Seine Bücher über die antike und christliche Architektur
Roms, die „Antichità di Roma" (1554) und die später auch ins Deutsche und
Englische übertragenen „Quattro libri dell’architettura" von 1570 machten Andrea
Palladio neben Leon Battista Alberti zum einflussreichsten
Architekturtheoretiker der frühen Neuzeit. Sein Beiname spielt auf die
griechische Göttin der Weisheit, auf Pallas Athene an. Bauten wie die „Villa
Rotonda" bei Vicenza haben bis in die Gegenwart hinein Vorbildfunktion. Für sie
schwärmte schon Goethe auf seiner Italienreise, und ein Blick auf
Rublyovo-Arkhangelskoye, das vor Moskau gelegene neue Millionärs-Villenviertel
beweist, dass man für repräsentative Gebäude noch immer am besten auf den an der
antiken Baukunst geschulten Palladio zurückgreift.
Ausladende Tempelfronten mit Säulen, Attiken und
Dreiecksgiebeln sind die Erkennungszeichen des Palladianismus. Mit diesem Wort
schrieb der Italiener Architekturgeschichte, ist er doch der einzige, dessen
Name Pate für einen Stilbegriff wurde. Vor allem in den protestantischen Ländern
Nord- und Westeuropas sowie in den Vereinigten Staaten prägte der Palladianismus
und der darauf basierende Klassizismus die Architektur. Er grenzt sich durch
strenge, klassische Formen vom als katholisch empfundenen römischen Barock ab.
Im Unterschied zu diesem kennt der Palladianismus kein konkav-konvexes
Fassadenrelief und keine bewegten Umrisse. Charakteristisch ist eine klare,
betont antikisierende Verwendung klassischer Bauformen, etwa durch Tempelfronten
und Kolossalordnungen. Häufig ist auch das sogenannte Palladio-Motiv
anzutreffen, bei dem eine höhere mittlere Bogenstellung von zwei schmalen,
gerade abschließenden Öffnungen flankiert wird.
Andrea di Pietro della Gondola, genannt Palladio, wurde 1508
in Padua geboren. 1541 unternahm er eine erste Reise nach Rom, wo ihn besonders
das Pantheon faszinierte. Zunächst wirkte Palladio als Baumeister in Vicenza, ab
1550 war er in Venedig tätig. Weniger bekannt als die Villen und Paläste sind
seine Sakralbauten. Er projizierte antike Tempelfronten auf christliche Kirchen,
wobei es ihm gelang, durch vielfältige Variationen und Kombinationen dieses
Motivs einen harmonischen Übergang zur Kuppel zu schaffen. Palladios erste
praktische Auseinandersetzung mit dem Sakralbau war 1559 die Errichtung einer
neuen Fassade von San Pietro, der Kirche, welche vom 7. Jahrhundert bis 1807 als
Kathedrale des Bistums Venedig diente. Dann erhielt er die ehrenvolle Aufgabe,
den Neubau der Kirche San Giorgio Maggiore auf der Insel San Giorgio di Castello
zu errichten. Gegen Ende seines Lebens baute er im Auftrag der venezianischen
Stadtherren die Kirche Il Redentore auf der Insel Giudecca, deren großartige
Schauseite zum gegenüber liegenden Dogenpalast ausgerichtet ist. Sein letzter
Sakralbau vor seinem Tod 1580 war der Tempietto Barbarano in Maser.
Diese Kapelle in Maser mit seinem an das Pantheon in Rom
erinnernden Portikus ist ein überkuppelter Zentralbau, von dem Palladio sagte,
er sei die vollkommenste und hervorragendste Form eines Gotteshauses, da sie in
allen ihren Teilen gleich weit entfernt vom Mittelpunkt entfernt und am
geeignetsten sei, die Einheit, das unendliche Wesen, die Gleichförmigkeit und
die Gerechtigkeit Gottes zu bezeugen. Die Rückbesinnung auf die Antike und vor
allem auf den Zentralbau sollte für den protestantischen Kirchenbau des 17. und
18. Jahrhunderts von Bedeutung sein. Ein Beispiel ist Georg Wenzeslaus von
Knobelsdorffs den Hugenotten dienende Französische Kirche in Potsdam, ein
kleiner Zentralbau mit deutlichen Anklängen an das Pantheon in Rom.
Für den Bau von Synagogen war das Pathos Palladios kaum
geeignet. So darf es nicht verwundern, dass im 18. und 19. Jahrhundert am
antiken Formenrepertoire orientierte jüdische Gebetshäuser Seltenheitswert
hatten. Eine nach dem Vorbild eines römischen Tempels gestaltete Synagoge
entwarf der Frühklassizist und Freimaurer Friedrich Wilhelm Freiherr von
Erdmannsdorff 1789 für Wörlitz. Sein süddeutscher Kollege Friedrich Weinbrenner
baute 1798 die neue Synagoge in Karlsruhe, einen seltsam anmutenden Stilmix aus
ägyptischen, gotischen und antikisierenden Bauteilen. Bis zu ihrer Zerstörung
durch einen Brand im Jahre 1871 gelangten die Besucher durch eine mit Spitzbogen
gegliederte Halle in einen Innenhof, welcher wie ein Atrium wirkte, ähnlich
einem Peristyl mit mächtigen dorischen Säulen. Die Synagoge selbst wies die
Gestalt einer Basilika auf und verfügte über einen antikischen Tempelgiebel und
einen mächtigen Lünettenbogen als Fenster.
Carl Gotthard Langhans, Erbauer des Brandenburger Tores in
Berlin, errichtete 1829 die Storch-Synagoge in Warschau, die eine klassische
Tempelfassade aufweist. Ebenfalls klassizistisch ist die Wilhelmshavener
Synagoge. Weniger dem Palladianismus als vielmehr der Neo-Renaissance
verpflichtet war Carl Königs 1871/72 entstandener Bau in der Wiener Turnergasse.
Für Synagogen wählten Architekten wie Auftraggeber in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts bevorzugt Motive, die dem byzantinischen wie dem maurischen Stil
entliehen waren, wofür Eduard Knoblauchs neue Synagoge in Berlin (eingeweiht
1866 / 5622) beredt Zeugnis ablegt.
Vom 20. September 2008 bis zum 6. Januar 2009 findet in
Vicenza eine große Palladio-Ausstellung statt, die anschließend (31. Januar bis
13. April 2009) in der Königlichen Kunstakademie in London gezeigt wird.
Informationen: www.andreapalladio.it