Der bis dato ungelöste israelisch-palästinensische Konflikt
als einer der langwierigsten und komplexesten
Konflikte der Gegenwart besitzt nicht nur eine destabilisierende Wirkung auf die
gesamte Region des Nahen- und Mittleren Ostens, sondern stellt auch eine der
größten Bedrohungen für die internationale Stabilität und Sicherheit dar. In den
letzten 60 Jahren kostete dieser Konflikt Tausende Menschenleben, Milliarden an
Dollar und endlose Debatten und Bemühungen ohne konkrete Ergebnisse. Mit dem
Krieg im Irak, der Eskalation im Libanon, der Spaltung der palästinensischen
Führung, dem Hamas-Putsch in Gaza sowie der Ausrufung des Notstandes durch
Fatah-Präsident Abbas im Juni 2007 hat der Konflikt eine neue negative Dynamik
erhalten. Hinzu kommt die permanente Sicherheitsbedrohung Israels durch den Iran
sowie die derzeitige Schwäche und interne Uneinigkeit der israelischen
Regierungskoalition an sich. Angesichts dieser explosiven Konstellation lässt
sich mit Sicherheit sagen, dass das Schicksal der internationalen Beziehungen im
21. Jahrhundert im direkten Zusammenhang mit der Lösung dieses Konflikts als
internationales „Pulverfass" steht.
Galt der Nahost-Friedensprozess in den letzten Jahren als
eingefahren, so haben die internationalen Bemühungen um eine Beilegung der
Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinenser im Laufe des Jahres
2007 nicht zuletzt aufgrund des verstärkten Vermittlungsengagements der USA
einen neuen Aufschwung erlebt. Zum ersten Mal seit dem Scheitern der
Endstatus-Verhandlungen 2001 hat sich wieder eine ernsthafte
Verhandlungsperspektive eröffnet und der israelische Premierminister Ehud Olmert
und der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas als alleiniger Vertreter des
palästinensischen Lagers unterhalten wieder direkte bilaterale Gespräche. Diese
Tatsache kann bereits als erster wichtiger Erfolg der konzertierten
internationalen Diplomatie gewertet werden. Neben vertrauensbildenden Maßnahmen
und praktischen Fragen wie Bewegungsfreiheit, Sicherheit und Wirtschaft geht es
dabei primär um die Ausarbeitung eines gemeinsamen Grundsatzpapiers zur
künftigen strukturellen Ausgestaltung der weiterhin zu verwirklichenden Zwei-
Staaten- Lösung. Die Einladung von US-Präsident George W. Bush zu einem
Nahosttreffen Ende November in Annapolis (USA) unter geplantem Ausschluß der
islamistischen Hamas, welche nach den Gefechten zwischen Hamas und Fatah-Milizen
im Juni 2007 de facto die Kontrolle über den Gaza-Streifen ausübt, soll nun
endgültig den Weg für den Frieden bereiten.
Internationale Unterstützung der Friedensbemühungen
Unterstützung erfahren die Konfliktparteien vor allem auch
durch das unter der deutschen EU- Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007
wiederbelebte Nahost- Quartett (EU, USA, UN, Rußland), für welches vor allem
Rahmendokumente wie die UN- Sicherheitsratsresolutionen 242 und 338, das
„Agreement on Movement und Access" sowie die sog. „Roadmap" (2002)1
im Mittelpunkt stehen. Letztere ist mittlerweile von beiden Konfliktparteien
wieder zum Leben erweckt worden. Dabei handelt es sich um einen dreistufigen
Friedensplan hin zu einem souveränen und unabhängigen Palästinenserstaat, bei
dem sich Israelis und Palästinenser gegenseitig zu gleichzeitigen Schritten der
Annäherung verpflichtet haben. Diese umfassen für die palästinensische Seite
sichtbare Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorgruppen, eine Reform der
Sicherheitskräfte, den Aufbau demokratischer Strukturen einschließlich der
Ausarbeitung einer Verfassung sowie die Abhaltung von freien und fairen Wahlen.
