Nach drei Monaten harter Ausbildung – mit täglichem 12 km
Lauf – leisteten wir am 15. Juni 1946 zu Mitternacht im Speisesaal des Kibbuz
Jagur – nicht weit von Haifa - den Eid, dem jüdischen Volk treu zu dienen. Jigal
Allon – der damalige Kommandant des Palmach – hielt eine Ansprache. Er sprach
von „Tohar haneschek", der Sauberkeit der Waffe - darunter verstand man, dass
man sich als Waffenträger seiner Verantwortung bewusst sein muss, Zivilisten und
Gefangene zu schonen. Dies sollte erst im Krieg seine Bedeutung erlangen. Wir
waren alle bewegt und hatten das Gefühl, richtig entschieden zu haben, als wir
uns freiwillig meldeten. Uns beeindruckte, dass wir vor Beginn der Vereidigung
mit Gewehren ausgestattet wurden und dass Maschinengewehre und Mörser
aufgestellt waren.
Zwei Wochen nach unserer Vereidigung am 29. Juni 1946 kam es
zum Schwarzen Sabbat, als die britische Armee in jüdischen Siedlungen
Waffen suchte und in Jagur auch fündig wurden. Tausende Juden, die man
verdächtigte, der Hagana anzugehören, wurden interniert, doch unsere Ausbildung
und die Arbeit gingen weiter. Anfang 1947 kam ich nach Ramat Jochanan, wo ich
einen Pfadfinderkurs besuchte. Wir – Burschen und Mädchen - lernten mit dem
Kompass umzugehen und unseren Weg in den Hügeln von Galilea in der Nacht zu
finden.
Im Sommer 1947 wurde ich von Ramat Jochanan nicht weit von
Haifa zum zweiten Palmach-Regiment in den Negev gesandt, um die dorthin führende
Wasserleitung zu bewachen. Sie machte die weit verstreuten jüdischen Siedlungen
– meist Kibbuzim – erst möglich. Die Straßen, die zu den Siedlungen führten
waren oft genug noch nicht asphaltiert und die Autos wirbelten viel Staub auf.
Unsere Einheit von zehn Palmachmitgliedern und einem Unteroffizier war zunächst
im religiösen Kibbuz Beerot Jizchak stationiert. Man bat uns, freiwillig der
jüdischen Hilfspolizei seiner Majestät, des britischen Königs, beizutreten,
damit wir legal eine Waffe tragen konnten.
Irgendwann Ende des Sommers 1947 wurden wir nach Tekuma
gesandt. In dem nicht weit vom Gazastreifen liegenden religiösen Moshav
siedelten religiöse Einwanderer aus Ungarn und Rumänien, die erst seit kurzem im
Land waren. Im Moschav übten wir mit dem Maschinengewehr und patrouillierten Tag
und Nacht. Wir hatten einen „Tender", vorne saß der Fahrer und unser
Unteroffizier, hinten im offenen Auto befanden wir uns in britischer Uniform.
Unsere Aufgabe: Diejenigen Beduinen zu fassen, die meistens in der Nacht die
lebensnotwendige Wasserleitung sabotierten. Wir fuhren abends hinaus, um dann zu
Fuß zum Ort zu gelangen, wo wir die ganze Nacht geduldig warteten. Wir hatten
kein Glück und erwischten niemand, wir wirbelten zwar viel Staub auf, doch
konnten wir vielleicht auch deswegen keinen einzigen Saboteur fassen. Die
Beduinen kannten sich hier besser aus, aber die Anzahl der Sabotageakte ging
doch zurück.
Ende November 1947 wurde mein Jahresurlaub fällig. Ich
beschloss diesen bei meinem 15 Jahre älteren Bruder Erwin zu verbringen. Erwin
kam 1946 nach sieben Jahren Dienst in der britischen Armee nach Jerusalem zurück
und mietete im bucharischen Viertel von Jerusalem ein Untermietzimmer bei einer
warmherzigen sympathischen „bucharischen" Familie. Ich fühlte mich sehr
bevorzugt, denn einige meiner Freunde, die so wie ich 1943 ins Land gekommen
waren, hatten in der Schoah ihre ganze Familie verloren, ich hatte aber meinen
einzigen Bruder im Land.
Und so kam ich voll der Freude am 28. November nach
Jerusalem. Am 29. November hörten wir gespannt im Radio die Abstimmung der
UNO-Generalversammlung, mit der die Teilung des Landes beschlossen wurde. In den
Strassen Jerusalems wurde getanzt, aber schon am nächsten Morgen meldete das
Radio einen arabischen Überfall auf zwei jüdische Autobusse in der Nähe von Kfar
Syrkin mit sieben Todesopfern. Am gleichen Tag wurde auch ein Jude an der
Schnittstelle zwischen Jaffa und Tel Aviv ermordet.
Ich verabschiedete mich von meinem Bruder und fuhr noch am 1.
Dezember zurück zu meiner Einheit, obwohl ich noch eine Woche Urlaub hatte. Als
ich zurückkam, waren alle erstaunt und ich wurde sogar belächelt. Wir dachten es
würde mit der gewohnten Routine weitergehen und zunächst schien es in Tekuma
auch so.
