Leon
Askin, eigentlich Leo Aschkenasy, wurde in Wien in einer jüdischen Familie des
Mittelstandes 1907 geboren. Die Wohnverhältnisse waren in seiner frühen Kindheit
äußerst beschränkt, obwohl - beide Elternteile waren berufstätig - ein
Dienstmädchen und ein Kinderfräulein zur Verfügung standen. 1918 übersiedelten
die Aschkenasys in eine größere Wohnung am Alsergrund (Wien IX.). Dort wandelte
sich Leons Vater vom überzeugten Sozialdemokraten und assimilierten jüdischen
Bürger zum strenggläubigen orthodoxen Bekenner des Judentums. Das erst machte
dem 11-Jährigen seine jüdischen Wurzeln bewusst.
Das Gymnasium besuchte Askin im 17. Bezirk. In dieser Zeit
wurde sein Interesse für das Theater geweckt, das bis dahin besonders dem Zirkus
gegolten hatte. Den zahlreichen Besuchen der besten Bühnen dieser Zeit verdankt
Askin viele Erfahrungen, die er in seiner späteren Laufbahn nützte. Ab 1925 trat
Leon in das Berufsleben ein. Er arbeitete in einer Asbest- und Gummifabrik, es
hielt ihn dort aber nicht lange und er wurde arbeitslos. Es war in dieser Zeit
unendlich schwer, eine Stelle zu finden, und Askin benützte diese unerwünschte
Freizeit, um sich mit dem Theater zu beschäftigen. Er sprach auch bei einem
seinerzeit berühmten Schauspieler vor und wurde für talentiert befunden. Leider
verlangte der schlechte Gesundheitszustand seines Vaters von ihm, dass er dessen
Geschäfte vertretungsweise übernehmen musste.
Trotzdem gelang es ihm, einen Volkshochschulkurs für
Bühnenspiel bei niemand geringerem als Hans Thimig zu besuchen. Damit war seine
berufliche Entscheidung getroffen. Während er bei Thimig und Paul Kalbeck
lernte, verdiente er sich etwas Geld mit Rezitationsabenden; aber schon 1926
stand er zum ersten Mal als professioneller Schauspieler auf der Bühne, das
Ensemble nannte sich „Theater der Jugend" und spielte vorwiegend
avantgardistische Stücke.
Durch glückliche Umstände gelang es ihm, 1927 in das
neugegründete Reinhardt-Seminar einzutreten, und schon einige Monate später
bekam er ein Engagement an den „Städtischen Bühnen" in Düsseldorf. Seine
Bühnentätigkeit dauerte dort bis 1932, er spielte zahllose kleinere und mittlere
Rollen unter der Leitung von Louise Dumont. Die Machtergreifung Hitlers 1933
beendete Askins Karriere in Deutschland. Er flüchtete nach Paris und fristete
eine karge Existenz als Deutschlehrer, aber schon bald knüpfte er neue
Verbindungen, diesmal zum Kabarett. Binnen kurzem wurde er Regisseur im
politischen Kabarett „Paris-Vienne" und hatte ansehnliche Erfolge. 1935
zerstreute sich die Truppe und Askin reiste nach Wien. Zunächst fand er kein
Engagement, trat aber schließlich dem Kabarett „ABC" bei, dessen künstlerischer
Leiter er wurde. Dort kam er mit vielen späteren Schauspielgrößen, etwa Fritz
Eckhart, Josef Meinrad und Hans Jaray, aber auch mit Literaten wie Jura Soyfer
zusammen. Dazwischen inszenierte er am Landestheater in Linz. Am 14. März 1938
flüchtete Askin ohne seine Eltern über die Schweiz nach Paris.
In Paris wurde er Mitarbeiter von Erwin Piscator, jedoch nur
bis zum Ausbruch des Krieges, wo er als feindlicher Ausländer interniert wurde.
Im Lager von Meslay du Maine organisierte Askin Kabarettabende für die Insassen,
Karl Farkas war in seinem Ensemble. Schließlich gelang es ihm mit Hilfe seiner
Freunde, ein Visum in die Vereinigten Staaten zu bekommen. 1940 schiffte sich
Askin nach New York ein. Dort lebte er einige deprimierende Monate lang ohne
eigentliche Beschäftigung. Endlich fand er eine Stelle als Bühnenarbeiter bei
einem Sommertheater und bald darauf bestellte ihn Piscator, der ebenfalls
emigriert war, zum provisorischen Leiter des „Civic Theatre". Schließlich wählte
ihn der Vorstand zum definitiven Direktor.
