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Ein Multitalent mit Seele und Stil
Isabella MARBOE
Oskar Strnad war ein ausgezeichneter Zeichner, engagierter
Architekt, leidenschaftlicher Bühnenbildner und großer Theoretiker, der das
Wiener Kulturleben der Zwischenkriegszeit maßgeblich prägte.
Oskar Strnad ist noch lang nicht so berühmt, wie es ihm
gebührte. Höchste Zeit, sich mit dem schillernden, vielseitig begabten
Architekten, der das Wiener Kulturleben an der Zeitenwende vom Historismus zur
Moderne maßgeblich prägte, näher auseinander zu setzen. Anlässlich einer
Ausstellung im jüdischen Museum gaben Iris Meder und Evi Fuks einen Katalog
heraus, der das ermöglicht. Oskar Strnad war ein sozial engagierter Architekt
und Theoretiker von charismatischem Auftreten. Er verkehrte in Künstlerkreisen,
hielt mitreißende Vorträge und entwarf mit hingebungsvollem Einfühlungsvermögen
Bühnenbilder, Kulissen und Kostüme für Theater und Film. Viele teils farbige
Illustrationen, Fotografien, Pläne, Entwürfe und Textbeiträge namhafter Autoren,
die einzelne Aspekte seines Schaffens näher beleuchten, lassen ein umfassendes
Bild von Leben, Werk und Person entstehen. Ein besonderes Vergnügen ist die
Lektüre seiner Vorträge, in denen er auf ausschweifende und originelle Weise
über Grundfragen der Architektur reflektiert.
Oskar Strnad (1879-1935) wurde als eines von sieben Kindern
einer bürgerlichen jüdischen Familie in Wien geboren. Er studierte an der
Technischen Hochschule bei Carl König, Karl Mayreder, Max von Ferstel und
Ferdinand Fellner Architektur, die als „erste" Schule der Donaumonarchie galt
und ein profundes Wissen um die historischen Bautradition vermittelte. Obwohl
König selbst dem Späthistorismus verhaftet blieb, wurde seine Schule zu einer
Keimzelle der Moderne, weil er die eigenständige Entwicklung seiner Studenten
zuließ. Max Fabiani, Max Fellerer, Josef Frank, Friedrich Kiesler, Richard
Neutra, Rudolph Michael Schindler zählten ebenso dazu wie Oskar Strnad, Josef
Frank und Oskar Wlach. Gemeinsam gründeten die drei die „Wiener Schule", die
sich gegen das „Schubladendenken" und den Ästhetizismus der Wiener Werkstätte
wandte und vor allem die Bedürfnisse der Bewohner im Blick hatte.
Strnads größtes Interesse galt dem Wohnen, seine
gestalterische Sehnsucht der hohen Kunst „formlos zu formen"1. Ab
1909 lehrte er an der Kunstgewerbeschule, wo er mit dem Einsatz seiner ganzen
Persönlichkeit seinen Schülern eine umfassende Auffassung von Architektur
vermittelte. Gemeinsam mit Oskar Wlach plante er das Haus Hock (1910-12) in
Wien-Döbling. „Man wollte dem Bauherren ,wegen gröblicher Verunstaltung des
Stadtbildes’ die Benutzungsbewilligung verweigern," erinnert sich sein Assistent
Oskar Niedermoser. Das erstaunt umso mehr, da das Haus mit seiner Putzfassade,
dem ziegelgedeckten Steildach, dem Rundbogen unter dem Stiegenaufgang zur
straßenseitigen Terrasse und dem klassizistischen Säulenportikus am Garten alles
andere als eine streng orthodoxe moderne Haltung vertritt. An der Art und Weise,
wie die Stiege mit ihren Wendungen den Weg zum Haus zelebriert, zeigt sich aber
ebenso wie beim L-förmigen, unterteilbaren Wohnraum, dessen Raumhöhe sich
allmählich zur „Piazza" des Hauses hin steigert, Strnads Auffassung von einer
Architektur, die in der Vielfalt ihrer Möglichkeiten des Auf- und Abtretens zur
Bühne des Lebens wird. Sein souveräner Umgang mit dem klassischen
Formenrepertoire zeigt sich später auch beim Umbau und der Erweiterung des
balustradengesäumten Hauses Kranz in Raach (1915-17) bei Gloggnitz in
Niederösterreich.
Mit Oskar Wlach plante er auch für Jakob Wassermann ein Haus
an einem großzügigen Vorgarten mit einer mehrfach gewendelten Treppe, deren
erstes Podest den eineinhalbgeschosshohen Raum an der Straße erschließt. Von
dort führt sie „wie ein Baum mit seinen Zweigen – von Absatz zu Absatz in Räume
der verschiedensten Richtung, so dass man beim Anstieg die ganze schöne Gegend
durch Ausblicke gewinnt."2 Auch das Haus Wassermann (1914) hat eine
ausladende Freitreppe zum Hof und einen L-förmigen Wohnraum mit einem eigenen
Musikbereich, der sich mit raumhohen Fenstertüren zum Garten öffnen und durch
Vorhänge unterteilen lässt, in den Plan zeichnete Strnad einen roten
Bewegungsbogen ein, der von der Treppe bis in den Garten führt. „So wird die
ganze Wohnung schließlich ein großer Raum, der für alle Gelegenheiten passt und
den man doch durch Vorhänge oder Schubtüren fallweise teilen kann,"3
schreibt Strnad 1913.
