, die aber mit unserem
heutigen Verständnis von Sport noch wenig gemeinsam hatten. Auch in Wien
entstanden solche Turnvereine erstmals 1861, gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab
es auch jüdische Turnvereine in Wien.
Im 19. Jahrhundert dominierten in Österreich zwei große
unterschiedlich politische Richtungen: die deutschnationale und die
christlichsoziale. Beide waren sich dahingehend einig, dass der
Modernisierungsprozess (der beiden missfiel) auf den „jüdischen Einfluss" zurück
zu führen sei. Der Antisemitismus wuchs und den Juden wurde, um den
Moderninsierungsprozess rückgänging zu machen und sie gesellschaftlich
auszuschließen, der Beitritt in öffentliche Turnvereine verweigert.
Jüdische Sportler in Österreich Ende des
19. Jahrhunderts
Im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand
der Sport an der Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz und des allgemeinen
Durchbruchs, es wurden Sportklubs und Verbände gegründet. Als Reaktion auf den
zunehmenden modernen Antisemitismus wurde 1897 der Erste Jüdische Turnverein
gegründet, bis 1913 sollten noch weitere fünf Turnvereine folgen. Am 26.
September 1909 wurde der Jüdische Sportclub HAKOAH gegründet. Sport stand
allerdings weiterhin in der Öffentlichkeit in keiner kulturellen Akzeptanz,
sondern hatte den Geruch von Pöbel und Vulgarität. Diese Einstellung hatten
zumindest bis zum Ersten Weltkrieg auch viele Juden gegenüber den jüdischen
Sportlern. Zur Identitätsfindung wurde „jüdischer Sport" nicht anerkannt, obwohl
alle nicht-jüdischen Sportvereine (viele auch heute noch) eine politische und
ideologische Ausrichtung entwickelten, die mit dem Sport selbst nichts zu tun
hatte.
Durch die Bildung von Verbänden und Vereinen entstanden im
Sport Organisationsformen, die heutigen Strukturen ähnlich sind. Einerseits
bildeten die deutsch-nationalen Turnvereine den Deutschen Turnerbund (110.000
Mitglieder, „Nichtarier" wurden ausgeschlossen) und andererseits gab es die
Arbeitersportbewegung (Arbeiterbund für Sport und Körperkultur, 1931 250 000
Mitglieder). Letztere lehnten Wettbewerbe mit anderen Verbänden ab, und hielten
1931 die Arbeiterolympiade in Wien ab. Amateursport und Leistungssport waren
nicht getrennt. Demnach mußte jeder einzelne Sportler und Funktionär ein hohes
Maß an Eigeninitiative entwickeln, um sich weiterentwickeln zu können.
Berufliche Einschränkungen, um trainineren zu können, und andere finanzielle
Belastungen kamen hinzu.

Sicht auf den S.C.HAKOAH Campus; links S.C.HAKOAH
Vereinsgebäude, mit der S.C.HAKOAH 3-fach Sporthalle, rechts die ZPC-Schule, im
Hintergrund das Maimonides Zentrum
HAKOAH
Die Gründungsidee der HAKOAH war jüdische Sportler zu
vereinen und Juden die Möglickeit zum Sport zu geben sowie Schulung der
persönlichen körperlichen Gestaltung und damit Erhöhung des Selbstbewußtseins.
Sowohl in der jüdischen, als auch der nicht-jüdischen Öffentlichkeit sollte
demonstriert werden, dass Juden in körperlicher Hinsicht Nicht-Juden ebenbürtig
sind. Das jüdische Nationalbewußtsein sollte gestärkt werden. In diesem Sinne
wurden alle Menschen, ungeachtet ihrer politischen oder religiösen Ausrichtung
in den Verein aufgenommen, vorausgesetzt, sie bekannten sich zum Judentum. Nur
Trainer durften Nicht-Juden sein. Der Verein war zwar auf Grund der jüdischen
Identität in weiten Teilen der Wiener Gesellschaft geächtet, aber dessen
Mitglieder konnten im geregelten Wettstreit um allgemeine Anerkennung ringen.
Erfolg der HAKOAH-Fußballer
Dem großen Engagement der Funktionäre des Vereins, gemeinsam
mit jenem seiner Sportler, war der Erfolg zu verdanken. Fußball war einer der
populärsten Sportarten und bildete die Stammsektion der frühen HAKOAH. 1910
wechselte nahezu die gesamte Mannschaft des Akademischen Sportklubs zur HAKOAH,
die in der II.C-Klasse zu spielen begann und sich von Klasse zu Klasse
voranspielte - bis zur Meisterschaft in der obersten Spielklasse von 1925.
