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SURINAME: Jüdische Gemeinde in Paramaribo mit neuem Leben

Synagoge und Moschee als friedliche Nachbarn

Bernd Michael KUBISCH

Die Jüdischen Gemeinde in Paramaribo ist stolz auf die Geschichte ihrer Vorfahren und auf ihre Bauwerke. Gut 50 Kilometer südlich der Hauptstadt von Suriname schlummern die Reste einer Synagoge. Der kleine Ort Jodensavanna war Sitz der Portugiesisch-Jüdischen Nation im heutigen Suriname, das lange Zeit auch holländische Kolonie war.

Synagoge Neve Shalom, Außenansicht

Die Siedler begannen 1665 mit der Errichtung des hölzernen Bauwerks. «Die Synagoge in Jodensavanna gilt als die älteste der westlichen Hemisphäre», sagt Lily Duym, Direktorin des Museums der Israelitischen Gemeente Suriname in Paramaribo an der Atlantikküste.

Ein Feuer im Jahre 1832 legte fast alle Gebäude der alten Gemeinde in der Wildnis in Asche. Seit einigen Jahren können die von Dschungelgrün überwucherten Ruinen und Grabsteine mit robustem Auto und Boot von Paramaribo aus wieder besichtigt werden. Nur wenige Besucher - neben jüdischen Mitbürgern einige kulturinteressierte Touristen - verirren sich hierher. Es bleibt sehr still in Jodensavanna.

Synagoge innen, v.l. Künstler Ricardo Wong Loi Sing aus Paramaribo (39), Museumsdirekotrin, Lily Duym (59) und Tourist Ranny Brooks (59) von der Karibikinsel Anguilla

Noch Anfang der neunziger Jahre war auch das aktive jüdische Leben in Paramaribo sehr ruhig. Inzwischen ist das anders: Die Gemeinde ist wieder aktiver. Die Synagoge Neve Shalom ist heute ein Schmuckstück und strahlt in frischer Farbe. Die EU fördert die Sanierung der historischen Altstadt von Paramaribo,ein Teil davon kam bereits der Synagoge zugute.

Neve Shalom in der Keizerstraat steht direkt neben der großen Moschee und dem Hauptsitz der Surinaamse Islamitische Vereniging (Vereinigung). Kaum ein Suriname-Besucher lässt sich dieses spektakuläre Fotomotiv entgehen: Moschee und Synagoge als friedliche Nachbarn. Vor den beiden Gotteshäusern hier im Nordostzipfel Südamerikas sind keine Sicherheitskräfte postiert, die nach potenziellen Attentätern Ausschau halten.

Synagoge innen, Leuchter

Wenn ein Rabbiner aus den Niederlanden, den USA oder Israel die kleine Jüdische Gemeinde in Suriname besucht, stattet er auch dem Imam eine Höflichkeitsvisite ab. Die regionale Presse berichtet routinemäßig darüber. «Wir wünschen uns, dass überall auf der Welt Juden und Moslems so friedlich miteinander leben wie bei uns», sagt Lily Duym. Dieses tolerante Miteinander aller Kulturen, Hautfarben und Religionen ist in Suriname heute völlig normal. Allerdings litt das Land, das bis 1975 Niederländisch-Guyana hieß, nach seiner Entlassung aus der Kolonialherrschaft zunächst unter blutigen Unruhen. Es kam in Teilen des Landes zu einem Bürgerkrieg. Besonders in unwegsamen Gegenden hatten Aufständische für einige Zeit die Oberhand.

Jules Fernandes ist Sohn des früheren Chairmans der Jüdischen Gemeinde, Rene Fernandes. Er sagt: «Lange Zeit war unsere Gemeinde etwas schläfrig. In den letzten Jahren hat sie auch Dank meines Vaters „neue Fahrt" bekommen.» Der 48-Jährige fügt hinzu: «Kurz vor dem Tode meines Vater im Juni 2004 habe ich ihm versprochen, mich verstärkt um Synagoge und Gemeindeleben zu kümmern.» Auch seine Mittagspause nutzt Fernandes junior nun häufig zu einem Besuch auf dem Synagogengelände. Im kleinen Museumshaus betrachtet er gerade ein Bild seines Vater. Dann schaut er Lily Duym (59) an, die in Buchhaltungsakten blättert, und sagt: «Wir sind die Teile, Lily ist der Motor und hält alles am Laufen.»

Neve Shalom und Moschee

Untereinander reden die 400.000 Bewohner des dünn besiedelten Landes ihre eigene Suriname-Sprache, ein buntes, melodisches Wortgemisch. In dieser Sprache vermischen sich Elemente des Niederländischen mit Spanisch und Englisch sowie mit einigen Ausdrücken der Ureinwohner. Manche Surinamesen sprechen auch portugiesisch. Denn Brasilien ist der große Nachbar im Süden. Im Westen grenzt Suriname an Guyana, das früher britisch war, im Osten an Guyane, das zu Frankreich und der EU zählt und mit großem Abstand den höchsten Lebensstandard der «drei Guyanas» hat.