Israel soll im Gegenzug die humanitäre Situation der Palästinenser verbessern,
den Siedlungsbau stoppen sowie bestehende Einschränkungen bei der
Bewegungsfreiheit von Personen und Waren aufheben2.
Beide Parteien kritisieren jedoch laufend die mangelnde Umsetzung dieser noch in
der ersten Phase befindlichen Vereinbarung durch den jeweiligen
Verhandlungspartner.
Zudem wird derzeit von Seiten der EU ein Aktionsplan für den
Nahen Osten ausgearbeitet, welcher den Verhandlungsprozess zwischen Israel und
den Palästinensern unterstützen und neben der Stärkung der Eigenkräfte der
palästinensischen Privatwirtschaft und dem Bildungsbereich vor allem auch
EU-Unterstützungsleistungen im Bereich von Reformen des Sicherheitssektors (SSR)
umfassen soll. Nicht zuletzt kommen Impulse von der Region selber: Neben dem
Engagement Ägyptens und Saudi-Arabiens wurde auf dem Gipfel der Arabischen Liga
im März 2007 das Bekenntnis zur Arabischen Friedensinitiative erneuert.
Unterschiedliche Erwartungen, Positionen und
Vorbehalte
All diese Unterstützungsleistungen erscheinen umso wichtiger,
da zwischen der israelischen und palästinensischen Seite weiterhin erhebliche
Differenzen vor allem bezüglich des zeitlichen Rahmen und der bei der
anstehenden Nahostfriedenskonferenz Ende November zu behandelnden Fragen
bestehen. Die Chancen, dass sich Israelis und Palästinenser noch im Vorfeld auf
ein gemeinsames Grundsatzpapier einigen können, sind in den letzten Tagen
deutlich gesunken. In dieser Hinsicht könnten sich auch Israels Versuche,
mögliche Friedensvereinbarungen mit den internationalen Verpflichtungen der
Palästinenser im Kampf gegen den Terror eng zu verknüpfen, negativ ausgewirkt
haben. Fest steht, dass Israel bei der Konferenz lediglich eine
Prinzipienerklärung verabschieden, jedoch auf die Klärung von substantiellen
Fragen wie die Grenzfrage zwischen Israel und einem eigenständigen
palästinensischen Staat im Westjordanland und im Gaza-Streifen, die Kontrolle
über Jerusalem oder die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge nach Israel
verzichten will. Zudem bestehen auf israelischer Seite erhebliche Vorbehalte
hinsichtlich eines israelischen Abzugs aus dem Westjordanland. Hier wird eine
wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage befürchtet, was angesichts der
Nähe dieser Region zu israelischen Ballungszentren und zum internationalen
Flughafen in Tel Aviv aus sicherheitspolitischer Perspektive nicht duldbar wäre.
Nicht zuletzt will die israelische Regierung die Konferenz lediglich als Auftakt
eines weiteren Dialogsprozesses betrachten3.
Wie lange dieser Prozess dauern soll, darüber sind sich beide
Konfliktparteien uneinig. Während Israel keine zeitlichen Vorgaben festlegen
will, plädieren die Palästinenser unter Abbas für eine Zeitspanne von einem
halben Jahr, in der die noch ausstehenden Endstatus-Themen geklärt werden
müssten. Vor allem aber soll durch die Annapolis- Konferenz der lange
versprochene Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 ohne territoriale
Einschnitte, mit vollen Hoheitsrechten und unabhängig von Israels Wohlwollen
verwirklicht werden. Aus Sicht der Fatah kommt jedoch erschwerend hinzu, dass
die Hamas seit einigen Monaten den Gaza-Streifen kontrolliert. Eine
Verständigung und Einbeziehung der Hamas ist für die palästinensische Regierung
somit notwendig, was jedoch von Israel und den USA weiterhin strikt abgelehnt
wird4.