Spieler aus anderen Mannschaften wechselten zur HAKOAH und der Fußballsport
gewann nicht zuletzt durch den Erfolg dieser Mannschaft tausende Anhänger.
Juden der ganzen Welt begannen sich mit der Wiener HAKOAH zu
identifizierten, was im Besonderen ein Verdienst ihrer ersten Fußballmannschaft
war. Nach ihrem Aufstieg in die erste österreichische Liga (1920) wurde die
HAKOAH-Elf zu einem Team aufgebaut, das bereits unter professionellen
Bedingungen spielte, als es den Profifußball in Österreich offiziell noch gar
nicht gab. 1924, als es bereits Profivereine gab, war die HAKOAH stärker als die
Profi-Konkurrenz und gewann vor der Wiener Austria den Titel. 1923 besiegte
HAKOAH West Ham United (gespielt wurde in England) und wurde damit die erste
kontinentaleuropäische Fußballmannschaft, die gegen einen englischen Verein in
England gewinnen konnte. Diese Erfolge waren darauf zurückzuführen, dass die
Spieler, im Gegensatz zu anderen Vereinen, bezahlt wurden. Sie bekamen zirka das
3-fache von einem normalen Arbeitergehalt. Es wurden die besten Trainer
engagiert und ein moderner Fußball mit „Taktik" gespielt. Finanziert wurden
diese Tätigkeiten zunächst aus den Mitgliedsbeiträgen, mit zunehmendem Erfolg
begannen aber wohlhabende Juden offen (öfter heimlich) die HAKOAH finanziell zu
unterstützen. Außerhalb der Spielsaison war die Mannschaft auf Tourneen
eingeladen. So wurde die HAKOAH Fußballmanschaft nach New York eingeladen und
die meisten Spieler blieben in den Vereinigten Staaten, da sie von den
Amerikanischen Fußballklubs aufgekauft wurden. Dies sollte das Ende der
Fußballgröße HAKOAH sein.
Die vielen Erfolge des HAKOAH-Fußballs führten zu
Diskussionen unter zahlreichen jüdischen Intellektuellen und Schriftstellen -
zuerst in den Kaffeehäusern Wiens und bald weit darüber hinaus. Die HAKOAH hatte
ihr eigenes Klublokal im 1. Bezirk Wiens (wohin die Vereinsmitglieder flüchten
konnten, sobald die Nazi-Unruhen begannen). Auch Franz Kafka war ein bekennender
HAKOAH-Fan, wie aus dessen Korrespondenz anschaulich hervorgeht. Ein besonders
eindrucksvolles Denkmal aber setzte den HAKOAH-Fußballern Friedrich Torberg mit
seinem 1959 verfassten Essay „Warum ich stolz darauf bin". Als Torberg („Süßkind
von Trimberg", „Der Schüler Gerber hat absolviert", „Mein ist die Rache")
schriftstellerisch reüssierte, lag bereits eine außerordentlich erfolgreiche
Karriere als Wasserballspieler hinter ihm, die bei der Wiener HAKOAH begann und
ihn 1928 zum tschechoslowakischen Meistertitel mit Hagibor Prag führte. Die
eigentliche Liebe Torbergs jedoch war der Fußball. Und besser gesagt: Der
HAKOAH-Fußball.
HAKOAHsportler – die besten Österreichs und der gesamten Welt
Die anderen Sektionen standen zwar im Schatten der Fußballer
im Wettstreit um die öffentliche Aufmersamkeit, waren aber nicht weniger
erfolgreich: Sportler aller Sektionen wurden österreichische Meister und
gewannen internationale Turniere.
