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Sprengstoff-Bezugsausweise für Juden in der „Ostmark"

Gerald GNEIST

Nachdem Reichspräsident Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, führten in Deutschland schon ab dem Jahr 1933 drastische Maßnahmen zum Ausschluss der Juden aus dem öffentlichen Leben. Ein Jahr später folgte der Erlass des „Heimtücke-Gesetzes" zur Knebelung der politischen Gegner. Zunehmend stellte sich nun ein Großteil der internationalen Presse gegen das Deutsche Reich. Das antisemitisch ausgerichtete Programm der deutschen Machthaber wurde jedoch nicht nur unbeirrt fortgesetzt, sondern noch zusätzlich verschärft, zumal sich die britische Appeasement-Politik wirkungslos zeigte. Speziell durch die „Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom 14. Juni1938 wurde die ökonomische Tätigkeit von Juden im gesamten „Reich" erfasst. In der Folge gelang es, Juden aus dem Wirtschaftsleben vollständig hinauszudrängen. Maßgeblich daran beteiligt war der Reichswirtschaftsminister Walther Funk. Vorerst handelten im Dritten Reich die politischen Leiter noch unter dem Deckmantel einer scheinbaren Legalität. Das galt im „Lande Österreich" ganz besonders für die kurze Zeitspanne nach dem sogenannten Anschluss der sogenannten Ostmark.1 Die innere Sicherheit erschien hier dem NS-Regime nicht so sehr nach der „Wende" am 12. 3. 1938, sondern vielmehr erst nach der Pogromnacht vom 9. 11. 1938 gefährdet. Zwar plünderte damals der Pöbel wie bereits im Frühjahr jüdisches Eigentum und entzog es damit dem staatlichen Zugriff, allerdings rechneten die Nationalsozialisten nach den unzähligen Ausschreitungen und Übergriffen nun mit ernsthaftem Widerstand der jüdischen Bevölkerung. Befürchtet wurden Anschläge, Vergeltungsmaßnahmen für erlittenes Unrecht sowie Weitergabe von Munition uns Sprengstoff an politisch Unzufriedene.