Erste Zugeständnisse von Seiten Israels
Fest steht, dass die anstehende Konferenz in Annapolis unter
amerikanischer Schirmherrschaft eine Chance eröffnen könnte, wesentliche
Fortschritte in Richtung einer Verhandlungslösung in diesem verfahrenen
historischen Konflikt zu erzielen. Zumindest könnte dadurch eine gewisse
Normalisierung in den arabisch-israelischen Beziehungen erreicht werden. Weiters
könnte den Menschen sowohl in Israel als auch in Palästina endlich eine
Perspektive geboten, sowie ein spürbarer Zuwachs an Stabilität und Sicherheit in
der Region erreicht werden. Beide Parteien müssen jedoch in erster Linie selber
eine Einigung erzielen, externe Akteure können und sollen in diesem Prozess nur
unterstützend agieren. Rückschritte, fehlende Ergebnisse und Stagnation würden
in erster Linie die Radikalen und die politischen Hardliner stärken. Einschläge
Sicherheitsexperten sprechen im Falle eines Misslingens der Konferenz sogar von
der Gefahr einer dritten Intifada. So war das Scheitern der Friedensgespräche
von Oslo auch ein Grund dafür, dass die Hamas im Januar 2006 bei den
Parlamentswahlen einen klaren Sieg über die Fatah erringen konnte.
Im Vorfeld der Konferenz zeigte sich der israelische
Ministerpräsident Ehud Olmert bereits zu konstruktiven Konzessionen bereit und
signalisierte damit seine Bereitschaft zu einer Wiederbelebung der
Friedensgespräche. So hat die israelische Regierung noch vor Beginn der
Konferenz in Annapolis unter heftigem Widerstand der Opposition und aus den
eigenen Reihen einen teilweisen Stopp von jüdischen Siedlungsaktivitäten im
Westjordanland sowie die vorzeitige Freilassung von rund 440 inhaftierten
Palästinensern in Israel beschlossen. Dadurch soll die Weigerung Israels, in
Annapolis über die Kernfragen des Konflikts zu diskutieren, zumindest
ansatzweise kompensiert werden. Zudem will man alle illegalen Außenposten
entfernen. Aufgrund des anhaltenden Ausbaus bestehender Siedlungen und die
Freilassung nur eines Teils der rund 9.000 palästinensischen Häftlinge in Israel
reagieren die Palästinenser bislang verhalten auf diese Ankündigung. Weiters
beharrt der Konferenzteilnehmer Syrien auf die Einbeziehung der Golanhöhen in
die Verhandlungen. Nur durch eine Lösung des Konflikts um die Golanhöhen sei
laut syrischen Regierungskreisen ein umfassender Frieden mit Israel möglich.
Somit bleibt abzuwarten, was die Konferenz Ende November in
den USA an Ergebnissen bringen wird. Zum Schluss muss man noch festhalten, dass
die Positionen beider Konfliktparteien nicht vollkommen unvereinbar sind und die
Friedensverhandlungen nicht bei Null beginnen müssen. Basierend auf den bereits
vorhandenen Kompromissvorschlägen sollte zügig ein Rahmenplan für Verhandlungen
über den endgültigen Status entwickelt werden. Dazu braucht es auch eine
tatkräfte Unterstützung der Friedensbemühungen von Seiten der internationalen
Gemeinschaft, nicht nur von Seiten der USA, sondern vor allem auch der Europäer.
Die Ankündigung, die europäische Nahostpolitik auszubauen, sollte nicht nur ein
bloßes Lippenbekenntnis bleiben, sondern in einer aktiven Unterstützung zur
Verbesserung der politischen, sozioökonomischen und sicherheitsbedingten Lage in
den betroffenen Gebieten sowie eines aktiven Engagements im Zuge der
Friedensgespräche münden.
Anmerkungen
1
Am 19. November 2003
indossierte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Roadmap mit der
Resolution 1515.
2
Der Text der Roadmap auf
http://usahm.info/Dokumente/Original/Fahrplan.htm
3
Vgl. Müller, Patrick: Die
Nahostkonferenz in Annapolis, SWP Berlin, Deutsches Institut für Internationale
Politik und Sicherheit, 11/2007, Berlin, S. 2.
4
Ebenda, S. 4.