Werner Winterstein hat mit der Geschichte seiner Familie ein
Buch vorgelegt, das berührt und fesselt zugleich. Im Zentrum steht die
Geschichte dreier Brüder, Robert, Max und Paul Winterstein. Ihr Schicksal ist
paradigmatisch für die Situation, in der sich großbürgerliche Familien mit
jüdischem Hintergrund zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederfanden: Nach dem
Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der alten Ordnung in schwierige
Lebensumstände geworfen, mit einer Zeit, in der vieles möglich, manches aber
auch unerreichbar war konfrontiert, zunehmendem Antisemitismus ausgesetzt, und
schließlich vom NS-Regime verfolgt, beraubt, ermordet. Eindrücklich wird die
Entwicklung der Protagonisten verständlich gemacht, aus vielen Privatdokumenten
entsteht ein intimes Bild der prominenten Familie im Wechsel der Zeiten, von der
Monarchie über die Erste Republik bis hin zu den Überlebenden des NS-Regimes.
Werner Wintersteins Großvater, Dr. Robert Winterstein (1874 – 1940) war
Generalprokurator der Ersten Republik, Bundesratsmitglied und Justizminister der
Regierung Schuschnigg. An ihm nahmen die Nazis blutige Rache für die
gerichtliche Verfolgung der illegalen Nationalsozialisten, die an der Ermordung
von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß beteiligt gewesen waren. Mit dem sogenannten
Prominenten-Transport wurde Robert Winterstein ins KZ Dachau deportiert, und
1940 im Steinbruch des KZ Buchenwald erschossen. Sein jüngerer Bruder Dr. Max
Winterstein (1868 – 1942) war Augenarzt in Pilsen und kam im Lager
Theresienstadt um, Frau und Kind wurden weiter nach Auschwitz deportiert und
ermordet. Auch Roberts jüngster Bruder Paul (1876 – 1945), hochdekorierter
Offizier der k. u. k. Armee, überlebte Theresienstadt nicht. Er starb nach der
Befreiung am 23. Mai 1945. Werner Wintersteins Vater Peter, unmittelbar nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten fristlos entlassen, floh nach Amsterdam,
wurde 1941 dort verhaftet und ins KZ Mauthausen verschleppt. 7 Jahre lang von
seiner Familie getrennt, überlebte er nur um ein Haar das Konzentrationslager.
Die letzten Jahre, die Nachkriegszeit, schildert Werner Winterstein aus der
eigenen Perspektive, der Erinnerung eines Kindes, konfrontiert mit Tod,
Überleben und der amerikanischen Befreiung im Salzkammergut.
Magda Winterstein mit ihren Söhnen, 1908. li.: Claus, re.:
Erich, sitzend: Peter. Mit freundlicher Genehmigung W. Winterstein.
General von Schuschnigg (li) mit Dr. Robert Winterstein, 14.
August 1933. Mit freundlicher Genehmigung W. Winterstein.
Werner Winterstein: „Anmerkung: Prominent" Die Geschichte der
Familie Winterstein 1867 – 1945. Wien-Köln-Weimar: Böhlau Verlag 2008. Preis:
Euro 29,90.-