Leiter der damaligen österreichischen Landesregierung war der aus dem deutsch-katholischen Lager stammende Arthur Seyss-Inquart, der den Titel eines „Reichsstatthalters" führte2, und zwar im Range eines SS-Obergruppenführers. Er war für die rasche Beschlagnahme des Eigentums und die Verfolgung von Juden mit verantwortlich. Im Auftrag des Ministers für Wirtschaft und Arbeit erging am 3. Dezember 1938 von Wien aus ein von „Ballacs" gezeichneter Schnellbrief3 mit dem Vermerk „Eilt sehr" an alle Landeshauptmänner und an den Herrn Bürgermeister von Wien4. Darin hieß es, der Reichswirtschaftsminister habe mit dem Erlass vom 25. XI. 1938, Z. III SW 26.337 darauf hingewiesen, dass angesichts der feindlichen Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Reich Sprengstoffe in der Hand von Juden eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten.5 Es wurden daher wegen der Juden (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, RGBl. I, S. 1033) unter Hinweis auf die Bestimmung des Schieß- und Sprengmittelgesetztes (Art. I der Vdg. Ges. Bl. Nr. 483/1938) und auf den Durchführungserlass vom 24. November 1938 Zl. 138.050-12 folgende Verfügungen getroffen. Alle Sicherheitsbehörden des Verwaltungsbereiches (Bezirksverwaltungs- bzw. staatliche Polizeibehörden) waren in jener Causa unter gleichzeitiger Benachrichtigung der in Betracht kommenden Revierbergämter und Gewerbe-Inspektorate zu verständigen. Sämtliche an Juden erteilten Bezugsausweise (Bezugscheine, Bezugsbücher, bisherige Fassungsbücher) für Schieß- und Sprengmittel nach den §§ 31 ff. des Schieß- und Sprengmittelgesetzes (einschließlich der etwa von Bürgermeistern ausgestellten Pulver-Bezugsscheine nach § 31 Abs. 3 dieses Gesetzes) waren aufgrund dessen sofort einzuziehen. Nichtjüdischen Inhabern von Sprengstoffbezugsausweisen, die in jüdischen Diensten standen, beließ man die Ausweise nur, wenn Sprengstoffe und Zündmittel dem Zugriff von Juden sicher entzogen waren. Die Voraussetzung dafür war unter anderem, dass man die Schlüssel für das Sprengstofflager nicht im Betriebe oder an einer sonstigen im Verfügungsbereich eines Juden liegende stelle aufbewahrte. In solchen Fällen musste eine entsprechende Bedingung in den Sprengstoff-Bezugsausweis aufgenommen bzw. nachgetragen werden. Die Anträge auf Ausstellung von Sprengstoff-Bezugsausweisen an Juden waren ab sofort ausnahmslos abzulehnen. Gleiches galt für Ansuchen von Juden um Verschleiß-Befugnisse und für Ansuchen um Belassung oder Überlassung von Schieß- und Sprengmitteln im Sinne der §§ 32 und 33 des Schieß- und Sprengmittel-Gesetzes. Alle Produzenten und Verschleißer6 von Schieß- und Sprengmitteln waren derart zu verständigen, dass die Ausfolgung von Schieß- und Sprengmitteln einschließlich der Pulver an Juden, selbst wenn sie in Besitz von Bezugsausweisen waren, nun untersagt war. Wenn Juden noch in Besitz von Bezugsausweisen waren, mussten sie ihnen abgenommen und an die zuständige Sicherheitsbehörde abgeliefert werden. In jüdischem Besitz verbliebener Sprengstoff bzw. Sprengmittel hatte umgehend beschlagnahmt und sichergestellt zu werden. Dabei wurde vom juridischen Standpunkt aus auf die §§ 32, Abs. 2 und 3 und § 13 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes verwiesen. Sofern aber die konfiszierten Gegenstände nicht von einem dazu berechtigten, nichtjüdischen Inhaber eines Sprengstoff-Bezugsausweises übernommen werden konnten, mussten sie auf gefahrlose Weise unter Einhaltung der damals maßgebenden Vorschriften vernichtet werden. In diesem Falle hatte man den § 14 des Sch.Sp.Ges. Art. III der Vdg. Ges. Bl. Nr. 483/1938 zu § 14 und die Anlage V der Vdg. BGBl. Nr. 204/1935 heranzuziehen. Beim Erwerb der beschlagnahmten Gegenstände durch einen „Arier" war der erzielte Erlös dem Juden, wenn er als Eigentümer galt, zurückzuführen.7 Die obig angeführten Maßnahmen begannen sofort zu greifen. Es hieß seinerzeit lediglich, das Erforderliche wolle sofort veranlasst werden.8 Über die Durchführung mussten die Behörden bis spätestens 8. Dezember 1839 die zuständige Stelle informieren.

Es bedarf keiner großen Erklärung, dass angesichts derartig konsequenter Vorgangsweisen den im Lande verbliebenen Juden keine Möglichkeit des bewaffneten Widerstandes mehr blieb.

Anmerkungen

1 Sic: Gesetzblatt für das Land Österreich, Jg. 1938, ausgegeben am 15. März 1938, 1. Stück

2 An der Spitze eines Reichsgaues stand als Reichsstatthalter der Gauleiter des örtlichen Parteigaues der NSDAP

3 Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Zl. 138.314-12/1938. In der Folge zitiert: Min. f. W. u. A.

4 Wiener Bürgermeister war zu diesem Zeitpunkt Hermann Neubacher.

5 Min. f. W. u. A., Zl. 138.314-12/1938, S. 1.

6 Österreichischer Terminus für Detailverkauf

7 Min. f. W. u. A., Zl. 138.314-12/1938, S. 2.

8 Ebd., S. 3.

 

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