Im Dezember 1947 kehrte der Mufti Hadj Amin el Husseini
zurück ins Land, der bald in Konflikte mit anderen arabischen Führern verwickelt
war. Schon am 2. Dezember 1947 begannen ein arabischer Generalstreik und
Angriffe eines arabischen Mobs auf jüdische Viertel in den gemischten Städten
Haifa und Jerusalem. Aus den Tageszeitungen und aus dem Radio erfuhren wir, wie
dramatisch die Lage war. Kritik an der Führung der Hagana wurde laut, die man
beschuldigte, nicht auf die Ereignisse vorbereitet gewesen zu sein. Auch wurde
gefordert, die hebräische Presse zu zensurieren, damit die Araber nicht von der
Berichterstattung profitierten. Bereits in der ersten Woche nach Bekanntgabe des
Teilungsplans der UNO gab es 62 jüdische Opfer. Der Einsatz des arabischen Mobs
ließ bei Juden und Arabern den falschen Eindruck entstehen, es handle sich
lediglich um eine Fortsetzung der Unruhen von 1936-39. Mit solchen Aktionen
glaubten die arabischen Führer ihre Unzufriedenheit mit dem Teilungsplan der UNO
auszudrücken und damit die Juden und ihre Unterstützer in der Welt von der
Verwirklichung der Teilung abhalten zu können. Sie sollten sich täuschen. Die
Sowjetunion und ihre Verbündeten unterstützten die Errichtung eines jüdischen
Staates und in den Häfen Frankreichs und Italiens missachteten die
Gewerkschaften immer wieder Streiks, um das Beladen und Auslaufen von Schiffen
mit illegalen jüdischen Einwanderern zu ermöglichen. Die schändliche die Rolle,
die Hadj Amin el Husseini und andere Araber an der Seite Hitlers spielten, war
noch nicht vergessen.
Nach den ersten ungezügelten Angriffen kamen überlegtere und
besser geplante Aktionen, die von den Juden mehr Opfer forderten. Es kam zu
Feuerüberfällen, zum großen Teil von Scharfschützen, insbesondere in den
gemischten Städten. Während des ganzen Monats Dezember 1947 schossen Araber
fortdauernd von Jaffa auf die angrenzenden jüdischen Viertel von Tel Aviv. Die
Araber ließen auch durch ihnen freundlich gesinnte Briten Autobomben in dicht
besiedelte jüdische Gegenden, zumeist in die Stadtmitte bringen.
In Tekuma hatte sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Wir
wohnten zu fünft in einem Zimmer einer Baracke und gingen eine Woche in der
Nacht und in der nächsten am Tag auf Patrouille, immer zu Fuß. Am morgen des 13.
Dezember 1947 sollte ich mit meinen Kameraden nach einer Woche des Nachtdienstes
wieder am Tag ausschwärmen. Doch ich fühlte einen stechenden Kopfschmerz und
fragte einen Kameraden, ob er mit mir tauschen würde. Er sagte zu und ich sah
ihn nie wieder.
Am Nachmittag erhielten wir einen Anruf von der britischen
Polizei in Gaza, dass die fünf Kameraden in einen Hinterhalt von Beduinen
geraten und massakriert worden waren. Ich schlief in der darauf folgenden Nacht
ganz allein im Zimmer, denn meine vier Mitbewohner waren nicht mehr am Leben.
Ein fürchterliches Gefühl.
Am späten Nachmittag des 14. Dezember fuhren wir mit unserem
Tender und einem Lastauto, um in der Polizeistation von Gaza die Leichen
abzuholen. Als wir in die Nähe dieser Tegartfestung [1] kamen, standen Araber
mit Gewehren in einer Entfernung von 20-30 Metern und schossen auf uns. Sie
waren schlechte Schützen und trafen nur das Auto.
Angekommen in der Festung empfing uns ein britischer
Polizeioffizier mit der Nachricht, dass die Leichen bereits nach Beersheva
transferiert wurden. Wir baten ihn, uns eine Schutzbegleitung zu stellen, doch
er weigerte sich. Zum Glück fuhren wir nach Einbruch der Dunkelheit wieder
zurück, denn wieder schossen Araber auf uns, doch auch diesmal erzielten sie
keinen Treffer.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach Beersheva, hier hatte in der Polizeistation
die britische Armee das Sagen, die Offiziere hatten schon von unserem Abenteuer
in Gaza gehört und begrüßten uns freundlich. Wir wurden verköstigt und man bot
uns Zigaretten an. Wir waren ja britische Hilfspolizisten in Uniform, und das
bewog den britischen Kommandanten, uns eine Schutzbegleitung zu gewähren. Vor
uns fuhr ein Tank, hinter unseren beiden Fahrzeugen zwei Panzerwagen mit
britischen Soldaten. Als Araber auf uns Steine warfen, hörten wir den britischen
Hauptmann, dessen Kopf in der Luke des Tanks sichtbar war, den Schießbefehl
erteilen. Eine Salve aus einem Maschinengewehr wurde so abgefeuert, dass vor den
Füßen der Steine werfenden Araber sich eine Staubwolke bildete und diese sofort
die Flucht ergriffen. Wir brachten die Leichen in den nahen Kibbuz Mishmar
Hanegev. Gefallen waren unser Unteroffizier Israel Berkovits, 19, die Soldaten
Jizchak Jehoschua Schuster 19, Arie Schwarzmann 17 (er meldete sich als
16jähriger und gab an 18 zu sein) Shabtai Selins, 18 und Schmuel (Mula) Unger,
17. Ehre sei ihrem Andenken.
Als wir, die fünf Überlebenden unserer Einheit, Ende 1947 in
das neu errichtete Militärlager „Mekorot" bei Nir Am transferiert wurden, waren
wir froh. Endlich wurden wir einer größeren Einheit zugeordnet. Irgendwie
erinnerte manches an die Aufbruchstimmung, die man in vielen Wildwestfilmen
sehen kann. Manche liefen mit langen Bärten und Hüten der australischen Armee
herum, sie gehörten zu den „Chajot Hanegev", die später mit auf Jeeps montierten
Maschinengewehren Aktionen in arabischen Siedlungen durchführten.
Wir bewachten unseren Stützpunkt und gingen untertags oder
nachts auf Patrouille, die uns in die Nähe arabischer Dörfer brachte.