Bis 1942 arbeitete Askin am „Civic Theatre", dann trat er in
die US-Armee ein und wurde zum Fluglotsen ausgebildet. In dieser Funktion wurde
er jedoch nie verwendet, vielmehr vertraute man ihm die Organisation der
Unterhaltung der Truppe an. Diese Aufgabe gefiel Askin auf die Dauer nicht; er
ließ sich versetzen und wurde Chefredakteur einer militärischen Zeitschrift.
Inzwischen hatte er die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangt und geheiratet.
Im Februar 1945 wurde er nach England versetzt und geriet nach London. Nach
Kriegsende fuhr Askin nach Paris und erfuhr, dass seine Eltern im
Konzentrationslager umgekommen waren.
Nach Amerika zurückgekehrt, rüstete er ab und gründete eine
Theatergruppe ehemaliger Kriegsteilnehmer, die „Veterans Memorial Stage". Nicht
lange danach gelang Askin der Sprung an den Broadway. Dort spielte er tragende
Rollen, wie z.B. Goethes Faust in deutscher Sprache. Askin widmete sich mehr und
mehr dem Filmschaffen und drehte in Hollywood eine Reihe erfolgreicher Filme,
die seinen Ruhm als Schauspieler festigten. 1955 kam Askin nach Deutschland und
inszenierte bzw. spielte dort. Die darauf folgende Rückkehr in die USA war nur
von kurzer Dauer, dann wurde ihm eine Filmrolle in „Schinderhannes" angeboten,
die ihn wieder nach Deutschland rief. Auch Theater spielte er in Berlin und
Hamburg, dort den Othello in Shakespeares Tragödie, eine Rolle, die er für die
beste seines Lebens hielt. Seine nächste große Filmrolle führte ihn nach
Brasilien, wo er mit Freddy Quinn „Weit ist der Weg" drehte, es folgte „Eins,
zwei, drei" in Berlin mit Horst Buchholz. Vor seiner Rückkehr nach Beverly Hills
spielte Askin in „Warten auf Godot" von S. Beckett in Wien in der Josefstadt. In
den USA erreichte er hernach seine größte Popularität in der Rolle des General
Burkhalter in der Fernsehserie „Hogan‘s Heroes". Sieben Staffeln wurden von
dieser Serie gedreht. In den Pausen von Jänner bis Juni trat Askin auf der Bühne
auf, unter anderem am Wiener Burgtheater. Serienrollen und Filmaufträge ließen
ihn nun jahrelang zwischen Europa und Amerika hin- und herpendeln. Dabei drehte
er auch 1973 und 74 in Wien, unter anderem spielte er in den „Maghrebinischen
Geschichten", einer ORF-Produktion. 1975 wurde Askin Präsident der ANTA-West,
der "American National Theatre Academy" und kam in dieser Funktion mit allen
möglichen Stars der Zeit in Berührung. 1986 erhielt Askin das Angebot, in einer
schweizerisch-japanischen Produktion die Hauptrolle zu spielen, was ihn nach
Japan und gleich darauf wieder nach Europa führte. Dann folgten einige Jahre der
Zurückgezogenheit in Amerika. 1993 ging seine Ehe auseinander und Askin erlebte
eine tiefe psychische Krise. Ende 1993 rief ihn ein Filmangebot nach Wien, wo er
nun endgültig bleiben sollte. Filmangebote und Theaterengagements ließen nicht
lange auf sich warten, insbesondere die Zusammenarbeit mit Paulus Manker in
„Alma – a Show Biz ans Ende" bei den Wiener Festwochen brachte dem fast
Neunzigjährigen Anerkennung und Erfolg. Späte Ehrungen blieben nicht aus. Er
erhielt u.a. das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und das
Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. 1996 wurde ihm der Berufstitel
Professor verliehen.
In Wien heiratete Askin zum dritten Male. Obwohl er im
letzten Lebensabschnitt an den Rollstuhl gefesselt war blieb er am Theater, mit
Lesungen und in Filmrollen wie beispielsweise in „Höhenangst" im Kulturleben
präsent. Er vervollständigte seine 1989 in englisch erschienene Autobiographie „Quietude
and Quest", die 1998 auf Deutsch unter dem Titel „Der Mann mit den 99
Gesichtern" auf den Markt kam. Gestützt durch seine Frau Anita Askin-Wicher
genoss er einen Lebensabend voll Anerkennung und Ehrungen. Er starb am 3. Juni
2005.
Askin war nicht so sehr der Star der Hauptrollen als vielmehr ein Meister der
Nebenrolle, wo er seinen Personen Profil und Ausstrahlung verlieh. An seinem
Charakter ist sein ungebrochener Lebenswille zu bewundern, der ihm trotz aller
bitteren Schicksalsschläge erhalten geblieben ist.
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