Die Jüdische Gemeinde in Paramaribo hat nun über 150 Mitglieder, die Tendenz ist steigend. Die meisten sind sehr aktiv am jüdischen Leben beteiligt. Zu Festen und Partys kommen nicht selten auch Katholiken,

Anglikaner, Hindus, Moslems. Zum Beispiel zur Chanukka-Feier: An diesem Abend im Dezember sind Parkplatz und Gemeindehaus neben der Synagoge gut gefüllt. Einige Kinder spielen neben dem Holzgebäude im Gras unter dem großen Sternenzelt. Die Luft ist warm. Ein Parkwächter dirigiert die Autos. Nebenan in der Moschee ist es dunkel.

Grabsteine vor Neve Shalom

Einlasskontrollen zum Synagogengelände und in das Gemeindehaus sind hier unbekannt. Es gibt reichlich zu essen, auch viel spezielles Gebäck. Etliche der Gäste halten Gläser mit Ingwerlimonade, Orangensaft oder Bier in der Hand. Die mutigen Karaoke-Sänger der Gemeinde erhalten großen Applaus. Viele der Gäste zwischen 8 und 88 Jahren schwingen das Tanzbein. Über 200 Menschen feiern an diesem Abend.

Noch hat Neve Shalom keinen festen Rabbiner. «Aber wir sind voll Hoffnung in die Zukunft», sagt Jules Donk, einer der Verantwortlichen der Gemeinde. Unlängst waren sogar drei Rabbiner in der Gemeinde. Sie sind nötig zum Beth Din,» erläutert Donk. Beim letzten Beth Din traten einige Bürger offiziell zum Judentum über.

Neben dem jüdischen Leben sind seit gut fünf Jahren auch Wirtschaft und Tourismus wieder etwas im Aufwind. In Paramaribo wird in diesen Tagen viel Holz gesägt, Zement gemischt, gebaut und restauriert.

Seitdem das Zentrum der Hauptstadt mit seinen historischen Bauwerken, von denen viele aus Holz sind, zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, fließen für Stadtkernerhaltung und -erneuerung auch mehr nationale und internationale Gelder.

Die EU greift dem Land bei der verstärkten Entwicklung als Destination des Öko-Tourismus unter die Arme. Das ist Umwelt-, kulturell und sozialverträglicher Tourismus, der auch die Sitten und Gebräuche der Einwohner bewahrt und neue Arbeitsplätze fördert. Gerade in armen Ländern wie Suriname wird auch der Fremdenverkehr auf dem Land gefördert: private Gästehäuser, Kunsthandwerk, Souvenirshops. Es gibt zwar kaum attraktive Strände an der Küste zum Karibikmeer, doch das Land hat am fruchtbaren Küstengürtel, in Dschungel und Savanne eine üppige Flora und Fauna. Kommunen von Ureinwohnern wie Amerindians und Maroons gehören zu den Mitgestaltern eines nachhaltigen Fremdenverkehrs, der auf Traditionen, kulturelle und soziale Entwicklungen Rücksicht nimmt und diese fördert.

Frühere Synagoge Sedekwe Shalom, nun vermietet an Computerladen mit Internet-Café

Ein Rundgang durch das Gelände von Neve Shalom führt auch zum musealen Friedhofsteil mit historischen Grabsteinen, von denen viele verwitterte Inschriften in Portugiesisch haben. Dann geht Lily Duym zur Synagoge. Unter dem Schatten spendenden Vordach, das auf mächtigen Säulen ruht, nimmt die Direktorin einen großen Schlüssel in beide Hände und schließt für ihre Gäste das Portal der Synagoge auf. Zu der kleinen Gruppe hat sich noch Michael Ricardo Wong Loi Sing gesellt. Der junge Mann mit teils chinesischen Vorfahren ist Maler und Kunsterzieher. Im Auftrag der Jüdischen Gemeinde im hessischen Vöhl hat er unlängst ein kleines Originaldeckenteil aus dem Gotteshaus in Deutschland in ein Kunstwerk verwandelt. Ähnliches machen auch Künstler aus vielen Ländern für die Synagoge in Deutschland.

In ihr wurden alle Teile zu einem gemeinsamen Kunstwerk zusammengefügt.

«Ich war noch nie in Deutschland. Aber hier in der Synagoge in Paramaribo habe ich geistige Anregung gefunden für mein Werk», sagt der 39-jährige Künstler im Flüsterton. Dabei blickt er erst nach oben auf Empore und Leuchter, dann auf die massiven Bänke und schließlich nach unten auf den hellen Sand, der den gesamten Boden der Synagoge bedeckt.

Das stille Suriname und seine Jüdische Gemeinde kommen so gut wie nie in die Weltpresse. Doch es gibt Ausnahmen: Vor wenigen Jahren machte eine weitere Synagoge Sedekwe Shalom des südamerikanischen Landes einige überregionale Schlagzeilen, zumindest in den USA, den Niederlanden und Israel. Aus der ehemaligen Synagoge, wo einst sephardische Juden beteten, wurde ein Computershop mit Internetcafé.

Das frühere Synagogenhaus war längere Zeit ungenutzt gewesen.

Umwandlung und Vermietung stießen jedoch auf Kritik bei Juden, zum Beispiel in den USA.

«Unsere kleine Jüdische Gemeinde in Suriname kommt mit einer intakten Synagoge zurecht. Und die soll leben und blühen», betont Jules Fernandes. Die Gemeinde müsse auch finanziell überleben und deshalb würden die Mieteinnahmen des Betreibers des Internet-Cafés dringend gebraucht. Neve Shalom ist heute das gemeinsame Dach aller Juden in Suriname.

Fotograf: Bernd Kubisch n

 

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