Die Einrichtung betrachtete er als „Angelegenheit rein
seelischer Natur, eine Aufgabe, die der eines guten Arztes gleicht."4
Nach diesem Prinzip stattete er die Wohnung von Hugo von Hofmannsthal aus,
ebenso hingebungsvoll aber widmete er sich dem Entwerfen von Stühlen für die
Siedlerbewegung, die mit ihren hohen Rückenlehnen etwas Königliches an sich
haben. Im Krieg realisierte er gemeinsam mit seinen Schülern das Projekt
„einfacher Hausrat" mit bescheidenen, billigen Massivholzmöbeln. Strnad plante
u.a. auch einen Bauteil des Winarsky-Hofs (1924-26) und den sozialen Wohnbau in
der Holochergasse (1932). In der Wiener Werkbundsiedlung (1932) entwarf er ein
wunderschönes, weißes Doppelhaus mit einer rundgeschwungenen Kammer am Wohnraum,
der sich zum gedeckten Vorbereich an der Terrasse weitet, von der einige Stufen
in den Garten führen. Auch die Schlafebene darüber hatte ihren flugbedachten,
geschützten Freiraum vor der großen Terrasse. Leider existiert dieses Haus heute
nicht mehr. Außerdem entwarf er eine Arbeiterkolonie mit Kino-und Theatersaal
für Hugo Bunzl, die aber - wie so viele andere ambitionierte Projekte - nicht
realisiert wurde.
Auch das Haus, das er für sich selbst plante, zählt dazu. Für
seine Eltern Samuel und Martha Strnad entwarf er ein Grabmal am Zentralfriedhof,
I. Tor, einigen jüdischen Familien gestaltete er dort ihre Gedenkstätten.
Eine weitere ganz wesentliche Leidenschaft seines Lebens galt
dem Theater: zehn Monate seiner Praxis absolvierte er im renommierten,
einschlägig versierten Büro Fellner & Helmer, das quasi alle größeren Städte der
Donaumonarchie mit seinen schmucken Opernhäusern bestückte. Gemeinsam mit Oskar
Wlach machte er bei einem Wettbewerb für ein Theater in Brüx mit, unter anderem
hat sich auch ein Entwurf für ein Stadttheater in Wien erhalten. Besonders
intensiv setzte sich Strnad mit dem Projekt seiner Ringbühne auseinander, die
aus mehreren Segmenten besteht. Beim Schneider schloss er die folgenträchtige
Bekanntschaft mit Max Reinhardt, aus der sich eine lange, fruchtbare
Zusammenarbeit ergab. Für Reinhardt entwarf er ein Simultantheater mit drei
Bühnen, unter seiner Regie gestaltete er u.a. den „King Lear" und „Die
Namenlosen." Strnad stattete von Goethes „Faust", Shakespeares
„Sommernachtstraum", verschiedenen Stücken Nestroys und Raimunds, Hoffmannsthals
„Schwierigem", Mozarts „Zauberflöte", Wagners „Ring" bis hin zu Kreneks „Johnny
spielt auf" viele Standardwerke der Theaterliteratur und ein paar Filme aus.
Seine Bühnenbilder lebten von ihren Treppenlandschaften, der Lichtregie und
seinem Einfühlungsvermögen in die Charaktere, einige davon bescherten dem
Theater Sternstunden. „Was ihm bei seinen Architekturaufträgen oft zum
Verhängnis wurde, sein tiefes Eingehen in die Persönlichkeit, für die er schuf,
die er bei seiner Arbeit immer enthüllte (oft mehr als gut war), wurde bei
seiner Theaterarbeit zum größten Vorteil,"5 erinnert sich Oskar
Niedermoser. Was es sonst noch zu Strnad zu sagen und in seinem Werk zu
entdecken gibt, liest man am besten selbst nach.
Iris Meder, Evi Fuks: Oskar Strnad 1879 - 1935
144 Seiten, zahlreiche Abb. , 20,5 x 23,5 cm, französische Broschur
Verlag Anton Pustet – www.anton-pustet.at
ISBN:978-3-7025-0553-0
Preis: € 32,00 / SFr auf Anfrage
Anmerkungen
1 Strnad, Neue Wege in der Wohnraumeinrichtung, in:
Innendekoration, 1922, S. 232
2 Max Eisler, Oskar Strnad, Wien 1936, S.22
3 Vortrag „Wohnung und Haus", Januar 1913, S.15
4 Mit Freude wohnen (1932), zitiert nach: Johannes
Spalt, Hermann Czech (Zst.): Josef Frank, Ausstellungskatalog Wien 1981, S. 97
5 Niedermoser (1925), S. 24.
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