Als der HAKOAH-Fußball nach seinem Gastspiel in Amerika stark
geschwächt war, wurde Schwimmen zu einer der wichtigsten HAKOAH Sportarten. Die
Schwimmsektion feierte zahlreiche Erfolge bei den österreichischen
Meisterschaften. Bei der Europameisterschaft im Schwimmen 1928 erreichten Hedy
Bienenfeld-Wertheimer und Fritzi Löwy zweite und dritte Plätze. Erfolge, die
erst nach über 70 Jahren von Österreichern wiederholt und übertroffen werden
konnten. Die Schwimmerinnen Judith Deutsch, Ruth Langer und Lucie Goldner
weigerten sich bei den Olympischen Spielen 1936 im NS-beherrschten Berlin
anzutreten, was ihnen die Sperre durch den Österreichischen Schwimmverband
einbrachte und die Streichung ihrer Bestleistungen. Die Rehabilitation erfolgte
erst anlässlich des 100 Jahr-Jubiläums des Verbandes Österreichischer
Schwimmvereine (VÖS). Die Ringer des Sportklubs HAKOAH gewannen zahlreiche
Meistertitel. Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles im Jahr 1932 erreichte
Miki Hirschl zwei Bronzemedaillen. Außerdem fungierten die Ringer oft als
Schutztruppe gegen antisemitische Angriffe. Das Eishockeyteam konnte in den
Jahren 1929/30 und 1930/31 den Szabo-Preis für die gewonnene Jugendmeisterschaft
erringen.
HAKOAH-Heimstätte
Die HAKOAH hatte zunächst im Überschwemmungsgebiet der Donau
trainiert und bekam später einen Platz in Floridsdorf zugewiesen. Dieser wurde
die Heimstätte der Fußballer, Leichtathleten und Hockeyspieler. Doch schon bald
ensprach dieser Platz nicht mehr den Anforderungen, mit viel Geschick und
finanzieller Unterstützung gelang es der HAKOAH, einen Platz in der Krieau in
Pacht zu erhalten. Hunderte Sportler bevölkerten die Anlage, bestehend aus einem
Fußballfeld, einem Spielfeld für die Hockeyspieler, einer Tribüne, einer
Laufbahn, kompletter Leichtathletikeinrichtung, 7 Tennisplätzen und den
Wohnungen der beiden Platzmeister.
Zu den Wettspielen fanden sich tausende Zuschauer ein, die
Straßenbahn wurde von eingleisig auf zweigleisig verstärkt. An den Match-Tagen
gab es von allen Bezirken Wiens direkte Linien zum HAKOAHplatz, wo dank einer
großen Schleifenanlage die Möglickeit bestand, viele Zugsgarnituren für den
Abtransport der Zuschauer bereitzustellen. Den Wienern wurde diese Einrichtung
zum Ortsbegriff, er war im Wienervolksmund als HAKOAH-Schleife bekannt. Im Laufe
des Jahres 1940 war die so genannte „Arisierung" der Vermögenswerte jüdischer
Gemeinden abgeschlossen. Dies galt auch für das oben erwähnte Grundstück und
alle anderen Besitzungen des Vereins, darunter die legendäre „HAKOAH-Hütte" am
Semmering.
Während des Krieges gelang es den meisten Sportlern der
HAKOAH, ins Ausland zu flüchten. So konnte Zsigo Wertheimer nahezu die gesamte
Schwimm-Mannschaft vor dem Mord durch die Nationalsozialisten retten. Andere
wurden von den Nazis deportiert und ermordet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen einige wenige Unverdrossene
nach Wien zurück und begannen mit dem Aufbau eines neuen Vereins. Karl Haber und
Ernst Sinai gründeten die HAKOAH neu undversuchten, das „arisierte" Grundstück
zurück zu bekommen. Das HAKOAH Grundstück gelangte nach dem Krieg in
Bundesbesitz und wurde an den Sportklub des Finanzministeriums verpachtet. Erst
2005 gelang es nach jahrelangen, zähen Verhandlungen mit der Republik
Österreich, dass im Rahmen des „Washingtoner Abkommens" von 2001 Teile des
Areals restituiert wurden.
Künftig wird auf 20.000 Quadratmetern das größte jüdische Zentrum Europas
seiner Art beheimatet sein. Das S.C.HAKOAH Sport- und Freizeitzentrum wird über
eine Dreifachsporthalle samt Zuschauertribüne für 340 Personen, sowie diverse
Sport- und Freizeitflächen wie Tennisplätze, Leichtathletikanlagen und eine
Liegewiese samt Freischwimmbad verfügen. Mit dem neuen Trainingsmöglichkeiten
könnte die HAKOAH an die Erfolge nach der Shoah anschließen: Paul Friedenthal
war 1948-49 mehrfach Jugendstaatsmeister in Freistil-Schwimmen, der derzeitige
Präsident des Vereins, Univ. Prof. Dr. Paul Haber, war 1964 österreichischer
Meister über 100m Brustschwimmen, und HAKOAH-Schwimmer gewannen in den 1980-90er
Jahren wiederholt die vordersten Plätze bei denWiener Meisterschaften.